Ein Überblick der Reaktionen auf den Papstbesuch

"Großes Geschenk und große Ermutigung"

Prominente aus Politik, Kirche und Gesellschaft haben am Wochenende ein erstes Fazit des Deutschlandbesuchs von Papst Benedikt XVI. gezogen. Im Mittelpunkt standen dabei die Reden und Predigten des Kirchenoberhaupts vor dem Bundestag und anlässlich des ökumenischen Spitzentreffens in Erfurt.

 (DR)

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat den Deutschlandbesuch des Papstes als "großes Geschenk und große Ermutigung" für die Kirche gewertet. Der Papst habe etwa die Vigilfeier am Samstagabend in Freiburg als sehr beeindruckend empfunden, sagte Zollitsch am Sonntag vor Journalisten in Freiburg. Die Jugendlichen hätten in einer "ausgesprochen religiösen Atmosphäre" dem Papst nicht nur zugejubelt, sondern auch zugehört. Zollitsch hatte den Papst während seiner viertägigen Reise auf allen drei Stationen - Berlin, Erfurt und Freiburg - begleitet.



Zur Ökumene mit den Protestanten sagte Zollitsch erneut, der Papst sei nicht gekommen um fertige Lösungen zu bringen. "Er hat uns Mut gemacht, den Weg der Ökumene weiter zu gehen", sagte der Erzbischof mit Blick auf das Spitzentreffen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Erfurter Augustinerkloster, das manche Protestanten enttäuscht hatte.



Bei einem Beisammensein mit Priesteramtskandidaten habe der Papst große Sympathie für die Theologiestudenten und künftigen Priester gezeigt. In einer spontanen Rede habe er diese ermuntert, "intensiv Theologie zu studieren", sagte der Freiburger Erzbischof.



Zollitsch wies er die Einschätzung zurück, wonach sich der Papst bei seiner Ansprache im Freiburger Konzerthaus für die Abschaffung der Kirchensteuer ausgesprochen habe. Es sei Benedikt XVI. vielmehr darum gegangen, dass sich Kirche nicht mit dem Aufrechterhalten von Strukturen begnügen dürfe.



Im Lauf der viertägigen Visite sei deutlich geworden, dass der Papst "Spaß an der Kirche in seinem Land" habe, betonte der Generalkoordinator der Visite vonseiten der Bischofkonferenz, Jesuitenpater Hans Langendörfer.



Der Rottenburg-Suttgarter Bischof Gebhard Fürst nannte den Papstbesuch in der "Stuttgarter Zeitung" (Montag) ein "unbeschreiblich frohes Fest". Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst zeigte sich ermutigt durch "die Klarheit der Worte unseres Heiligen Vaters". Benedikt XVI. habe "wichtige Impulse gegeben und den Glauben in Deutschland gestärkt".



Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck bewertet den Papstbesuch als "wichtiges und stärkendes Zeichen für die katholische Kirche in Deutschland". Er sei erfreut, dass es in Deutschland so viele Menschen gebe, die sich "mit Fragen des Glaubens auseinandersetzen wollen und den Papst mit Freude und Aufmerksamkeit empfangen haben", sagte er am Montag in Essen.



Benedikt XVI. sei nicht nur klar in seinen eigenen Aussagen gewesen, sondern auch aufmerksam bei dem, was er in den zahlreichen Gesprächen und Begegnungen gehört habe, so Overbeck. Gerade bei der vorher so kritisierten Rede im Bundestag habe er "in idealer Weise das Recht in der freiheitlichen Gesellschaft begründet und ist seinen Kritikern auf Augenhöhe begegnet", zeigte sich der Ruhrbischof beeindruckt.



Natürlich, so Overbeck, habe es neben den überwiegend positiven Momenten auch Aspekte gegeben, die für Unmut gesorgt hätten. Dass vor allem das Zusammentreffen mit Vertretern der Evangelischen Kirche an einigen Stellen Enttäuschungen ausgelöst habe, sei nicht zuletzt durch die "zu hohen Erwartungen" verursacht, die "im Vorfeld an dieses Treffen gesetzt wurden", erklärte der Bischof.



Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen sprach von neuem Schwung in der Ökumene. Vom Papstbesuch in Deutschland bleibe eine "deutliche Wegweisung in der Ökumene", weniger durch Benedikts Worte als durch seine Gesten und seinen Besuch in Erfurt, wo der Reformator Martin Luther Anfang des 16. Jahrhunderts Mönch und Priester war. Der Papst habe deutlich gemacht, dass beide Kirchen der Wahrheit verpflichtet seien und über bestimmte Positionen nicht wie Politiker verhandeln könnten. Die ökumenische Annäherung bleibe ein mühsamer Weg, aber die Begegnung in Erfurt habe neuen Schwung gebracht, so Thissen.



Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sieht in Papst Benedikt XVI. einen wichtigen Verbündeten für eine verantwortungsvolle und gerechte Politik. "Ich teile seine Meinung, dass die Welt nicht durch Märkte und Börsen zusammen gehalten wird, sondern durch fundamentale Vorstellungen über Werte, Würde und Solidarität", sagte der SPD-Politiker der "Saarbrücker Zeitung" (Montag). Vor diesem Hintergrund seien "die Kirchen, auch die katholische, Bündnispartner für eine gerechte Politik und damit unersetzlich".



Als positiv wertete Thierse auch, dass Benedikt bei seinem Deutschland-Besuch "die Gemeinsamkeit des Glaubens von katholischen und evangelischen Christen betont" habe. Dies sei ein ganz wichtiger Vorgang. "Auf der Basis dieser grundlegenden Gemeinsamkeit des Glaubens kann man weiter gehen - bis zur gemeinsamen Feier des Reformationsjubiläums im Jahr 2017", meinte Thierse, der auch Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ist.



In der Montagsausgabe der "Berliner Zeitung" (B.Z.) äußerte sich Thierse auch zur Bundestagsrede von Papst Benedikt XVI. Der Papst habe "all diejenigen beschämt, die vorher schon zu wissen glaubten, dass sich die Rede eines katholischen Geistlichen im Bundestag nicht gehört". Thierse weiter: "Dem Bundestag hat es gut getan, einmal eine Rede mit Neugier und Respekt zu hören, die sich weit über den tagespolitischen Streit erhoben hat."



Für den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller symbolisiert die Begegnung "das gegenwärtig positive Verhältnis" zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Gleichwohl können man über Probleme nicht einfach hinweggehen. Ökumene sei kein Fingerhakeln, sondern ein Ringen um ein tieferes Verstehen der Offenbarung, zitiert die "Süddeutsche Zeitung" den Ökumenebeauftragten der Bischofskonferenz.



Der Pressesprecher des Papstes, Frederico Lombardi, sagte, dass es dem Papst trotz der sehr intensiven Reise "außerordentlich gutgeht". Er habe die Teilnahme des Volkes als "lebendig und fromm" empfunden. Der Papstes setze großes Vertrauen in die deutschen Bischöfe und habe seine Solidarität mit der Deutschen Bischofskonferenz zum Ausdruck gebracht.



Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse würdigte in der "Saarbrücker Zeitung" (Montag) das Ökumenetreffen mit den Worten, Benedikt XVI. habe die Gemeinsamkeiten zwischen den Christen beider Konfessionen betont. "Auf der Basis dieser grundlegenden Gemeinsamkeit des Glaubens kann man weiter gehen - bis zur gemeinsamen Feier des Reformationsjubiläums im Jahr 2017", meinte der SPD-Politiker, der auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist.



Ähnlich äußerte sich Thierses Amtskollegin Katrin Göring-Eckardt in der Wochenzeitung "Das Parlament" (Montag). Darin bezeichnete die Grünen-Politikerin, die als Präses der Synode der evangelischen Kirche an dem Treffen in Erfurt teilnahm, die Zusammenkunft als "bedeutendes Signal".



Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann nahm in Radio Vatikan den Papst gegen Kritik am Ökumene-Gipfel in Schutz. Benedikt XVI. habe sich auch deshalb zurückhaltend über Luther geäußert, weil er einer ökumenischen Würdigung zum Reformationsjubiläum nicht vorgreifen wollte. Der Papst wisse, "dass auf vielen Ebenen bis zum 500. Reformationsjubiläum jetzt gearbeitet wird und man eine gemeinsame Wertung versucht."



