Papst besucht in Jerusalem Heilige Stätten der drei Religionen - Gottesdienst unterhalb des Ölbergs - Predigt in Bild und Ton

Felsendom - Klagemauer - Abendmahlssaal

Ein klares Bekenntnis zum interreligiösen Dialog hat Papst Benedikt XVI. in den Mittelpunkt des zweiten Tags seines Jerusalem-Aufenthalts gestellt. Das katholische Kirchenoberhaupt besuchte am Dienstag mit der Klagemauer und dem Felsendom die wichtigsten religiösen Stätten von Juden und Muslimen in Israel. Er bekräftigte den Willen der Kirche zur "aufrichtigen und dauerhaften Versöhnung zwischen Christen und Juden". Darüber hinaus betonte er die Gemeinsamkeiten von Christen, Juden und Muslimen. Bei einer Messe unter freiem Himmel in Jerusalem am Nachmittag äußerte sich der Papst besorgt über die Abwanderung vieler Christen aus dem Heiligen Land.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Bei einer Messe unter freiem Himmel in Jerusalem sprach der Papst von einer "tragischen Realität". Zugleich forderte er die staatlichen Autoritäten eindringlich auf, die Anwesenheit der Christen zu achten und zu unterstützen. Es gebe zwar verständliche Gründe dafür, dass viele und besonders junge Menschen auswanderten. Das bedeutete für Jerusalem eine große kulturelle und geistige Verarmung.

Der Gottesdienst fand im "Josaphat-Tal" unterhalb des Ölbergs statt.
An der Feier nahmen weitaus weniger als die erwarteten 6.000 Menschen teil. Ein möglicher Grund dafür waren die hohen Sicherheitsvorkehrungen. Vor allem vielen Christen aus den besetzten Palästinensergebieten war es nicht gelungen, nach Jerusalem durchzukommen.

Die Liturgie wurde auf Arabisch und Latein gefeiert. Die Fürbitten trugen Laien in mehreren Sprachen vor, darunter auch Arabisch und Hebräisch.

In seiner Predigt betonte der Papst, Jerusalem sei dazu berufen, eine "Stadt des Friedens für alle Völker" zu sein. Innerhalb ihrer Mauern dürfe es keinen Platz für Gewalt, Engstirnigkeit, Unterdrückung und Rache geben. "Alle, die an einen gnädigen Gott glauben - seien sie Juden, Christen oder Muslime - müssen als erste diese Kultur der Versöhnung und des Friedens fördern", mahnte Benedikt XVI. Jerusalem müsse ein Ort der Universalität, der Achtung der anderen, von Dialog und gegenseitigem Verständnis werden.

Der Papst dankte den Christen für ihre Präsenz und versicherte sie der Solidarität und Liebe der ganzen Kirche. Mit seinem Besuch wolle er den Schwierigkeiten, dem Schmerz und dem Leid Anerkennung zollen, "die so viele von euch infolge der Konflikte ertragen mussten". Dazu gehöre für viele Familien auch die bittere Erfahrung der Vertreibung. "Meine Anwesenheit hier ist ein Zeichen, dass man euch nicht vergessen hat", rief er. Die Gläubigen antworteten mit Applaus..

Die Christen des Heiligen Landes seien berufen, "Lichtstrahl des Glaubens für die universale Kirche" zu sein, so das Kirchenoberhaupt. Zugleich seien sie "Sauerteig der Eintracht" in einer Gesellschaft, die seit jeher pluralistisch, multiethnisch und multireligiös sei.

Mit dem Gottesdienst endete das Programm des zweiten Besuchstages. Am Vormittag hatten interreligiöse Begegnungen mit den geistlichen Führern von Juden und Muslimen im Mittelpunkt gestanden. Am Mittwoch besucht Benedikt XVI. den Geburtsort Jesu, Bethlehem, das dortige Caritas-Baby-Hospital sowie das palästinensische Flüchtlingslager "Aida".

Still, die Hände zum Gebet gefaltet an der Klagemauer
Drei lange Minuten verharrte Benedikt XVI. vor der Klagemauer. Still, die Hände zum Gebet gefaltet, den Blick auf die Steinquader des vor fast 2.000 Jahren zerstörten Heiligtums der Juden gerichtet. "Sende deinen Frieden über dieses Heilige Land, über den Nahen Osten, über die ganze Menschheitsfamilie", schrieb er auf einen Gebetszettel, den er nach jüdischem Brauch in eine Ritze der antiken Mauer schob.

