Papst befürwortet Kirche ohne weltliche Privilegien

Zum Abschied ein Vaterunser

Zum Abschluss seines Deutschlandbesuchs hat Papst Benedikt XVI. die katholische Kirche in Deutschland ermahnt, nicht auf weltliche Privilegien zu setzen und ihren Auftrag in der Welt konsequenter zu erfüllen. Zugleich wandte er sich gegen Forderungen nach einer oberflächlichen innerkirchlichen Reform und einer Anpassung an die Welt.

 (DR)

Das Kirchenoberhaupt äußerte sich in einer mit Spannung erwarteten Grundsatzrede am Sonntagnachmittag im Freiburger Konzerthaus vor mehreren Hundert haupt- und nebenamtlichen kirchlichen Funktionsträgern sowie Vertretern anderer Religionen, der Medien und des öffentlichen Lebens. Auch Bundespräsident Christian Wulff, Baden-Württembergs Ministerpräsiden Winfried Kretschmann (Grüne) sowie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) waren anwesend.



Auf die derzeit von einigen Politikern und Juristen geforderte Abschaffung von "Staatsleistungen", Kirchensteuern und des deutschen "Staatskirchenrechts" ging der Papst nicht ausdrücklich ein. Die Kirche laufe immer wieder Gefahr, sich in der Welt einzurichten und sich den Maßstäben der Welt anzugleichen, warnte er. Dann gebe sie Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zur Offenheit. Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, müsse die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von der "Weltlichkeit der Welt" lösen.



Der Papst veranschaulichte seine Ideen mit einem kirchengeschichtlichen Exkurs: Frühere Epochen der Säkularisierung seien eine Hilfe für die Kirche gewesen, weil sie zu ihrer Läuterung und inneren Reform beigetragen hätten. Die Enteignung von Kirchengütern und die Streichung von Privilegien bedeuteten "jedesmal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche, die sich ja dabei gleichsam ihres weltlichen Reichtums entblößte und wieder ganz ihre weltliche Armut annahm."



Die Weltlichkeit der Kirche beherzt ablegen

Er betonte, es sei "wieder an der Zeit, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen." Frei von Privilegien verwirkliche sie den "Anspruch einer Armut, die sich zur Welt geöffnet hat, um sich von ihren materiellen Bindungen zu lösen". Die geschichtlichen Beispiele der Säkularisierung zeigten, dass das missionarische Zeugnis einer entweltlichten Kirche klarer zutage trete.



Bereits am Tag zuvor hatte er in einer Ansprache an das Zentralkomitee der deutschen Katholiken die Diagnose gestellt, dass die katholische Kirche in Deutschland in ihren Strukturen und Organisationen stärker als in ihrem Glauben sei. Erneut erteilte der Papst Forderungen nach oberflächlichen Reformen eine Absage. Was die Kirche betrifft, sei das grundlegende Motiv der Änderung die "apostolische Sendung der Jünger und der Kirche selbst". Dieser Sendung müsse sich die Kirche immer neu vergewissern. Erneuerungen etwa im Stile eines neuen Fassadenanstrichs oder im Sinne einer Kurskorrektur, "um schneller und geradliniger einen Weg zurückzulegen", spielten zwar eine Rolle. Viel wichtiger aber sei eine Neubesinnung auf die Frohe Botschaft.



Distanz zu kurzlebigen Dingen

Durch die Ansprüche und Sachzwänge der Welt werde immer wieder das Zeugnis verdunkelt. Um ihre Sendung zu verwirklichen, müsse die Kirche immer wieder auf Distanz zu ihrer Umgebung gehen, sie müsse sich gewissermaßen "ent-weltlichen". Das heiße nicht, dass sich Kirche aus der Welt zurückziehen sollte, betonte Benedikt XVI. Gerade im sozialen Engagement helfe es jedoch, eine Distanz zu kurzlebigen Dingen zu wahren.



