Papst Benedikt XVI. verbringt den Sommer in Castelgandolfo

Kein Gran Paradiso, aber trotzdem ein Paradies

Zum schneebedeckten Alpengipfel des Gran Paradiso kann Benedikt XVI. in diesem Sommer nicht aufschauen. Doch als "paradiesisch" würden Reisekataloge auch den Blick von seinen Gemächern im Apostolischen Palast von Castelgandolfo auf den blauschimmernden Albaner See preisen. Ein Besuch.

Autor/in:
Thomas Jansen und Burkhard Jürgens
 (DR)

Anders als in den vergangenen Jahren ist der Papst in diesem Jahr zur Erholung nicht in die norditalienischen Alpen gereist, sondern hat sich unmittelbar in die Sommerresidenz der Päpste 20 Kilometer südöstlich von Rom begeben.

Die Kleinstadt in den Albaner Bergen liegt zwar nur 420 Meter über dem Meerspiegel - die früheren Feriendomizile Introd im Aostatal am Fuße des 4.000 Meter hohen Gran Paradiso und Brixen erhoben sich immerhin 880 Meter beziehungsweise 560 über diese Marke - dennoch ist es in Castelgandolfo um einige Grade kühler als im sommerlichen Rom.

Mit seinem Bergurlaub im vergangenen Jahr verbindet Benedikt XVI. nicht nur gute Erinnerungen: Es war das Chalet des Salesianerordens in Les Combes im Aostatal. Eines Nachts im unvertrauten Zimmer nach dem Lichtschalter tastend, stürzte der Papst und brach sich das rechte Handgelenk. Fünf Wochen Gips, viel Medienrummel, vor allem Verzicht auf das geliebte Klavierspiel und das Schreiben von Manuskripten waren die Folge.

Auch aus anderen Gründen kann Benedikt XVI. den Verzicht auf den Alpenurlaub in diesem Jahr wohl gut verschmerzen. Auf weitläufige Bergwanderungen ist der 83-Jährige ohnehin nicht erpicht. Und für meditative Spaziergänge bietet das bewachte Gelände von Les Combes nur beschränkten Raum. Auch war der Erholungswert der Alpenferien mit den Höflichkeitsbesuchen der örtlichen Repräsentanten von Kirche und Kommune, den sonntäglichen Angelusgebeten, zu denen Tausende auf die Alm stiefelten, und den regelmäßigen Briefings durch den Kardinalstaatssekretär immer ein bisschen eingeschränkt. Gute Gründe, gleich in die vertraute Sommerresidenz zu ziehen.

«Vatikan II» hatte Papst Johannes Paul II. die drei Villen samt umfangreichen Park- und Gartenanlagen bisweilen scherzhaft genannt. So steht es auch auf einer Gedenktafel für den Vorgänger von Benedikt XVI. in der Eingangshalle des Rathauses von Castelgandolfo: «Vaticano secondo». Dass Castelgandolfo jedoch keineswegs ein zweites Rom ist, zeigte sich in der Absage des Begrüßungskonzertes für den Papst.

Die ursprünglich für den 17. Juli vorgesehene Veranstaltung mit Orchester musste wegen Geldmangels abgesagt werden. Man dürfe die kleine Kommune, die von Almosen lebe, nicht mit Rom vergleichen, sagte der Bürgermeister von Castelgandolfo zur Rechtfertigung. Sein römischer Kollege hatte dem Papst am Hochfest Peter und Paul ein Konzert auf dem Kapitol spendiert.

Hausmusik dürfte hingegen für den Papst auch in Castelgandolfo nicht zu kurz kommen. Dafür könnte nicht zuletzt seine Urlaubsbegleitung, sein Bruder Georg Ratzinger als früherer Kapellmeister der Regensburger Domspatzen sorgen. Aber auch der Papst selbst setzt sich bekanntermaßen in Mußestunden gerne für eine Mozartsonate ans Klavier.

Zudem gibt es für Benedikt XVI. einige Dinge vorzubereiten. Die Englandreise vom 16. bis 19. September etwa. Traditionell nutzt der Papst die Sommerwochen für die Abfassung wichtiger Reden.
Insbesondere während der Herbstreisen in den vergangenen Jahren wartete er mit inhaltlich dichten, sprachlich akkurat gefeilten Ansprachen und Predigten zu Grundsatzthemen auf; sei es 2006 in Regensburg, 2007 in Wien, 2008 in Paris oder 2009 in Prag.

Am letzten Augustwochenende verwandelt sich die päpstliche Residenz schließlich in eine Sommeruniversität: Der Schülerkreis des Papstes kommt zu seinem Jahrestreffen zusammen. Vor seinen ehemaligen Studenten schlüpft Benedikt XVI. vorübergehend wieder in seine alte Rolle als Professor. Der Prunksaal wird zum Seminarraum. «Die Hermeneutik des Zweiten Vatikanischen Konzils», lautet der Titel der Veranstaltung in diesem Jahr. Das Thema ist eine der Konstanten im Pontifikat von Benedikt XVI. - ebenso wie Castelgandolfo und der Albaner See.