Benedikt XVI. wünscht sich eine neue Allianz zwischen Kirche und Kunst

Brückenschlag unterm Jüngsten Gericht

Kaum ein Ort feiert die Einheit von Kunst und Kirche wie die Sixtinische Kapelle. Mit Bedacht hatte Papst Paul VI. vor genau 45 Jahren diesen Ort für einen Empfang mit zeitgenössischen Künstlern gewählt: "Un cenacolo" wie er meinte, was ebenso "Abendmahl" wie "Künstlertreff" bedeutet. Wenn sich Papst Benedikt XVI. an diesem Samstag wiederum unter Michelangelos Jüngstem Gericht mit rund 270 Künstlern aus aller Welt trifft, dann folgt er derselben Intention: "Eine neue Allianz zwischen Kunst und Kirche" zu schaffen.

 (DR)

Paul VI. sprach von einer Erneuerung der "Freundschaft". "Die Kirche braucht euch", rief er den Kunstschaffenden zu. Denn der Künstler habe das Vorrecht, die Welt des Geistes "erfahrbar und erfassbar" zu machen und zugleich "dieser Welt das Geheimnisvolle, den Sinn seiner Transzendenz zu bewahren". Als Zeichen der Wertschätzung eröffnete er im Vatikanischen Museum eine eigene Sektion für moderne Kunst. Denn er war tief davon überzeugt, dass die Freundschaft bei allen Tendenzen der Entfremdung durch die Jahrhunderte nie aufgehört hatte.

Ähnlich äußerte sich auch Papst Johannes Paul II. vor zehn Jahren in einem ausführlichen "Brief an die Künstler". Jede Kunst, "wenn sie echt ist, (hat) auch jenseits ihrer typisch religiösen Ausdruckformen eine innere Nähe zur Welt des Glaubens, so dass sogar in den Situationen eines größeren Abrückens der Kultur von der Kirche gerade die Kunst weiter eine Art Brücke zur religiösen Erfahrung darstellt". Und weiter meinte der Papst, der selbst dichtete und Theaterstücke verfasste: "Selbst wenn er die dunkelsten Tiefen der Seele oder die erschütterndsten Seiten des Bösen ergründet, wird der Künstler gewissermaßen zur Stimme der universalen Erlösungserwartung."

Immerhin, die Zeiten in denen etwa ein Pablo Picasso aus ideologischen Gründen keines seiner Kunstwerke im Vatikan sehen wollte, sind längst vorbei. Vorbei sind offenbar auch jene Phasen, in denen sich die Kirche mit Zweitrangigem und Handwerklichem begnügte, wie der vatikanische "Kulturminister" und Organisator des bevorstehenden Treffens, Erzbischof Gianfranco Ravasi, anmerkt.

Reibungen, wo das Gespräch am intensivsten ist
Die "Brücke zur religiösen Erfahrung" war und ist dicht bevölkert, in allen Kunstgattungen. Dass sie manchmal schwankt, zeigt die Polemik um die Fenster von Gerhard Richter im Kölner Dom oder von Neo Rauch in Naumburg. Schwierig wird der Dialog vor allem dort, wo es nicht um die religiöse Kunst im allgemeinen geht, die nach Paul VI. einen fast unendlichen Spielraum hat, sondern um sakrale Kunst. Denn diese ist im liturgischen Raum durch den Gottesdienst, die Feier des Geheimnisses der Menschwerdung Christi, geprägt, und entzieht sich damit der völligen Freiheit künstlerischer Intuition.

Reibungen zeigen sich deshalb gerade dort, wo das Gespräch am intensivsten ist, nämlich bei Sakralbauten. Die Kirche konnte viele prominente Architekten gewinnen, wie Richard Meyer, der in Rom die Jubiläumskirche zum Jahr 2000 errichtete. Dabei wird nach Ravasis Ansicht oft der Dialog zwischen den formalen Ansprüchen und der sakralen Funktion nicht bis ins letzte geführt. Allerdings sind solche Spannungen nicht neu. Auch Michelangelo musste einsehen, dass sich eine allzu große Freizügigkeit bei der Darstellung des Jüngsten Gerichts nicht ganz mit einem liturgischen Raum vereinbaren ließ.

Unter seinem Bildnis wird diese zentrale Frage am Samstag sicherlich auch eine wichtige Rolle spielen. Gleich ein gutes Dutzend Stararchitekten wie David Chipperfield, Daniel Libeskind oder Zaha Hadid haben sich angekündigt. Ferner folgen bildende Künstler wie Jannis Kounellis und Anish Kapoor und Komponisten wie Avo Pärt und Ennio Morricone der Einladung. Ebenso die Regisseure Krzysztof Zanussi, Peter Greenaway und Nanni Moretti.

Ravasis Wunsch: Dass sich einige von ihnen 2011 am Kirchen-Pavillon auf der Biennale in Venedig beteiligen. Damit will sich der Vatikan offiziell im großen Konzert der Gegenwartskunst zurückmelden.