Den Abgeordneten Wolfgang Bosbach hat die Papstrede beeindruckt

"Ein Höhepunkt der Parlamentsgeschichte"

Seit 17 Jahren sitzt der Rheinländer Wolfgang Bosbach für die CDU im Bundestag. Die Rede von Papst Benedikt XVI. war für ihn ein Höhepunkt dieser Zeit. Die Kollegen, die den Auftritt boykottiert haben, hätten sich "blamiert", erklärt er im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Welchen Eindruck hatten Sie vom Heiligen Vater?

Bosbach: Das war eine überraschende Rede, jedenfalls aus meiner Sicht. Es war eine sehr kluge, gelegentlich sogar humorvolle Rede. Und ich glaube, die Kolleginnen und Kollegen, die dem Besuch des Heiligen Vaters im Deutschen Bundestag ferngeblieben sind, haben - volkstümlich formuliert - etwas verpasst. Und sie haben sich auch blamiert. Denn die Rede war es wirklich wert, dass man dem Heiligen Vater aufmerksam zuhört. Und alle Vorurteile, die es im Vorfeld gegeben hat, sind durch diese Rede widerlegt worden.



domradio.de: Haben Ihre zuhörenden Kollegen das auch so gesehen?

Bosbach: Das war ein Höhepunkt in der Parlamentsgeschichte. Und ich habe keinen getroffen, der dafür Verständnis hatte, dass im linken Teil des politischen Hauses knapp 100 Sitze freigeblieben sind.



domradio.de: Von dem, was der Heilige Vater gesagt: Was war das wichtigste für Sie?

Bosbach: Eine Passage habe ich mir herausgesucht: "Natürlich wird ein Politiker den Erfolg suchen, der ihm überhaupt die Möglichkeit politischer Gestaltung eröffnet. Aber der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet." Will sagen, dass der Satz "Mehrheit ist Mehrheit und die Mehrheit kann mit der Minderheit umgehen, wie sie will" nach diesen Aussagen des Heiligen Vaters mit christlichen Grundsätzen von Politik wenig zu tun hat.



domradio.de: Manche hatten auch tagespolitische Aussagen erwartet - haben Sie das vermisst?

Bosbach: Nein, ich habe es nicht vermisst. Zumal ich es auch bedauere, dass die Katholische Kirche in den letzten Monaten fast ausschließlich nur noch mit den Missbrauchsskandalen in Verbindung gebracht wurde. Fiel der Begriff Katholische Kirche, fiel spätestens drei Sekunden später auch der Begriff Missbrauchsskandal. Dass es erhebliche Missbrauchsskandale gegeben hat, dass sie ein schwerer Schlag, auch Rückschlag für die Katholische Kirche war, dass das ein wichtiges Thema ist - wer will das ernsthaft bestreiten. Aber ausschließlich Katholische Kirche damit in Verbindung zu bringen, halte ich der Kirche gegenüber für nicht gerechtfertigt. Zumal gerade in den letzten Jahren in der Katholischen Kirche gerade auch in Deutschland eine Menge unternommen worden ist, um Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten und auch um den Opfern, soweit das heute noch möglich ist, Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Der Heilige Vater ist noch einige Tage in Deutschland. Er trifft sich heute mit führenden Repräsentanten der Evangelischen Kirche. Und dort wird noch genügend Zeit und Gelegenheit sein, diese Themen anzusprechen. Und ich fand das auch nicht besonders klug, dass dem Heiligen Vater im Vorfeld zugerufen wurde, was er gefälligst im Bundestag zu sagen habe oder was er unter keinen Umständen im Bundestag sagen dürfe. Ich habe schon mehrere Staatsoberhäupter im Bundestag sprechen gehört. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir mit anderen so umgesprungen sind.



Das Gespräch führte Susanne Becker-Huberti.