Der Bund der deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zieht eine gemischte Bilanz des Deutschlandbesuchs von Papst Benedikt XVI. "Es war ein Glaubensfest und ein Zeugnis, wie vielfältig, bunt und wichtig der Glauben für viele Menschen in Deutschland ist", sagte der BDKJ-Bundesvorsitzende Dirk Tänzler am Sonntagabend in Freiburg. "Gleichzeitig bleibt bei jungen Menschen der Wunsch nach Veränderung bestehen."



Als Beispiel verwies Tänzler auf Fragen nach einer größeren Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie nach mehr Mitsprache von Laien und den Wunsch vieler junger Menschen nach einer modernen Sprache in der Kirche. Vielleicht seien diese Bedürfnisse "noch stärker geworden, weil die Situation durch den Besuch stärker im Bewusstsein ist".



Zugleich sieht der BDKJ-Bundesvorsitzende die Arbeit von Laien in der katholischen Kirche durch den Besuch des Papstes bestätigt. Die Rede von Benedikt XVI. vor Vertretern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) bezeichnete Tänzler, der selbst ZdK-Mitglied ist, als Ausdruck der Wertschätzung für die Vielfalt kirchlichen Lebens in Deutschland. Die Kritik des Papstes, wonach es bisweilen einen "Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist" gebe, bezog der BDKJ-Vorsitzende nicht allein auf Verbände und Laienorganisation, "sondern auf alle kirchlichen Strukturen in Deutschland".



Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ist der Dachverband von 17 katholischen Jugendverbänden und -organisationen. Er vertritt damit nach eigenen Angaben rund 660.000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 28 Jahren.



Von einer "herben Enttäuschung" sprach dagegen die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". "Die atmosphärisch freundliche Begegnung im Erfurter Augustinerkloster kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass von diesem Papst keine weiteren Impulse zu erwarten sind, obwohl er bei seiner Wahl zugesagt hatte, sich für konkret sichtbare Zeichen der Ökumene einzusetzen", erklärte die Bewegung in München.



Grünen-Chef Cem Özdemir zeigte sich vor allem über das Lob von Benedikt XVI. für die ökologische Bewegung erfreut. Die Papstrede im Bundestag sei eine "klare Aufforderung" an all jene gewesen, die die zentrale Bedeutung von Klima- und Umweltschutz nicht wahrhaben wollten. Mit der Würdigung der Menschenrechte als Wertgrundlage Europas habe das Kirchenoberhaupt auch eine "starke Brücke" zu Menschen anderen Glaubens geschlagen, befand Özdemir in der "Welt am Sonntag" (WamS).



Ebenfalls in der WamS sprach Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) von einem sympathischen und geistreichen Auftritt des Papstes vor dem Parlament. Dessen Rede sei hochintellektuell und stellenweise "voller Mutterwitz" gewesen.



Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, sieht die Arbeit des höchsten Laiengremiums der Katholiken bestätigt. "Er hat unsere Arbeit gewürdigt", sagte Glück im ZDF. Zugleich nannte der CSU-Politiker den Papstbesuch "ein großes Fest des Glauben". Er habe gezeigt, "dass die Katholiken in Deutschland nicht so distanziert zu ihrem Papst stehen, wie das im Vorfeld immer behauptet worden ist".







Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock, ebenfalls Mitglied im ZdK, äußerte in der WamS Verständnis für kritische Stimmen. Vielen Menschen erschienen die kirchlichen Positionen als "nicht mehr zeitgemäß, ja sogar unbarmherzig". Dieser Kritik müsse sich die Kirche stellen. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger, sagte, "auch als evangelischer Christ" sei er erfreut über den Besuch des Papstes. Die Kirche und vor allem der Papst biete vielen Menschen in Deutschland einen besonderen Halt.



Der ehemalige ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser kritisierte einen Hang zur Inszenierung. Dennoch habe der Besuch wegweisenden Charakter gehabt. Der Politik "wurde gesagt, was rechtens ist". Der Freiburger Religionssoziologe Michael N. Ebertz beklagte in der Form der Papstveranstaltungen einen Widerspruch zu den Dialogbekundungen der deutschen Bischöfe. "Es ist sehr viel monologisiert worden", sagte Ebertz im ZDF. Und das ausgerechnet "in einer Zeit, in der der Erzbischof von Freiburg den Dialog ausgerufen hat".

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