Kardinal Kasper zu Erwartungen an Papstreise ins Heilige Land

"Eine schwierige Aufgabe"

Papst Benedikt XVI. besucht ab Freitag für eine Woche das Heilige Land. Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, Präsident des Päpstlichen Einheitsrates sowie der Kommission für die Beziehungen zum Judentum, begleitet das Kirchenoberhaupt auf den Stationen in Jordanien, Israel und dem Westjordanland. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit ihm über Ziele und Grundlagen der Reise.

Walter Kardinal Kasper: Zuständig für Ökumene-Fragen im Vatikan (KNA)
Walter Kardinal Kasper: Zuständig für Ökumene-Fragen im Vatikan / ( KNA )

KNA: Herr Kardinal, die jüngste Papstreise nach Afrika war überschattet von einer heftigen Polemik um Aids. Wird die nächste Reise leichter?

Kasper: Sie wird auf jeden Fall ganz anders. Es ist eine Reise ins Heilige Land mit seinen Heiligen Stätten, sie hat eine starke geistliche Dimension. Aber leichter wird sie auf keinen Fall. Die politische wie auch die kirchliche Situation in Nahost ist alles andere als einfach. Es kommt darauf an, eine Balance zu finden zwischen der Begegnung mit den Juden und Israel und den Treffen mit den Christen, die zum großen Teil in den palästinensischen Gebieten leben. Eine schwierige Aufgabe; daher ist die Reise um so nötiger.

KNA: Ein diplomatischer Drahtseilakt? Wird die Reise gut vorbereitet?
Kasper: Sie wird sehr genau vorbereitet und muss es auch. Wir bejahen den Staat Israel, unterhalten mit ihm diplomatische Beziehungen und haben unser Verhältnis zum Judentum enorm verbessert. Auf der anderen Seite müssen wir den palästinensischen Christen gerecht werden, die unter nicht einfachen Bedingungen leben. Der Heilige Stuhl tritt ein für eine Zwei-Staaten-Lösung - das scheint der gegenwärtigen Regierung Israels nicht so wichtig zu sein. Der diplomatische Drahtseilakt besteht darin, keine faule Kompromisse einzugehen.

KNA: Was ist Ziel der Reise?
Kasper: Es gibt verschiedene Ziele. Es geht - gerade nach den Schwierigkeiten der letzten Wochen - um die Stabilisierung unserer Beziehungen zum Judentum. Das gilt ebenso für das Verhältnis mit den Muslimen. Der Papst wird in Jordanien eine Moschee besuchen und auch in Jerusalem Muslime treffen. Dann gibt es das ökumenische Anliegen.

Jerusalem ist dazu kein einfacher Ort. Der Papst trifft dort praktisch die ganze gespaltene Christenheit. Und keinesfalls will der Papst die eigenen Gläubigen, die katholischen Christen, vergessen. Er trifft sie in Bethlehem - heute praktisch eine ummauerte Stadt. Dann ist eine Messe mit Katholiken in Nazareth in Galiläa vorgesehen, wo ebenfalls viele Christen leben.

KNA: Was erwarten Sie konkret von der Reise für die Beziehungen zum Judentum?
Kasper: Eine Bestätigung und Stärkung unseres Verhältnisses zum jüdischen Volk. Die jüngsten Konflikte und Schwierigkeiten haben gezeigt, dass unsere Beziehungen sehr stabil sind. Es war relativ einfach, die Lage in ein, zwei Wochen zu beruhigen, weil wir gute persönliche Beziehungen haben. Auch auf jüdischer Seite besteht ein großes Interesse - nicht nur von politischer Seite, sondern auch vom orthodoxen Judentum -, den Papst zu treffen und die Beziehungen vollends auf gute Gleise zu stellen.

KNA: Anders als bei früheren Heilig-Land-Reisen geht es diesmal nicht so sehr um ökumenische Spitzentreffen.
Kasper: Als Paul VI. zu Besuch kam, war es die allererste Begegnung eines Papstes mit einem Ökumenischen Patriarchen seit Jahrhunderten. Das war eine Sensation. Inzwischen sind die Treffen selbstverständlich geworden, Patriarch Bartholomaios I. war letztes Jahr dreimal in Rom beim Papst. Ich selbst treffe den griechisch-orthodoxen und den armenischen Patriarchen jedes Mal, wenn ich nach Jerusalem komme. Hier ist inzwischen vieles normal geworden.

Das bedeutet nicht, dass die ökumenischen Treffen des Papstes jetzt nicht wichtig sind. Die Kirchen im Heiligen Land haben alle die gleichen Schwierigkeiten - etwa beim Erhalt von Visa für Geistliche. Und die anderen Christen erwarten sich Hilfe von der katholischen Kirche, weil sie über diplomatische Kanäle verfügt, die sie selbst nicht haben.

KNA: Kommen angesichts der interreligiösen und politischen Erwartungen die Begegnungen mit den Christen nicht zu kurz?
Kasper: Die Christen im Heiligen Land erwarten sich von der Reise eine Rückenstärkung, und die brauchen sie auch. Und ich hoffe, der Papst wird sie ihnen geben. Schon die Reise selbst, besonders die Etappe in Bethlehem, wird die Aufmerksamkeit der Welt auf die Situation der Christen lenken - die sonst ja in der Berichterstattung weitgehend vergessen werden. Der Papst wird hier Gottesdienste feiern und öffentliche und medienwirksame Akzente setzen.

Die Christen sind in einer schwierigen Situation. Sie sind Araber, nicht Israelis, sie sind Araber, aber keine Muslime. Damit ergeben sich Identitätsprobleme vor allem für die jungen Christen. Auch in den palästinensischen Gebieten sind sie angesichts radikaler Kräfte gerade in Gaza nicht unbedingt anerkannt. Die Christen sind in einer bedrängten Situation, leider Gottes wandern gerade viele junge Christen aus, weil sie keine Zukunft sehen. Das ist für uns alle ein großer Schaden. Denn wenn wir ins Heilige Land kommen, wollen wir ja nicht nur tote Steine sehen, sondern lebendige Gemeinden treffen.
Die Christen waren trotz vieler Schwierigkeiten über die Jahrhunderte im Heiligen Land präsent, und wir hoffen, dass dies so bleibt.

KNA: Ist die zwölfte Reise des Papstes seine wichtigste?
Kasper: Es ist sicher eine ganz wichtige. Für den Papst ist es ein persönliches geistiges Anliegen, ins Heilige Land zu fahren, das unser aller Heimat und Ursprungsort ist. Und auch unter politischem Gesichtspunkt ist die Reise wichtig, denn der Nahost-Konflikt ist heute die Mutter vieler anderer Konflikte in der Welt.