Deutschlandreise des Papstes mit deutlichen Orientierungen

Klarheit und unbequeme Wahrheiten

Schon im Vorfeld galt sie als schwierige, wenn nicht gar als die schwierigste Reise des Pontifikats. In Berlin, Erfurt und Freiburg absolvierte Benedikt XVI. ein offizielles Staatsprotokoll, er besuchte die Katholiken, traf mit Dialogpartnern der Kirche zusammen und äußerte sich zu aktuellen Themen und Zukunftsfragen. Und das in einer Offenheit und Klarheit, mit der er seine Zuhörer faszinierte, überraschte - und auch ernüchterte.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Glatt verlief ausgerechnet der Teil, der vorab das meiste Kopfzerbrechen bereitet hatte: die Treffen mit der Staats- und Regierungsspitze und die Rede vor dem Bundestag. Vor den Parlamentariern äußerte sich der Pontifex nicht zu Kirchenfragen oder Moral, nicht zu Ökumene oder Missbrauchsskandal. Vielmehr überraschte er die Zuhörer mit einer ausgefeilten Vorlesung über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats, über Vernunft und Natur, über die Voraussetzungen von Recht und Demokratie. Eine Rede, die über den Tag hinausreicht und Politiker wie Verfassungsrechtler noch lange beschäftigen dürfte.



In der Ökumene, beim zweiten großen Thema der Reise, setzte Benedikt XVI. zunächst auf die Geste: Er ging in Erfurt an die Stätte, wo Martin Luther die Priesterweihe empfing. Und er nahm sich Zeit. In einem denkwürdigen Vortrag würdigte er die Gottessuche des späteren Reformators auf eine Weise, wie es bislang noch nicht von einem Papst zu hören war.



Klare Absage an eine Ökumene der Kompromisse

Auf Streitfragen und Differenzen in der Ökumene ging Benedikt XVI. nicht direkt ein. Nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame und bereits Erreichte sollten im Vordergrund stehen - so sein Appell. Damit verband Benedikt XVI. freilich eine klare Absage an eine Ökumene der Kompromisse.



Er komme ohne Gastgeschenk, meinte er mit Blick auf Forderungen nach einer Abendmahlgemeinschaft von Katholiken und Lutheranern. Einheit könne man nicht durch diplomatische Verhandlungen oder Taktieren erreichen, sondern nur durch eine Vertiefung des Glaubens. Zugleich mahnte er einen ethischen Grundkonsens an und ein gemeinsames Vorgehen der Christen zu Lebensschutz, PID und Sterbehilfe - was derzeit in Deutschland nur teilweise gegeben ist. Neben der Freude über den Papstbesuch an der Luther-Stätte wurde aus evangelischen Kreisen auch Enttäuschung hörbar. Freilich hätte der Vatikan manche Kritik abfangen können, wenn er deutlich gemacht hätte, dass es auf internationaler Ebene bereits Planungen für gemeinsame Initiativen zum Reformationsgedenken gibt.



Lob für die Treue der Katholiken in Ostdeutschland

Hauptanliegen der Deutschlandreise war schließlich der Besuch des Papstes bei den Katholiken, die er im Glauben stärken wollte. Bei den großen Gottesdiensten verteilte er viel Lob und Anerkennung, etwa für die Treue der Katholiken in Ostdeutschland, die unter den Kommunisten Nachteile in Kauf nahmen - die diesen Glauben aber auch in der Freiheit bewahren müssten.



Lob gab es für den sozialen und karitativen Einsatz der deutschen Katholiken, für die internationale Hilfe. Allerdings warnte der Papst zugleich vor kirchlicher Routine. Hauptanliegen jedes Christen müsse es sein, die persönliche Gottesbeziehung zu intensiveren, durch Gebet, Messbesuch und Bibel-Lektüre.



Überhang an Strukturen

Mit Nachdruck rief er die Kirche zur Einheit und zu christlicher Demut auf. Hinter verschlossenen Türen, etwa beim Treffen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, wurde der Papst noch deutlicher. Die Kirche Deutschlands sei bestens organisiert, aber die Entwicklung von Strukturen müsse Hand in Hand mit der Stärkung der geistigen Kraft gehen. Derzeit aber zeichne sich ein "Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist" ab, sagte er.



Benedikt XVI. ist bei seiner dritten Deutschlandreise freundlich empfangen worden. Begrüßung und Applaus waren in Berlin und Erfurt eher zurückhaltend, im Eichsfeld und in Freiburg emotionaler. Sie reichten freilich nie an die Begeisterung vom Weltjugendtag in Madrid heran. Ob dies nur am deutschen Charakter liegt oder auch an der Nachdenklichkeit, die er mit einigen unbequemen Ansagen auslöste, war zweitrangig. Benedikt XVI. ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht einen Harmonie-Kurs fahren, sondern die "Brüder im Glauben stärken" wollte. Und dazu gehören für ihn auch Klarheit und Wahrheit.