Das katholische Hilfswerk "Kirche in Not" plant Pro-Papst-Aktionen in London

"Die Medien berichten am Kern vorbei"

Mit einem "Gebetsmarathon" bereitet das Hilfswerk die Katholiken des Landes auf den Besuch ihres Kirchenoberhaupts vor. Über diese Aktion und die Stimmung in Großbritannien im Vorfeld des Papstbesuchs berichtet der Sprecher von "Kirche in Not" in England, John Pontifex.

 (DR)

Während der Besuch bei den Katholiken des Landes Vorfreude ausgelöst hat, rief er auch ungewöhnlich feindselige Reaktionen hervor. Atheistische Gruppen drohten sogar damit, den Heiligen Vater wegen der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche verhaften lassen zu wollen. Eine starke Bewegung gegen diese polemischen Angriffe hat dagegen das katholische Hilfswerk "Kirche in Not" in Großbritannien organisiert.



domradio.de: Wie stehen die Briten zum bevorstehenden Besuch von Papst Benedikt XVI.?

Pontifex: Das ist schwer zu sagen, denn die Meinungen gehen auseinander. Der Mehrheit ist es vermutlich egal, ob der Papst kommt oder nicht. Zwei relativ kleine Gruppen dagegen sind jeweils entweder sehr enthusiastisch für oder sehr entschieden gegen den Besuch. Doch die Hauptbedenken der schweigenden Mehrheit betreffen vor allem die Kosten. Es gab immer wieder Berichte über steigende Kosten, und viele Menschen haben sich die Frage gestellt, ob der Aufwand es auch wert sei. Wir werden nun abwarten müssen, welche gesellschaftlichen Kräfte die Oberhand behalten - ob es die Gleichgültigen, die Atheisten oder die Katholiken sein werden, die das letzte Wort darüber haben, wie die Medien mit dem Besuch umgehen. Im Moment ist das noch in der Schwebe.



domradio.de: Was ist Ihre Meinung als gläubiger Katholik: Sind die Kosten des Papstbesuchs angemessen?

Pontifex: Um das zu beurteilen, ist es noch zu früh, dazu müssen wir abwarten, welche Auswirkungen der Papstbesuch haben wird. Es wird sehr davon abhängen, ob es dem Papst gelingt, den Glauben der Katholiken hier in Großbritannien zu stärken. Die Kosten gehen in die Millionen und die Kirche trägt zwar ihren Teil, aber da es sich zumindest teilweise um einen Staatsbesuch handelt, wird auch der Steuerzahler große Teile mitfinanzieren. Ich verstehe die Bedenken meiner Landsleute, bin aber auch voller Vorfreude darüber, dass der Papst unser Land besucht. Darum denke ich: Wenn es dem Heiligen Vater gelingt, uns seine Vision für die Zukunft mitzuteilen, ist es den Preis wert.



domradio.de: Kleine atheistische Gruppen waren im Vorfeld des Papstbesuches laut bis nach Deutschland zu hören. Wie haben Sie das als katholischer Journalist wahrgenommen - sind wir Christen zu leise in unserem öffentlichen Auftreten?

Pontifex: Ja, das sind wir ganz sicher. Wir haben es verpasst, unsere Stimme zu erheben. Wir haben es mit hervorragend organisierten Atheisten wie Richard Dawkins oder Christopher Hitchens zu tun. Beide sind in der Lage, die Medien zu packen und für sich zu aktivieren. Dadurch konnten sie eine regelrechte Kampagne starten und werden diese weiter verfolgen, je näher der Papstbesuch kommt. Wir können nur hoffen, dass die katholischen Medien angemessen darauf reagieren. Es gibt hier in Großbritannien eine kleine Organisation namens "Katholische Stimmen".

Das ist eine Laienbewegung, in der sich Katholiken zusammengetan haben, die für ihre Kirche gegenüber den Medien sprechen wollen und können. Vielleicht können Initiativen wie diese das Gleichgewicht wieder zu unseren Gunsten verändern.



domradio.de: "Kirche in Not" hat im Vorfeld des Papstbesuchs genau das getan: Sie haben einen "Gebetsmarathon" für den Heiligen Vater veranstaltet und damit einige Aufmerksamkeit in den Medien erlangt. Was können Sie uns über diese Aktion erzählen?

