Ministerpräsident Kretschmann über den Papstbesuch

"Ein großes Erlebnis für jeden Katholiken"

Der grüne baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist ein bekennender Katholik und Papst-Bewunderer. So war der Besuch in Freiburg natürlich für ihn "eine große Ehre und eine große Freude". Im domradio.de-Interview spricht Kretschmann über seine Begegnungen mit dem Heiligen Vater.

 (DR)

domradio.de: Herr Kretschmann, Sie sind erst seit einem halben Jahr im Amt, hätten Sie sich das träumen lassen, dass Sie den Papst als Ministerpräsident von Baden-Württemberg begrüßen dürfen?

Winfried Kretschmann: Nein, das hätte ich mir nicht träumen lassen, weder dass ich Ministerpräsident werde, noch dass ich dann in dieser Funktion auch noch den Papst begrüßen und willkommen heißen darf. Das ist wirklich eine große Ehre und auch ein großes Ereignis für das Land, aber auch für mich persönlich.



domradio.de: Sie haben den Papst ja auch schon in Berlin getroffen, ihm da im Bundestag ganz kurz die Hand geschüttelt. Was sagt man dem Heiligen Vater in einem so kurzen Moment?

Kretschmann: Ich hab gesagt: Grüß’ Gott, Heiliger Vater, wir sehen uns ja in Bälde in Freiburg. Mehr Zeit blieb bei dieser kurzen Begrüßung nicht, aber ich wusste ja, dass ich mich ja mit ihm noch etwas länger würde austauschen können.



domradio.de: Hat er etwas geantwortet?

Kretschmann: Nein, er ist dann weitergegangen und hat die übrigen Ministerpräsidenten begrüßt.



domradio.de: Was war denn Ihr allererster Eindruck vom Kirchenoberhaupt?

Kretschmann: Ich war von dieser Rede im Bundestag sehr beeindruckt, eine sehr tiefgehende, intellektuell brillierende Rede, in der er uns Politiker noch einmal darauf hingewiesen hat, auf welchen Grundlagen wir Entscheidungen treffen sollten, wenn es um die ganz wichtigen Fragen des Menschseins und der Menschheit, aber auch der Bewahrung der Schöpfung geht



domradio.de: Und Ihr persönliches Gespräch mit dem Papst, was ist da am meisten bei Ihnen hängen geblieben?

Kretschmann: In dem persönlichen Gespräch ging es natürlich in erster Linie darum, dass ich ihm etwas erzählt habe vom Verhältnis zwischen Staat und Kirche in diesem Bundesland, das sehr gut ist. Davon, dass sehr viele evangelische und katholische Christen hier zu einer guten sozialen Temperatur in diesem Bundesland beitragen, dass sie in vielen Ehrenämtern sehr engagiert sind. Das hat ihn sehr interessiert. Wir haben natürlich auch Fragen der Wirtschaft und der Ökologie besprochen, aber er hat auch großen Wert darauf gelegt, sich über das Verhältnis zum Islam, über die Integrationsbemühungen zu erkundigen. Da konnte ich ihm erläutern, dass jetzt ein Lehrstuhl in Tübingen eingerichtet wird, so dass Imame und Religionslehrer für die muslimischen Kinder auf demselben Niveau ausgebildet werden wie ihre christlichen Kollegen und in der Kultur und Sprache unseres Landes. Dazu meinte er, dass er das wirklich wichtig fände, weil wir alle ja auf eine europäische Ausprägung des Islam hoffen, die durch so etwas ja befördert wird. Daneben war die größte Überraschung, dass er mich zu Stuttgart 21 befragt hat.



domradio.de: Was hat er da genau gefragt?

