90.000 Gläubige bei Vesper mit dem Papst in Etzelsbach

Die Massen pilgern zum Papst

Papst Benedikt XVI. hat am Freitagabend mit rund 90.000 Menschen eine Marienvesper im thüringischen Etzelsbach gefeiert. Dabei warb das Kirchenoberhaupt für die traditionelle katholische Marienfrömmigkeit. Wenn Christen sich an Maria wendeten, ließen sie sich "von der spontanen Gewissheit leiten, dass Jesus seiner Mutter ihre Bitten nicht abschlagen kann", so der Papst.

 (DR)

In seiner Predigt warnte der Papst vor falsch verstandener Selbstverwirklichung. Diese könne leicht in Egoismus umschlagen. Wer sich stattdessen einer Sache selbstlos hingebe, schaffe vielmehr die "wahre Entfaltung des Menschen". Ausdrücklich hob der Papst die Bedeutung Etzelbachs als katholischer Pilgerstätte hervor. "In zwei gottlosen Diktaturen, die es darauf anlegten, den Menschen ihren angestammten Glauben zu nehmen, waren sich die Eichsfelder gewiss, hier am Gnadenort Etzelsbach eine offene Tür und eine Stätte inneren Friedens zu finden." Die Marienkapelle in Etzelsbach, wo Benedikt seine Predigt hielt, gilt im Eichsfeld als der älteste Wallfahrtsort. Während gegenwärtig in Thüringen der Anteil katholischer Christen an der Gesamtbevölkerung unter acht Prozent liegt, sind von den rund 105.000 Eichsfeldern 80 Prozent katholisch.



Wo "Gottes Liebe ganz über unser Leben und in unserem Leben" wirke, dort sei der Himmel offen, sagte das katholische Kirchenoberhaupt. Da sei es möglich, die Gegenwart nach der Botschaft Jesu zu gestalten. "Dort haben die kleinen Dinge des Alltags ihren Sinn, und dort finden die großen Probleme ihre Lösung", sagte Benedikt.



Die Gläubigen suchten immer neue Symbole und Aspekte, um die geheimnisvolle Beziehung zwischen Mutter und ihrem Sohn besser zu verstehen. Dazu zähle auch das traditionelle Bild des "Unbefleckten Herzens Marias" als Symbol für die "vorbehaltlose Einheit der Liebe mit Christus". Maria lehre die Menschen, dass Gott, "der die Quelle alles Guten ist und nie etwas anderes will als dein wahres Glück", das Recht habe, vom Menschen ein Leben zu fordern, das sich rückhaltlos dem Willen Gottes unterstellt.



Unter dem Kreuz werde Maria "zur Gefährtin und Beschützerin der Menschen auf ihrem Lebensweg", sagte das Kirchenoberhaupt weiter. In dieser Gewissheit seien durch die Jahrhunderte unzählige Menschen zu dem Gnadenbild von Etzelsbach gepilgert.



Weiße Friedenstauben und blauer Abendhimmel

Ohrenbetäubender Jubel war zuvor aufgebrandet, als Papst Benedikt XVI. mit dem Papamobil durch die Menschenmenge fuhr. Im katholisch geprägten Eichsfeld in Thüringen feierten die Gläubigen das katholische Kirchenoberhaupt mit Begeisterung. Auf seiner Fahrt über das Pilgerfeld an der Wallfahrtskapelle Etzelsbach schallten ihm "Benedetto"-Rufe entgegen, die weiß-gelben Fahnen leuchteten in der Abendsonne. Weiße Friedenstauben stiegen in den blauen Abendhimmel.



Ein von dem Mammutprogramm während seines Deutschlandsbesuchs sichtbar gezeichneter Benedikt wurde von zwei Männern aus dem Papstgefolge gestützt, als er die Stufen der Altarinsel hochging. Der Gesang von 400 Chormitgliedern erschallte über das Pilgerfeld, der Lobgesang Mariens aus dem Lukas-Evangelium. Dann bekam der Papst ein Kreuz der besonderen Art überreicht - geschmiedet aus einem Stück des ehemaligen DDR-Grenzzauns.



Seit dem Morgen waren auf mehreren sternförmig angeordneten Routen Pilger aus allen Teilen Deutschlands zu dem Feld in der Nähe der Gemeinde Steinbach gezogen. Sie waren mit Rucksäcken und Klappstühlen ausgerüstet und versuchten, möglichst alles im Bild mit Fotoapparaten und Handys festzuhalten. Viele Gläubige hatten Ferngläser mit, um dem Papst nahe sein zu können.



Etwa 1.500 Helfer im Einsatz

Rat und Unterstützung fanden die Pilger auf ihrem Weg bei den etwa 1.500 Helfern, die rund um und am Wallfahrtsort im Einsatz waren. In einem der Blöcke gab es Unterstützung von Alexandra und ihrer jüngeren Schwester Andrea - den Töchtern des ehemaligen Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen, Dieter Althaus. Seit Freitagmorgen waren die Schwestern im Einsatz. Sie hatten sich freiwillig als Helfer gemeldet.



Am Rande des Pilgerfeldes florierte vor der Andacht der Handel an Zeltständen mit Devotionalien. Neben Kerzen, Sitzkissen und Kreuzen war der "Ratzefummel" ein begehrtes Mitbringsel. "Kleine Bleistiftsünden einfach wegradieren!" - stand auf einem Kasten, in dem die mit dem Konterfei des Papstes bedruckten Radiergummis lagen.



Viele Pilger hatten sich für diesen Tag besonders geschmückt. Kleine und große Fahnen und Flaggen mit katholischer oder päpstlicher Symbolik waren beliebte Accessoires. Eine Pilgergruppe aus dem thüringischen Küllstedt im Eichsfeld trug auf dem Pilgerpfad St. Martin eine Monstranz mit sich.



Unter den Gläubigen in und um Etzelsbach waren auch katholische Ordensschwestern, unter anderem neun Dominikanerinnen aus dem Kloster "Zum gekreuzigten Erlöser". "Für uns ist das ein ganz besonderer Tag", sagte Schwester Susanna auf dem Weg. "Normalerweise gehen wir nicht auf solche Veranstaltungen. Wir leben und arbeiten ja im Kloster." Diesmal allerdings machten sie eine Ausnahme.