Pontifex: Unsere "Gebetsaktion für den Papst" sollte den Glauben der Menschen wachrütteln. Die Katholiken sollten ihre Stimme erheben und ihre Verbundenheit mit dem Heiligen Vater ausdrücken. Die Rückmeldungen auf diesen Aufruf waren beeindruckend: Mehr als 30.000 Gesätze des Rosenkranzes wurden Papst Benedikt XVI. von den Unterstützern von "Kirche in Not" versprochen. Außerdem wurden über 11.500 Heilige Messen in den Anliegen des Heiligen Vaters gestiftet, und viele haben uns auch Geldspenden in den Anliegen des Papstes überwiesen. Dieses Geld kommt nun den Christen im Nahen Osten zugute, denen der Heilige Vater besonders verbunden ist. Sie sehen also, dass die ganze Medienberichterstattung am Kern vorbeigeht: Trotz all der negativen Meldungen, die von sehr lauten kleinen Gruppen ausgelöst wurden, sehen wir die Vorfreude der Katholiken, die gerne ihre Zeit und ihr Geld geben, um den Papstbesuch würdig vorzubereiten.



domradio.de: Der Hauptgrund des Papstbesuches ist die Seligsprechung des berühmten Konvertiten Kardinal John Henry Newman. Was bedeutet dieses Ereignis für das Mutterland der anglikanischen Kirche?

Pontifex: Die Beziehungen zwischen der katholischen und der anglikanischen Kirche waren in letzter Zeit durch einige liberale Strömungen innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft belastet. Das betrifft zum Beispiel die Forderungen nach der Weihe von Frauen oder Homosexuellen zu anglikanischen Bischöfen. Diese Diskussionen haben die Beziehungen zu unserer katholischen Kirche natürlich komplizierter gemacht. Ohne Zweifel werden der Besuch von Papst Benedikt XVI. und die Seligsprechung Kardinal Newmans erneut die großen Unterschiede zwischen beiden Konfessionen deutlich machen. Aber wenn Sie betrachten, was Kardinal Newman selbst über das Wesen und die Rolle der Kirche zu sagen hatte, sehen Sie, dass er eigentlich eine Brücke zwischen beiden Konfessionen ist. Er bringt das Beste seiner anglikanischen Tradition in sein Verständnis der katholischen Kirche mit ein. Und er war immer eine treibende Kraft hin zur Einheit der allgemeinen, universalen Kirche. Er hat zwar deutlich darauf hingewiesen, dass es in Bezug auf die Vorrangstellung des Papstsamtes keine Kompromisse geben könne. Aber in vielen anderen Aspekten seiner Theologie können Sie erkennen, dass er nicht nur zur katholischen Gemeinschaft spricht, sondern zur gesamten christlichen und damit auch zur anglikanischen Gemeinschaft.



domradio.de: Es gibt also eine große Bandbreite an Themen, die der Heilige Vater während seines Besuchs in Bezug auf Kardinal Newman ansprechen könnte. Welche Fragen wird er Ihrer Meinung nach noch aufgreifen?

Pontifex: Es ist so gut wie sicher, dass er wieder die "Diktatur des Relativismus"

ansprechen wird. Dieses Thema hat sein Pontifikat von Anfang an durchzogen. Es wird oft behauptet, dass die Säkularisierung gerade in Großbritannien ein großes Hindernis für die Kirche darstelle. Ehrlich gesagt denke ich aber manchmal, dass sich die Gesellschaft etwas vormacht. Denn wenn Sie die Statistiken über das religiöse Leben in Großbritannien betrachten, werden Sie feststellen, dass wir immer noch ein christliches Land sind. Es könnte also passieren, dass diese ganze säkulare Strömung wie eine Seifenblase platzt. Wenn klar wird, dass der Atheismus die Fragen der Menschen im Letzten nicht beantworten kann, könnte es zu einer Rückbesinnung auf den Glauben kommen. Welche Impulse der Heilige Vater in das Spannungsverhältnis sprechen wird, dürfte darum besonders interessant werden.



Das Interview führte André Stiefenhofer von Kirche in Not.