Zukunftsforscher Opaschowski über Benedikt XVI. in Deutschland

"Der Papstbesuch ist ein Politikum"

Der Papstbesuch hat eine besondere gesellschaftliche Bedeutung, bewertet der Hamburger Zukunftsforscher Opaschowski. Politiker könnten von Benedikt XVI. lernen, "wie man Person und Sache zu einer glaubwürdigen Einheit macht", meint der Politikberater.

 (DR)

KNA: Die Katholiken in Deutschland bereiten sich seit Monaten auf den Papstbesuch vor. Welche Bedeutung messen Sie der Visite des Kirchenoberhaupts für die Gesellschaft bei?

Horst W. Opaschowski: Der Papstbesuch hat eine besondere gesellschaftliche Bedeutung, weil Benedikt XVI. Deutscher ist und die Menschen von ihm manche Antworten auf deutsche Fragen erhoffen. Dazu gehört insbesondere das Thema Ökumene. Da ist in den letzten Jahren einiges Öl ins Feuer gegossen worden. Eine wirkliche Kommunikation und Kooperation fand nicht statt. Jetzt erwarten die Menschen, dass der Papst der evangelischen Kirche die Hand reicht und mehr das Gemeinsame als das Trennende betont.



KNA: Wie könnte das konkret aussehen?

Opaschowski: Er muss deutlich machen: Katholische und evangelische Kirche verkörpern beide das Christentum. Und evangelische Christen müssen sich gleichwertig und auf gleicher Augenhöhe mit Katholiken fühlen können. Bisher hat er in seinen Äußerungen mehr die Dominanz und herausgehobene Position der katholischen Kirche betont.



KNA: Benedikt XVI. wird auch im Reichstag vor den Bundestagsabgeordneten sprechen.

Opaschowski: Der Papstbesuch ist unbestritten ein Politikum. Von der charismatischen Persönlichkeit des Papstes gehen positive Wirkungen aus. In diesem schönen Schein werden sich manche Politiker sonnen wollen.



KNA: Was hat der Papst den Abgeordneten zu sagen?

Opaschowski: Der Papst kommt nicht, um Politikern einen Rat zu geben. Aber vielleicht können sie von ihm lernen, wie man Person und Sache zu einer glaubwürdigen Einheit macht - im Unterschied zu vielen Politikern, die immer mehr entfremdet wirken von ihren Inhalten und Parteiprogrammen, die nur noch aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen hinterher hecheln, ja fast von der Hand in den Mund leben. Sie haben keine überzeugenden Grundsätze mehr, geschweige denn Visionen. Wir brauchen aber Politiker mit Visionen.



KNA: Ist es nicht obsolet, dass ein alter Mann im weißen Gewand vor über 600 Menschen spricht, von denen viele nicht oder nicht mehr christlich sind?

Opaschowski: Es gibt weltweit zeitlose Persönlichkeiten, die Menschen faszinieren und in ihren Bann ziehen können - vom Papst über Helmut Schmidt bis zu Mutter Teresa und Albert Schweitzer oder Graf von Stauffenberg. Sie alle werden insbesondere von Jugendlichen als Vorbilder genannt. Es sind Persönlichkeiten, die für eine Haltung stehen und diese überzeugend leben oder gelebt haben.





Das Interview führte Sabine Kleyboldt (KNA)