Benedikt XVI. spricht Kardinal Newman selig

Brücke zwischen Anglikanern und Katholiken

Bei einer großen Messe in Birmingham hat Papst Benedikt XVI. am Sonntag Kardinal John Henry Newman seliggesprochen. Zu der Feier versammelten sich auf einem Parkgelände der mittelenglischen Industriestadt rund 60.000 Menschen.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Newman war als namhafter anglikanischer Theologe 1845 zur katholischen Kirche übergetreten. 1879 erhob ihn Papst Leo XXIII. (1878-1903) in den Kardinalsstand. Mittlerweile gilt er als "Brücke zwischen Anglikanern und Katholiken" und wird von beiden Konfessionen gleichermaßen verehrt. Als künftigen Gedenktag für den neuen Seligen legte der Papst den 9. Oktober fest - den Tag, an dem Newman zum Katholizismus übertrat. Die Gläubigen antworteten auf die Proklamation durch Benedikt XVI. mit langem Applaus. Anwesend waren auch Vertreter der anglikanischen Kirche, nicht jedoch deren Primas Rowan Williams.



Newman-Anhänger hatten bereits wenige Minuten nach der Seligsprechung den entsprechenden Wikipedia-Eintrag aktualisiert. Auf der englischsprachigen Seite wird er bereits als "blessed" bezeichnet, auf der deutschen Seite als der "selige" John Henry Kardinal Newman.



Während der Eucharistiefeier verwandte Benedikt XVI. einen Kelch aus dem persönlichen Besitz des neuen Seligen. Das Evangelium trug der 71-jährige Diakon Jack Sullivan aus dem US-Bundesstaat Boston vor; er war nach Gebeten zu Newman von einer Wirbelsäulenerkrankung geheilt worden. Vatikanische Ärzte- und Theologenkomitees hatten die medizinisch unerklärliche Genesung Sullivans als Wunder anerkannt. Ein solches Wunder auf Vermittlung des Angerufenen ist außer bei Märtyrern Voraussetzung für eine Seligsprechung.



In seiner Predigt würdigte Benedikt XVI. Newman als großen Intellektuellen und Seelsorger. Mit seinen "heroischen Tugenden eines heiligen Engländers" stehe er in einer Reihe mit prägenden Heiligen und Gelehrten aus der Geschichte des Landes.



Benedikt XVI. nannte Newman einen "Vater der Seelen" und eine große spirituelle Gestalt. "Der Kardinal erinnert uns daran, dass die Treue zum Gebet uns allmählich verwandelt und Gott ähnlich werden lässt", so der Papst vor den Teilnehmern im Cofton Park. Nach Worten Newmans müsse jeder Gläubige "ein Engel des Friedens, ein Prediger der Wahrheit sein".



Zugleich hob der Papst Newmans Beitrag für die Pädagogik hervor.

Seine Sicht der Erziehung präge bis heute katholische Schulen und Colleges. Als Gegner eines rein zweckorientierten Bildungsansatzes habe er ein pädagogisches Umfeld gefordert, "in dem intellektuelle Übung, moralische Disziplin und religiöses Engagement miteinander verbunden sein sollten".



Weiter hob Benedikt XVI. die Forderung des Kardinals nach religiös gut gebildeten Christen hervor. Laienkatholiken sollten Newman zufolge "nicht vorlaut" sein, aber ihren Standpunkt kennen. Es brauche Kirchenmitglieder, "die ihr Glaubensbekenntnis so gut kennen, dass sie darüber Rechenschaft ablegen können, die über so viel geschichtliches Wissen verfügen, dass sie ihre Religion zu verteidigen wissen", zitierte der Papst aus den Schriften des neuen Seligen.



Trotz nasskalter Witterung hatten einige Gläubige die Nacht im Freien verbracht, um den Papst aus der Nähe zu sehen. Viele der angereisten Priester trugen Regenponchos über dem Messgewand. Mit Beginn der Feier hellte sich der Himmel jedoch auf.



Der Gottesdienst markierte zugleich den öffentlichen Abschluss der viertägigen Großbritannien-Reise des Papstes. Nach einem Privatbesuch im Wohnhaus Newmans und einem Treffen mit den katholischen Bischöfen von England, Wales und Schottland fliegt Benedikt XVI. am Abend nach Rom zurück.