Bischöfe sehen keinen Zusammenhang mit Debatte um Staatsleistung

Deutungsversuche zu den Freiburger Thesen

Papst Benedikt XVI. hat mit seiner Freiburger Rede ein Thema angesprochen, über das in Deutschland seit fast zwei Jahren in Fachkreisen und in der Politik debattiert wird. Es geht um die Zukunft der Finanzierung und der rechtlichen Sonderstellung der Kirchen. Das Kirchenoberhaupt hatte am Sonntagnachmittag im Konzerthaus die katholische Kirche ermahnt, nicht auf weltliche Privilegien zu setzen.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Zwar ging der Papst nicht ausdrücklich auf die Forderungen von Politikern und Juristen nach einer Abschaffung von "Dotationen" und grundlegenden Änderungen bei Kirchensteuern und Staatskirchenrecht ein. Er betonte jedoch, frühere Epochen der Säkularisierung, etwa die Enteignung von Kirchengütern und die Streichung von Privilegien, seien eine Hilfe für die Kirche gewesen, weil sie zu ihrer "Reinigung" und zur inneren Reform beigetragen hätten.



Jetzt wird darüber spekuliert, ob der Papst sich indirekt zur deutschen Debatte geäußert hat. Das meint beispielsweise die spanische Zeitung "La Razon": "In die Praxis umgesetzt, werden diese Ideen eine tiefgreifende Reform der Kirchenorganisation bewirken", heißt es am Montag in einem Kommentar. Nicht umsonst habe der Pontifex diese Rede in Deutschland gehalten.



Die deutschen Bischöfe sehen indes keinen konkreten Zusammenhang zwischen den Papstäußerungen und der deutschen Debatte. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, widersprach der Einschätzung, der Papst habe sich für eine Abschaffung der Kirchensteuer ausgesprochen. Es gehe Benedikt XVI. vielmehr darum, dass sich die Kirche nicht mit dem Aufrechterhalten von Strukturen begnügen dürfe, sagte er. Auch der Kölner Generalvikar Dr. Dominik Schwaderlapp äußerte in diese Richtung.



Ackermann: Keine praktischen Vorgaben

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann meinte, der Papst habe keine praktischen Vorgaben gemacht, sondern grundsätzlich gesprochen. Der Kölner Staatsrechtler Stefan Muckel sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), man dürfe in die Papstäußerungen keine staatskirchenrechtlichen Konsequenzen "hineingeheimnissen". Die Kirche habe aber "das Recht, über Spielräume neu nachzudenken, die das Staatskirchenrecht bietet". Als Beispiele nannte der Jurist die Gestaltung des Religionsunterrichts, der Militär- oder Anstaltsseelsorge sowie die Betonung des christlichen Auftrags in den karitativen Diensten.



Kirchenkritiker dürften die Papstworte indessen mit Interesse registrieren. Einzelne Politiker von Linken, SPD, FDP und Grünen, die Piraten-Partei sowie ein "Koordinierungsrat säkularer Organisationen in Deutschland" (KORSO) fordern die Abschaffung von "Privilegien" und Staatsleistungen für die Kirchen. Sie zielen damit vor allem auf die historisch bedingten Ausgleichszahlungen an die Kirchen, die über die Weimarer Reichsverfassung Eingang ins Grundgesetz gefunden haben.



Zur Geschichte

Dabei handelt es sich unter anderem um Dotationen, die im Zuge der napoleonischen Eroberungen nach der Säkularisation von 1803 als Entschädigung ausgehandelt wurden. Damals wurden deutsche Reichsfürsten für Gebietsverluste auf der linken Rheinseite durch Kirchengüter auf der rechten Rheinseite entschädigt, die der Kirche weggenommen wurden. Die Fürsten verpflichteten sich im Gegenzug, den Kirchen materielle Leistungen zu gewähren. Insgesamt machen diese bis heute fortgesetzten Schadensersatz-Zahlungen nach Angaben des Münchner Kirchenrechtlers Stephan Haering rund 455 Millionen Euro pro Jahr aus. Immer wieder wird nun die Frage gestellt, ob dies auch nach mehr als 200 Jahren notwendig und sinnvoll sei.



Katholische und evangelische Kirche signalisierten in dieser Frage in jüngster Zeit Gesprächsbereitschaft; allerdings betonten sie zugleich, dass es sich um Leistungen handelt, die der Kirche rechtlich zustehen. Haering erklärte, dass eine Ablösung über einen Fonds denkbar sei, der die gleiche Summe an Zinsen abwerfe. Dies wäre jedoch eine einmalige, riesige Belastung für den Staatshaushalt. Die Bundesregierung erklärte im vergangenen Jahr, sie sehe keinen Handlungsbedarf. Das Innenministerium verwies darauf, die volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Ablösung seien nicht zu unterschätzen.




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