Papst Benedikt XVI. lässt sich in Zypern nicht vereinnahmen

Religiöse Antworten auf politische Fragen

Der Zypernkonflikt und die Teilung der Mittelmeerinsel seit 1974 standen am Samstag im Vordergrund des Papstbesuchs. Auf die politische Rede von Präsident Christofias antwortete Benedikt XVI. jedoch mit einer rein religiösen Erwiderung - auch wenn er erneut deutliche und mahnende Worte dabei fand.

 (DR)

Wehmütig klingen die Gesänge der maronitischen Christen. Unter einem riesigen Poster des verlassenen Dorfes Hagia Marina im Norden Zyperns hat sich ein Chor versammelt, der für den Papst Lieder seiner Heimat vorträgt. «Helfen Sie uns, in unsere Dörfer zurückzukehren» bittet Joseph Soueif, der maronitische Erzbischof von Zypern, Benedikt XVI., als dieser am Samstagmorgen eine Schule in Zyperns Hauptstadt Nikosia besucht. Spontan greift der Papst die Bitte auf und richtet ein eigenes Grußwort an insgesamt vier Maroniten-Dörfer, deren Bewohner größtenteils in den Süden der Insel geflohen waren und am dem Gebetstreffen mit dem Papst teilnahmen. Mit langem Applaus dankten sie dem Kirchenoberhaupt.

Der Zypernkonflikt und die Teilung der Mittelmeerinsel seit 1974 standen am Samstag im Vordergrund des Papstbesuchs. «Nikosia ist die einzige getrennte Hauptstadt Europas», klagte Präsident Dimitris Christofias, als der Papst ihm einen Besuch in seiner Residenz abstattete. In der Fassade des von den Briten erbauten Palastes sind noch die Einschussspuren der Kampfhandlungen von 1974 zu sehen, als die Türken den Norden der Insel besetzten. Benedikt XVI. legte zunächst einen Kranz vor der Bronzestatue des ersten Staatspräsidenten Zyperns, des legendären Erzbischofs Makarios III. nieder, der freilich später bei einem Putsch gestürzt wurde.

Religiöse Erwiderung auf politische Rede
In einer prononciert politischen Rede schilderte Christofias dem Papst die Lage auf der Insel und die Folgen von Teilung und türkischer Besetzung. Er verband die Kritik daran mit EU-Ambitionen der Türkei: Die Regierung Zyperns habe nichts gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU, allerdings müsse Ankara erst seine Verpflichtungen gegenüber den EU-Mitgliedstaaten erfüllen.

Benedikt XVI. antwortete auf die politische Rede mit einer rein religiösen Erwiderung. Er ging nicht auf tagesaktuelle Vorfälle oder politische Erwartungen ein. Vielmehr beschränkte er sich darauf, Kriterien aus Sicht der Religion an die Politik zu stellen. Dazu gehörten Vertrauensbildung, Dialogbereitschaft, die Ausrichtung auf das Gemeinwohl und die Orientierung an ethischen Werten. Damit verband der Papst eine Absage an Egoismus, Skrupellosigkeit und ideologische Verirrungen. Auf diese Weise ließen sich Unrecht identifizieren und Missstände angehen und beseitigen. In einem großen geistesgeschichtlichen Überblick schlug der Papst eine Brücke von der griechischen Philosophie zu christlichen und islamischen Denkern.

Neben dem Zypernkonflikt bildete auch am zweiten Reisetag die Ökumene ein zentrales Anliegen des Papstes. Benedikt XVI. stattete dem orthodoxen Kirchenoberhaupt, Erzbischof Chrysostomos II., einen Besuch ab. Er lobte die guten ökumenischen Beziehungen und dankte dem Erzbischof für seine Offenheit und Dialogbereitschaft.

Chrysostomos hieß den Papst bei seinem ersten Besuch in einem mehrheitlich orthodoxen Land herzlich willkommen. Seine Kirche sei und bleibe dem Dialog verpflichtet, hob er hervor. Sein Machtwort der vergangenen Tage gegen Ökumene-Kritiker innerhalb der Orthodoxie schien gewirkt zu haben. Nur ein orthodoxer Erzbischof machte seine Ankündigung wahr und blieb dem Papsttreffen fern.

Startschuss für die Nahostsynode
Benedikt XVI. beschränkte sich nicht auf den Dialogappell an die christlichen Kirchen. Er weitete den Blick und wandte sich mehrfach auch an andere Religionen, besonders an Muslime. Vertrauen zwischen Christen und Nichtchristen sei das Fundament für den Aufbau eines dauerhaften Friedens in Harmonie zwischen den Völkern verschiedener Religionen, politischen Regionen und Kulturen, sagte er bei dem Treffen in der katholischen Schule Sankt Maron.

Diesen Aspekt dürfte der Papst im weiteren Verlauf der Reise noch deutlicher zur Sprache bringen. Denn der Zypernbesuch gilt auch als Startschuss für die Nahostsynode über das Leben und die Zukunft der Christen in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, die im Oktober in Rom tagt. Und dabei sind die Christen auf ein gutes Einvernehmen mit Muslimen angewiesen.

Johannes Schidelko (KNA)