Ein Kommentar zum Ökumenetreffen

Die "Rote Hure Babylons" in Erfurt

Das größte Zeichen des Tages blieb das Ereignis an sich: Das Oberhaupt der katholischen Kirche besuchte den Ort, an dem der Reformator Martin Luther sechs Jahre lang als Mönch gelebt hatte. Aber er hat kein "ökumenisches Gastgeschenk" im Gepäck. Für domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen war es dennoch eine weiterer Brückenstein der Ökumene, der Hoffnung macht.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen / © Boecker

Wenn es doch nur so einfach wäre: Der Bundestagspräsident stellt den Antrag auf große weitere Schritte auf dem Weg der Ökumene im Land der Reformation - die Abgeordneten stimmen mehrheitlich dafür - und vom gemeinsamen Abendmahl über die Anerkennung des päpstlichen Amtes bis zur gegenseitigen Anerkennung der Priester sind alle trennenden Problemfälle gelöst. Mit großer Mehrheit versteht sich! Und spätestens im Jubiläumsjahr der Reformation 2017 feiern die Katholiken und Protestanten einen riesengroßen Versöhnungsgottesdienst - die schmerzhafte Trennung der beiden Kirchen findet endlich ein Ende.



Wer solche Erwartungen an den heutigen Tag hatte, der darf mit Recht enttäuscht sein. Alle anderen Wegbereiter der Ökumene werden sich dagegen schon über die Schritte freuen, die der EKD-Präses Nikolaus Schneider und Papst Benedikt XVI. im Erfurter Augustiner Kloster gemeinsam gegangen sind. Ein römischer Papst im purpurroten Gewand auf historischem Boden. Dem Ort an dem Luther noch "katholisch" war.



Das Aufeinanderzugehen an diesem symbolträchtigen Ort kann nur verstehen, wer weiß, dass der spätere "evangelische" Luther den Papst als "Antichristen", "rote Hure Babylons" und Wiedergeburt des "Teufels" bezeichnete. Sprachgewaltiger kann man den gegenseitigen Hass und die tiefenfundene Feindschaft wohl kaum zum Ausdruck bringen.



Fast 500 Jahre später sagt der Vorsitzende der Evangelischen Kirche Präses Nikolaus Schneider im domradio.de-Interview, nachdem er dem Papst freundlich die Hand geschüttelt hat: "Das war ein Bruder in Christus, der mir begegnet ist!" Herzlicher kann man den partnerschaftlichen vertrauensvollen Umgang im Miteinander auch kaum auf den Punkt bringen.



Richtig, vielleicht hätte der Papst mutig die Ökumene-Tür zur von allen gewollten Einheit noch ein Stück weiter öffnen können. Als deutscher Papst im Land der Reformation wäre dieses ein schönes Zeichen gewesen. Ein Signal, das viele Christen erfreut und gestärkt hätte. Gerade in der Krisen- und Diasporasituation, in der sich längst nicht mehr nur die Christen in Ostdeutschland befinden. Aber genau diese mutige Freiheit eines Christenmenschen  nahm Benedikt nicht für sich in Anspruch. Wer am Tag zuvor in Berlin die Ohren gespitzt hatte, hätte es erahnen können. Der Heilige Vater fühlt sich in seinem Amt nicht nur der Freiheit, sondern auch der Wahrheit verpflichtet. Und über diese Wahrheit lässt sich nun mal nicht so einfach abstimmen. Dass heißt aber nun weiß Gott nicht, dass Benedikt als Pontifex Maximus, als Größter Brückenbauer, nicht an der Ökumene-Brücke weitergebaut hätte - sie ist nur leider nicht so schnell und per Mehrheitsbeschluss fertig zu stellen.



Erfurt aber war ein weiterer Brückenstein der Ökumene der Hoffnung macht.