Bischöfinnen und Ethikfragen belasten Kontakt zu Anglikanern

Besuch bei einem schwierigen Ökumene-Partner

Die Ökumene wird ein zentrales Thema der 17. Auslandsreise des Papstes sein. Benedikt XVI. steht in Großbritannien vor der Herausforderung, die Fortschritte in der Ökumene zu würdigen und zu mehr Dialog und Zusammenarbeit aufzurufen - für Frieden, Gerechtigkeit, Umwelt und Entwicklung. Er wird aber auch bestehende Schwierigkeiten ansprechen müssen.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Es ist nicht die schwierigste Auslandsreise, zu der Papst Benedikt XVI. am Donnerstag nach Großbritannien startet.  Der Türkei-Besuch - im Sog des Regensburger Vortrags - oder die Israel-Fahrt haben den Vatikan wohl mehr Schweiß gekostet als die bevorstehenden vier Tage in Edinburgh, Glasgow, London und Birmingham. Freilich ist in England das Standing von Glauben und Religion infolge der Säkularisierung schwieriger als in Portugal, Malta oder Bayern. Zudem trifft Benedikt XVI. in den Anglikanern auf einen Ökumene-Partner, zu dem das Verhältnis seit einigen Jahren besonders kompliziert ist.



Dabei galt die Ökumene mit der anglikanischen Gemeinschaft lange als besonders einfach. Das Konzil räumte ihr im Ökumenismus-Dekret von 1964 eine Sonderstellung ein; bei ihr bestünden "katholische Traditionen und Strukturen zum Teil fort". Man sah sie als "brigde church", als Brücke zwischen Rom und den Protestanten. Denn anders als etwa bei Luther standen am Beginn der Kirchenspaltung in England nicht Glaubensfragen, sondern politische Differenzen, die Ablehnung der päpstlichen Autorität.



Clemens VII. verweigerte König Heinrich VIII. eine Eheannullierung. Dieser begründete daraufhin 1534 mit der Suprematsakte eine reformierte Staatskirche unter seiner eigenen Oberhoheit - und wurde vom Papst exkommuniziert.



Ökumenischer Neuanfang nach dem Zweiten Vatikanum

Der ökumenische Neuanfang nach dem Zweiten Vatikanum (1962-1965) war vielversprechend. Nach Jahrhunderten der Entfremdung eröffneten Anfang 1966 Paul VI. und Anglikaner-Primas Michael Ramsey offiziell den Dialog für Aussöhnung, Partnerschaft und Zusammenarbeit. Die "Internationale Anglikanisch/Römisch-Katholische Kommission" (ARCIC,

1970-2005) arbeitete in etlichen Dokumenten verbindende Glaubensgrundlagen und Traditionen heraus. Ab 2001 beriet zudem die IARCCUM-Kommission für Einheit und Mission über Möglichkeiten einer praktischen Zusammenarbeit.



Ernste Rückschläge löste ab Mitte der 1970er Jahre die geplante Weihe von Frauen zu Priestern und zu Bischöfen (ab 1989) aus. Die Debatte löste Spannungen und Spaltungen innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft mit ihren rund 78 Millionen Mitgliedern und 44 weitgehend eigenständigen Kirchenprovinzen aus. In 28 Mitgliedskirchen gibt es inzwischen weibliche Priester, in 4 Bischöfinnen; in 13 weiteren bestehen dafür die rechtlichen Voraussetzung.



Irritiert über anglikanische Positionen zu ethischen Fragen

Die Frauenordination belastet auch den Kontakt zu den Katholiken. Solche Weihen bildeten einen ernsten Rückschritt für den ökumenischen Dialog, klagte Kurienkardinal Walter Kasper 2008 vor der Lambeth-Konferenz. Die Anglikaner verließen damit das gemeinsame Fundament, auf das sich Katholiken wie auch Ostkirchen stützten. Irritiert ist der Vatikan zudem über anglikanische Positionen zu ethischen Fragen. Insbesondere stößt man sich an der Bischofsweihe für einen erklärten Homosexuellen, aber auch an kirchlichen Segen für die Homosexuellen-Ehe.



Aus Protest gegen solche Strömungen verlassen immer wieder Anglikaner ihre Kirche; nicht wenige suchen eine neue Heimat bei den Katholiken. Der Vatikan prüft jeden Einzelfall. Freilich schuf Rom im Herbst 2009 neue Kirchenstrukturen, die einen Übertritt anglikanischer Gruppen regeln - und erleichtern. Für sie könnten künftig katholische "Diözesen" mit eigenen Bischöfen, Seminaren und (auch verheirateten) Priestern errichtet werden, die ihre anglikanischen Traditionen und Riten beibehalten. Die Vatikan-Normen sorgten zunächst für Irritationen. Die zuständige Römische Glaubenskongregation betonte, man reagiere damit nur auf Anfragen und erkennbaren Bedarf; man werde nicht missionarisch aktiv und wolle auf keinen Fall die Ökumene gefährden oder belasten.



Die Ökumene wird also ein zentrales Thema dieser Papstreise. Benedikt XVI. steht vor der Herausforderung, die Fortschritte in der Ökumene zu würdigen, aber auch Grenzlinien zu markieren und Hilfe zur Aufarbeitung zu erbitten und anzubieten. Zudem muss er deutlich machen, dass die katholischen Strukturen für Anglikaner-Konvertiten keinen ökumenischen Affront darstellten, sondern in den Bereich persönlicher Glaubens- und Gewissensfreiheit gehörten.