Die große Papstmesse in Berlin

Mit 70.000 im Olympiastadion

Papst Benedikt XVI. hat im Berliner Olympiastadion die Gläubigen trotz aktueller Krisen zum Verbleib in der Kirche aufgerufen. In Christus bleiben heiße "auch in der Kirche bleiben", sagte das katholische Kirchenoberhaupt in seiner Predigt vor rund 70.000 Teilnehmern der katholischen Eucharistiefeier am Donnerstagabend.

 (DR)

Mit Fahnen in den gelb-weißen Farben des Vatikans und mit dem Logo des Papstbesuchs ist das Olympiastadion festlich geschmückt. Seit dem frühen Nachmittag füllen sich die Reihen langsam mit Besuchern aus ganz Deutschland, große Gruppen sind auch aus Polen und Kroatien angereist. Insgesamt werden es bis zum Abend rund 70.000 sein. Im Vorprogramm musizieren die Berliner Sacropop-Band "Patchwork" und Maite Kelly von der "Kelly Family", dazwischen gibt es Gespräche und Videos.



Um 18.03 Uhr kommt Bewegung ins Stadion. Mit dem "Papamobil" fährt Benedikt XVI. durch das Marathontor ein und dreht eine Runde um die Tartanbahn, die von 1.500 Ministranten gesäumt ist. Immer wieder hält der Wagen an, und Papst-Sekretär Georg Gänswein nimmt durch die geöffneten Fenster kleine Kinder entgegen, die das Kirchenoberhaupt segnet. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) empfängt den Gast, der sich auf einem Podest ins Goldene Buch der Stadt einträgt. Ein kurzer Regenguss wenige Minuten vor Beginn des Gottesdienstes kann die gute Stimmung nicht erschüttern - betroffen sind die auf dem Spielfeld platzierten Ehrengäste darunter die meisten der 84 anwesenden Bischöfe - die sich die schnell verteilten Regencapes überziehen.



Ein Jahrtausendereignis

Der neue Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki begrüßt den Heiligen Vater: "Ein deutscher Papst in der deutschen Hauptstadt:  das ist ein Jahrtausendereignis, auf das nicht nur die Kirche von Berlin schon lange gewartet hat." Berlin sei eine Stadt, in der nur noch etwa jeder Dritte einer christlichen Kirche angehört, "die auch geprägt ist von Gottvergessenheit und von Atheismus", in der aber auch viele Menschen nach Gott suchten. Doch Berlin sei, fügt der Bischof hinzu, sogar eine "Stadt der Märtyrer". In keiner deutschen Stadt seien im 20. Jahrhundert mehr Christen als Zeugen für Christus und seine Botschaft gestorben als in Berlin. Daran erinnert auch das Geschenk, das Woelki dem Papst überreicht: Ein eigens für ihn angefertigtes Kunstwerk, das "Plötzenseer Diptychon", dessen Rahmen ein originales Treppenhausfenster aus dem Gefängnis Plötzensee ist.

Außerdem übergibt er dem Papst von den Ministranten des Erzbistums einen Bauhelm als Zeichen, dass die Jugendlichen "mitbauen wollen am Reich Gottes".



Auf den Ort und seine Vergangenheit geht auch Benedikt XVI. in seiner Predigt ein, in der er an den Besuch seines "verehrten Vorgängers, des seligen Johannes Paul II." 1996 und die am selben Ort erfolgte Seligsprechung des Berliner Dompropsts Bernhard Lichtenberg und Karl Leisners erinnert, die von den Nationalsozialisten wegen ihres Glaubens verfolgt wurden. Indirekt, aber deutlich geht er auch auf die Stimmung in der deutschen Kirche ein und versucht, Maßstäbe zurechtzurücken.



Man solle doch, so der Papst, beim Blick auf die Kirche nicht an ihrer äußeren Gestalt hängenbleiben. "Wenn dann auch noch die leidvolle Erfahrung dazukommt, dass es in der Kirche gute und schlechte Fische, Weizen und Unkraut gibt, und der Blick auf das Negative fixiert bleibt, dann erschließt sich das große und tiefe Mysterium der Kirche nicht mehr." Die Folge seien Unzufriedenheit und Missvergnügen, so das Kirchenoberhaupt, "wenn man die eigenen oberflächlichen und fehlerhaften Vorstellungen von "Kirche", die eigenen "Kirchenträume" nicht verwirklicht sieht!"



Hochgebet auf Latein

Das Hochgebet spricht der Papst auf Latein - nur beim Abschlussgottesdienst am Sonntag in Freiburg wird er vollständig auf Deutsch zelebrieren. Inzwischen ist es dunkel geworden - das Stadion gleicht einer nach oben offenen Kathedrale. 600 Priester teilen die Kommunion aus. Die Gläubigen sind diszipliniert, auch die kurzen Zeiten der Stille werden eingehalten. Erst nach dem Schlusslied "Großer Gott, wir loben dich" kommen die mitgebrachten Fahnen wieder zum Einsatz. Der Papstgottesdienst verdrängt sogar die "Tagesschau" der ARD von ihrem angestammten Sendeplatz. Den Papst, der als treuer Zuschauer der Nachrichtensendung gilt, dürfte seine Freude daran haben.