Kretschmann: Er wollte erst einmal die Hintergründe wissen, und wie der Stand sei und wie das weitergehen solle. Das habe ich ihm erläutert. Und wir kamen dann zu dem Schluss, dass man an solchen Konflikten immer sieht, dass es schwieriger wird, die Gesellschaft zusammenzuhalten, weil sie immer vielfältiger wird. Und der Heilige Vater meinte dazu, dass auch die Kirche pluralistischer und damit schwieriger zusammenzuhalten wird.



domradio.de: Haben Sie denn seine Meinung zu Stuttgart 21 heraushören können?

Kretschmann: Nein, selbst wenn ich sie herausgehört hätte, würde ich jetzt den Papst nicht für irgendeine Position in Anspruch nehmen. Ich glaube, das wäre nicht richtig.



domradio.de: Aber er ist richtig gut informiert und das hat Sie auch erstaunt, wie detailliert er fragt?

Kretschmann: Das hat mich überrascht. Dass dieser Konflikt bis in den Vatikan vorgedrungen ist, hatte ich schon gewusst. Aber das der Papst sich dafür interessiert, hat mich dann doch überrascht. Aber es ging ja in der Tat mehr um die Hintergründe, warum es in Europa zu all diesen Protesten kommt. Das ist ja ein Vertrauensverlust gegenüber den demokratischen Institutionen, das war mehr die Gesprächsebene, nicht konkret der Bahnhof.



domradio.de: Sie sind ja auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und waren heute Morgen bei der großen Abschlussmesse. Wie haben Sie die erlebt?

Kretschmann: Es war einfach ein großes Erlebnis für jeden Katholiken und Christen, der daran teilgenommen hat. Mit dem Papst eine Messe zu feiern, ist ja nun etwas ganz Besonderes, das ist mir schon sehr zu Herzen gegangen. Er hat uns ja in seiner Predigt zur Demut ermahnt. Das löst dann schon auch Reflexionen in einem aus.



domradio.de: Sie sind jetzt also ganz begeistert, inspiriert, beseelt vom Papstbesuch. Was glauben Sie, was langfristig hängenbleiben wird von diesen vier Tagen Papstbesuch?

Kretschmann: Erst einmal das Ereignis selbst, weil das einfach historisch ist: Der erste deutsche Papst seit 500 Jahren besucht unser Land und Freiburg. Das ist an sich allein durch sein Stattfinden ein Ereignis und sicher wird so etwas auch in der einen oder anderen Weise wirken, wobei ich jetzt nicht glaube, dass solche großen Kirchen-Events tatsächlich die Probleme lösen. Das kann man nur durch kontinuierliche Arbeit und Diskussion an der Basis und da bemängele ich ja, dass die Kirche keine richtige Streitkultur hat und nicht gut mit Kritik umgeht.



domradio.de: Haben Sie das auch dem Papst gesagt?

Kretschmann: Nein. Das wäre ja völlig unangemessen, das zu tun, er ist ja unser Gast und als Ministerpräsident bin ich sehr zufrieden mit dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche, das war ja der Grund des Treffens und ich bin ja da nicht als Reformkatholik im Gespräch mit ihm und ich glaube, es wäre unangemessen, in einem zehnminütigen Gespräch ungefragt mit Kritikpunkten zu kommen, die er ja mit Sicherheit alle kennt.



domradio.de: Haben Sie auch Kritikpunkte?

Kretschmann: Wovon ich mir wirklich mehr erwartet hätte, sind die Fragen der Ökumene. Ich verstehe einerseits, dass die Römer das nicht so bewegt, weil sie es gar nicht kennen, aber in Baden-Württemberg sind die Hälfte der Christen katholisch und die andere Hälfte evangelisch, die Hälfte der christlichen Ehen ist konfessionsverschiedenen - oder konfessionsverbindend, wie wir Ökumenen ja sagen - und im Land der Reformation, wo die Konfessionen so profiliert gleich stark nebeneinander stehen, hätte ich mir schon deutlichere Signale erwartet, wie es da weitergehen soll. Ganz praktisch zum Beispiel die Teilnahme dieser konfessionsverschiedenen Ehen an der Kommunion.



Das Interview führte Susanne Becker-Huberti.