20 Jahre nach der Samtenen Revolution reist der Papst nach Prag

Steiniger Acker im Weinberg des Herrn

Zum zweiten Mal ist Papst Benedikt XVI. mit der Tschechischen Republik heute in ein Land gereist, das einst hinter dem Eisernen Vorhang lag. Dass der Besuch in Prag, Brno (Brünn) und Stara Boleslav (Altbunzlau) vom heute bis Montag genau 20 Jahre nach dem heißen Wendeherbst von 1989 geschieht, in dem Prag mit der "Samtenen Revolution" eine zentrale Rolle spielte, gibt der Reise besonderen Symbolwert.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 (DR)

Die Visite in Tschechien dürfte - anders als 2005 der Besuch in der polnischen Heimat seines Vorgängers - kein Triumphzug werden. Die Lage der katholischen Kirche in diesem Kernland Mitteleuropas ist ernst. Im Unterschied zu den Nachbarländern Polen, Slowakei, Ungarn und Österreich sowie Bayern ist die katholische Kirche in Tschechien in einer klaren Minderheitsposition. Weniger als 30 Prozent der Bürger sind als Katholiken registriert, fast 60 Prozent sind konfessionslos.

Diese besondere Situation ist nicht nur ein Ergebnis der strengen kommunistischen Kirchenverfolgung. Die Wurzeln der Entfremdung von Rom und seiner Kirche reichen - vor allem im böhmischen Landesteil - weit in die Geschichte zurück: Die konfessionellen Kriege der frühen Neuzeit und die spätere habsburgisch-katholische Herrschaft haben tiefe Spuren hinterlassen. Der Widerstand gegen die kommunistische Unterdrückung hat zwar in der Wendezeit von 1989 der Kirche Sympathien auch bei Nichtglaubenden eingebracht. Doch eine Kircheneintrittswelle hat das nicht bewirkt. Dafür war das Aufbegehren gegen die Obrigkeit in Tschechien doch zu sehr von libertären und liberalen Ideen inspiriert.

So ist es auch nicht überraschend, dass das Prager Parlament das
2002 ausgehandelte Konkordat mit dem Heiligen Stuhl bis heute nicht ratifiziert hat. Liberale und Linke sind sich einig in ihrer Ablehnung einer starken und vermögenden Kirche. Sie wollen der organisierten Religion nicht mehr als den Rang eines frommen Vereins zugestehen. Daher rührt auch die bemerkenswerte Tatsache, dass die Rückgabe von Immobilien und Ländereien, die unter kommunistischer Herrschaft enteignet wurden, noch immer nicht abschließend geregelt ist. Den Veitsdom auf der Prager Burg hat das Oberste Gericht nach einem 16-jährigen Rechtstreit dem Staat als Eigentum zugesprochen. "Was die Kommunisten nicht gemacht haben, das geschah jetzt in unserer Demokratie", so der bittere Kommentar des Prager Kardinals Miloslav Vlk.

Der bedrängten Kirche den Rücken stärken
Nun kommt der Papst, um der bedrängten Kirche den Rücken zu stärken. Er besucht sie in der Phase eines Generationenwechsels: Die Altersgenossen des Prager Kardinals (77) zehren noch von ihrem Nimbus aus den heroischen Zeiten von Verfolgung und Widerstand. Nun folgt eine Generation mit glanzloseren Biografien. Sie müssen die bereits schwache Kirche Tschechiens durch den nächsten Säkularisierungsschub führen, den der wachsende materielle Wohlstand dem wirtschaftsliberal orientierten Land bringt.

Mehr Zustrom als in Prag kann der Papst bei den anderen Stationen seiner Reise erwarten: So reist er am Sonntag nach Brünn, dem Zentrum des mährischen Landesteils. Dort im Osten ist die katholische Kirche tiefer verwurzelt als in Böhmen. Diese regionale Stärke wird er zu nutzen versuchen. Am Montag, dem letzten Reisetag, knüpft er in Stara Boleslav an ein national-religiöses Erbe an, das mehr als 1.000 Jahre zurückreicht: Am Festtag des heiligen Wenzel (tschechisch: Vaclav), der als Märtyrer für die Christianisierung Böhmens starb, feiert der Benedikt XVI. am Geburts- und Sterbeort des Nationalheiligen eine große Messe unter freiem Himmel. Anschließend hält er eine Ansprache an die tschechische Jugend.

Ein besonderes Augenmerk gilt bei dieser Papstreise der Sprache. Das Tschechische kann Benedikt XVI. - anders als sein slawischer Vorgänger - nur mit Mühe aussprechen. Einige Sätze wird er dennoch in der Landessprache sagen. Ansonsten kommt Deutsch als Mittel zur Verständigung kaum in Frage in einem Land, das mit den Deutschen eine leidvolle Geschichte verbindet. So wird das Kirchenoberhaupt auf die Weltsprache Englisch sowie auf Italienisch und bei den Messen vermutlich auch streckenweise auf die Kirchensprache Latein ausweichen.

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