Benedikt XVI. erwirbt sich und der Kirche in Großbritannien neues Ansehen

Erfolgreiche Mission

Wenige Auslandsreisen des Papstes waren so themenreich und turbulent wie der Besuch in Großbritannien. Es ging um ein ganzes Bündel von Problemen in einem äußerst komplexen Umfeld. Allen angekündigten Protesten und internen Befürchtungen zum Trotz wurde die Reise von Benedikt XVI. zum Erfolg.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Selbst die zunächst sehr kritischen britischen Medien machten am Ende Rückzieher und leisteten Abbitte. Vor allem für die schwierige Ökumene zu den Anglikanern brachte die Reise eine spürbare Entspannung. Der erste Besuch eines Papst im "anglikanischen Vatikan", dem Lambeth Palace von London, war herzlich. Die Umarmung des Pontifex mit dem von ihm hoch geschätzten Anglikaner-Primas Rowan Williams und die gemeinsame Liturgie im britischen Nationalheiligtum Westminster Abbey demonstrierten eine neue Gemeinsamkeit. Beide beschlossen, als neue Verbündete den theologischen Dialog und die Zusammenarbeit für die großen Weltfragen zu intensivieren.



Auch für die Aufarbeitung der Missbrauchsskandale setzte die Britannien-Reise Signale. Mehrfach verurteilte und beklagte der Papst die "unbeschreiblichen Verbrechen" an Kindern durch katholische Geistliche. Auf die Worte folgte eine persönliche Begegnung von Benedikt XVI. mit Missbrauchsopfern. Hinzu kam ein Gespräch mit der "National Catholic Safeguarding Commission", einer kirchlichen Kommission, die sich für die Betreuung von Missbrauchsopfern und die Prävention einsetzt. Es war das erste Mal, dass der Papst eine solche Gruppe traf.



Der energische Kampf des Papstes gegen die Missbrauchsskandale imponierte den britischen Medien. Zugleich erlebten sie den Pontifex als einen freundlichen, bescheidenen Mann, als "heiligen Großvater", wie die "Sunday Times" schrieb. Zwar flogen dem Papst aus Deutschland nicht die Herzen der Briten zu, aber er erwarb sich in den Tagen auf der Insel Respekt. Dazu trug auch bei, wie unbefangen über seine Herkunft und Heimat sprach; wie er den Widerstand und die Opfer der Briten gegen den Nazi-Terror würdigte. Und wie er zum Jahrestag der Luftschlacht um England der Opfer des Kriegs gedachte.



Zum Image des Papstes und zum Erfolg der Reise trug aber vor allem die Rede des Papstes vor Politikern und Intellektuellen in der Westminster Hall bei. Medien wie Teilnehmer werteten die Ausführungen zur Bedeutung von Religion für Politik und Wirtschaft als historisch. Resonanz fand auch seine Kritik an einer wachsenden Ausgrenzung der Religion, ihrer Feste und Riten aus dem öffentlichen Leben im Namen einer angeblichen Religionsfreiheit. Der Papst habe ausgesprochen, was sonst keiner zu sagen wage, meinte ein anglikanischer Kirchenmann.



Benedikt XVI. hat mit seiner Reise nach Großbritannien den Katholiken und ihrer Kirche insgesamt neue Achtung verschafft. Er kam als Staatsgast der Königin, mit der er viele Visionen in den großen Menschheitsfragen teilt. Vor allem aber schuf er durch die Seligsprechung des Kardinals und Gelehrten Kardinal John Henry Newman eine neue Identifikationsfigur für die Katholiken.



Es fehlte nicht an Protesten gegen die Papstreise - von Atheisten, Antiklerikalen, Homosexuellen-Verbänden, Aktivisten für ein Frauenpriestertum oder Missbrauchsopfern. Dem gegenüber standen Zigtausende begeisterte Gläubige: Allein im Hyde Park waren es am Samstagabend rund 80.000 und etwa 200.000 entlang der Straßen.

Benedikt XVI. habe auf der Reise "so gut wie nichts falsch gemacht", meinte ein britischer Politiker. Außer vielleicht - wie Medien monierten - dass er zwei Sekunden vor der Queen Platz genommen habe. Freilich sah man dem 83-Jährigen mitunter die Erschöpfung an. Und schon in ihn sechs Wochen führt ihn seine nächste Reise nach Santiago de Compostela und nach Barcelona.