Bei seiner Rede kam Benedikt XVI. noch einmal auf das Thema "sexueller Missbrauch in der Kirche" zu sprechen. Er sorge sich um die Auswirkungen dieser "schmerzlichen Skandale", bekannte der Papst. Gefährlich werde es, "wenn diese Skandale an die Stelle des primären Ärgernisses des Kreuzes treten und es dadurch unzugänglich machen, also den eigentlichen christlichen Anspruch hinter der Unbotmäßigkeit seiner Boten verdecken."



Im Anschluss an die Rede betete der Heilige Vater zusammen mit den Besuchern das Vaterunser.



Vor dem Rückflug nach Rom: Papst spricht Segensworte

Vor seinem Rückflug nach Rom hat Papst Benedikt XVI. sich mit Dankesworten und Segen von seinen Landsleuten in Deutschland verabschiedet. Bei einer Abschlusszeremonie auf dem Flughafen Lahr rief er die Katholiken am Sonntagabend dazu auf, den Weg des Glaubens mit Kraft und Zuversicht weiterzugehen. In Anwesenheit von Bundespräsidenten Christian Wulff erinnerte der Papst noch einmal an die einzelnen Stationen seiner Reise in Berlin, Erfurt und Freiburg.



Dabei hob er die "fruchtbaren Gespräche" hervor, die er in Berlin mit Wulff und der Bundeskanzlerin über die aktuelle politische Lage geführt habe. Zudem habe er die besondere Gelegenheit gehabt, vor den Abgeordneten des Bundestags zu sprechen und ihnen "Gedanken über die geistigen Fundamente des Staates" vorzutragen, sagte Benedikt. "Besonders berührt" sei er von der freundlichen Aufnahme und große Begeisterung so vieler Menschen in Berlin gewesen.



Auch den Ökumene-Teil seines viertägigen Besuchs unterstrich der Papst: Im Land der Reformation habe naturgemäß die Ökumene einen "Schwerpunkt der Reise" gebildet, sagte Benedikt. "Für den brüderlichen Austausch und das gemeinsame Gebet bin ich von Herzen dankbar", sagte er mit Blick auf das Treffen mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland im Erfurter Augustinerkloster. Bedeutungsvoll seien aber auch das Zusammentreffen mit orthodoxen Christen sowie mit Juden und Muslimen gewesen.



"Erfüllt von den eindrucksvollen Erlebnissen und Erinnerungen an diese Tage in der Heimat" kehre er nun zurück, sagte der 84-jährige Benedikt. Er bete "für eine gute Zukunft unseres Landes in Frieden und Freiheit", versicherte der Papst und schloss mit den Worten: "Der Herr segne Sie alle."



Bundespräsident würdigt Papstreise als großen Erfolg

Bei der Abschlusszeremonie hat Bundespräsident Christian Wulff den Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. als großen Erfolg gewürdigt. Damit "haben sie unzählige Menschen beschenkt", sagte Wulff. "Ihr Besuch hat viele Menschen begeistert", fügte Wulff hinzu.



Papst Benedikt habe mit seiner viertägigen Deutschlandvisite dazu beigetragen, dass sich auch Menschen außerhalb der Kirchen angespornt fühlen, sich mit Themen des christlichen Glaubens zu befassen. Zudem habe er dabei geholfen, dass die Kirche den "Menschen nahe bleibt". Zudem habe Benedikt durch seine Begegnung mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein bedeutendes Zeichen für die Ökumene gesetzt.



Der Papst war zuvor in einem kleinen Raum des Flughafens noch einmal kurz mit dem Bundespräsident und Ehefrau Bettina zusammengetroffen. Auf der Ehrentribüne hatten sich zahlreiche Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft versammelt, darunter der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und hohe kirchliche Würdenträger.



Um 19.15 Uhr bestieg der Papst das Lufthansa-Flugzeug und machte sich auf den Heimweg nach Rom. An Bord waren neben dem Papst, einer Gruppe von Kardinälen, seinen Sekretären und einer vatikanischen Delegation auch 70 Medienvertreter aus aller Welt.