Die heiligsten Stätten von Muslimen, Juden und Christen standen am Dienstagmorgen nacheinander auf dem Besuchsprogramm des Papstes in Jerusalem. Im muslimischen Felsendom, an der jüdischen Klagemauer und im christlichen Abendmahlssaal ging es nicht um touristische Besichtigungen, sondern um den interreligiösen Dialog. Die Besuche sollten ein "Siegel" der Kontakte und Dialoge sein, die die Kirche seit dem Konzil vor 45 Jahren aufgenommen hat, so ein Vatikan-Prälat.

Durch das Löwentor fuhr Benedikt XVI. am Morgen bei strahlendem Sonnenschein zum ersten Mal in die Jerusalemer Altstadt. Vor dem Felsendom mit seiner goldenen Kuppel zog er die Schuhe aus und besichtigte jene Stätte, an der der Tradition nach Abraham seinen Sohn Isaak opfern wollte; wo später der jüdische Tempel stand und wo Mohammed seine nächtliche Himmelfahrt antrat.

Die Al-Aksa-Moschee, das nach Mekka und Medina ranghöchste Heiligtum des Islam, stand nicht auf dem Programm des Papstes - auch wenn Gerüchte am Vortag das unterstellten. Stattdessen traf er Großmufti Mohammed Hussein an dessen Dienstsitz. In seiner Ansprache beschwor der Papst das Verbindende von Juden, Christen und Muslimen. Wer an Gott als Schöpfer aller Menschen glaube, müsse sich aktiv für die Überwindung von Spaltungen und für Solidarität einsetzen. Im Dialog müssten die Gott-Gläubigen eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens aufbauen.

Wie weit dieses Ideal gerade in Jerusalem noch entfernt ist, machte das vergleichsweise simple Problem der TV-Übertragung deutlich. Das israelische Fernsehen, das den Papstbesuch in Jerusalem komplett live überträgt, durfte den muslimischen Tempelberg nicht betreten. So blieben die Bildschirme schwarz. Erst später konnte das Vatikan-Fernsehen CTV seine Aufnahmen in ein internes Netz einspeisen.

Besuch im Großrabbinat alles andere als ein Pflichttermin
Der anschließende Besuch im Großrabbinat war alles andere als ein Pflichttermin. Die mit dem Konzil begonnene Aussöhnung von Juden und Christen sei unwiderruflich, stellte Benedikt XVI. dort klar. Anders als bei den politischen Reden vom Vortrag ging es hier um den religiösen Dialog. Und der ist, trotz zwischenzeitlicher Rückschläge, fast eine Erfolgsgeschichte. Unabhängig von diplomatischen Fortschritten und kultureller Zusammenarbeit ist das ein Feld, das dem Professor-Papst besonders am Herzen liegt.

Zum Abschluss eines langen Vormittags fuhr Benedikt XVI. zum Abendmahlssaal - erneut ein heikler Programmpunkt: Der Platz untersteht dem israelischen Tourismusministerium. Trotzdem durfte Benedikt XVI. hier einen Wortgottesdienst mit den Bischöfen der Region feiern. Eine Rückgabe des Gebäudes an die Katholiken - im Vorfeld als israelisches Gastgeschenk gehandelt - stand nicht zur Debatte.

Nach der sehr erfolgreichen Etappe in Jordanien hatte der Besuch von Benedikt XVI. in Israel eher durchmischt begonnen. Nach dem freundlichem Empfang durch Staatspräsident Schimon Peres gab es ein geteiltes Echo zur Papstrede in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Der Papst habe nicht die Schuldfrage angesprochen, nicht die Täter benannt und nicht über seine deutsche Herkunft gesprochen, hieß es in ersten Reaktionen. All diese Aspekte habe Benedikt XVI.  aber schon früher mehrfach benannt, etwa in Auschwitz, betonte Vatikansprecher Federico Lombardi. Nicht jede Rede könne alle wichtigen Themen behandeln. Diesmal sei es um das "Erinnern" gegangen.

Und dann noch die Panne beim interreligiösen Treffen vom Montagabend: Aufgrund mehrerer Missverständnisse stand Scheich Taisir Al-Tamimi plötzlich am Rednerpult und hielt auf Arabisch eine zehnminütige deftige Rede gegen Israel. Am Ende brach die Veranstaltung formlos ab - ohne den geplanten Austausch von Geschenken.

Beim Treffen mit den Muslimen vor dem Felsendom war von dem Zwischenfall nach außen nichts zu spüren. Der Großmufti begrüßte den Papst höflich. Ob es hinter den Kulissen zu Klarstellungen kam, ist unbekannt. Allerdings atmete die Begegnung nicht die Herzlichkeit wie beim Treffen mit den Muslimen drei Tage zuvor in Jordanien. Die vatikanische Begleitung des Papstes hofft, dass der Tamimi-Eklat keine bleibenden Auswirkungen auf den mühsam reparierten Kontakt zum Islam hat.