Palästinenser wollen Papst zur israelischen Sperrmauer führen

Im Brennpunkt des Nahost-Konflikts

Die Papstreise ins Heilige Land mag noch so sehr zur Pilgerfahrt deklariert werden - das politische Tauziehen um den prominenten Gast hat längst begonnen. Mehrfach wird Benedikt XVI. seinen Fuß mitten in Brennpunkte des Nahost-Konflikts setzen, so etwa in ein palästinensisches Flüchtlingslager bei Bethlehem. Und schon vor seinem Eintreffen beginnen dort die Schwierigkeiten.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

Das «Aida-Camp» liegt direkt an der acht Meter hohen Betonmauer, die Israel zwischen Jerusalem und Bethlehem hat errichten lassen - zum Schutz vor Terroristen. Palästinenser hingegen sehen darin einen zionistischen Wall, der sie für immer von Jerusalem abtrennen soll.

So haben sie das Kirchenoberhaupt bewusst an diesen für sie besonders symbolträchtigen Ort eingeladen. Pikanterweise fällt sein Kommen zudem genau auf den Vortag des Gründungstages des Staates Israel am 14. Mai, der von Palästinensern als «Nakba» (die Katastrophe) begangen wird. Die Visite verspricht so um einiges komplizierter zu werden als jene von Johannes Paul II. im Daheishe-Camp im Jahr 2000.

Die Zufahrt zum Aida-Camp ist gesäumt mit den Bildern von 27 Dörfern im heutigen Israel. «Das sind die Orte, aus denen unsere Eltern 1948 von den Israelis vertrieben wurden», erklärt Issa Karaka. Der 45-Jährige wird Benedikt XVI. am 13. Mai durch das Flüchtlingslager begleiten. Dabei werden sie auch durch ein hohes Tor fahren, dessen oberer Querbalken aus einem überdimensionalen Schlüssel besteht - Symbol für die Häuser, die insgesamt 750.000 Palästinenser durch die Schaffung des Staates Israel verloren haben. Und für das Recht auf Rückkehr, dass sie fordern.

Im «Aida-Camp» leben heute rund 5.000 Menschen. Aus den einstigen UNO-Zelten sind längst feste Häuser geworden, in denen die Bewohner zwar relativ beengt, aber doch unter ähnlichen Bedingungen wie die restliche Bevölkerung Bethlehems leben. Ihren Status als Flüchtlinge jedoch haben sie nicht aufgegeben: Er wird in den UN-Karteien von Eltern auf Kinder weitervererbt.

Eine Stunde sieht das Programm der Reise in dem Flüchtlingslager vor - 60 Minuten, die die Bewohner gut nutzen wollen, um dem hohen Gast ihre Sicht auf den Nahost-Konflikt zu vermitteln. Die Fahrt des Kirchenoberhauptes soll direkt vor der israelischen Sperrmauer enden, die - wie überall auf Bethlehemer Seite - mit politischen Slogans oder Karikaturen bemalt ist. Im Schatten eines israelischen Wachturms wird bereits fleißig an einer steinernen Tribüne gebaut, auf der Benedikt XVI. mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ein buntes Programm aus Tänzen und Ansprachen verfolgen soll.

Der Platz wurde nach Auskunft der Verantwortlichen aus «logistischen Gründen und in Übereinstimmung mit der vatikanischen Delegation» ausgewählt: Es sei der einzige Ort im Camp, auf dem genügend Menschen für die Begegnung mit dem Papst Platz fänden. Allerdings liegt der Streifen direkt an der Mauer auf sogenanntem C-Gebiet, also der von Israel verwalteten Zone der besetzten Gebiete. Daher - darauf weist die Zivilverwaltung der israelischen Armee hin - hätten die Palästinenser für den Bau der Tribüne eine israelische Genehmigung einholen müssen. Per Gerichtsbeschluss wurde nun für die Konstruktion ein sofortiger Baustopp verfügt. Die Verantwortlichen haben für Donnerstag nächster Woche eine Gerichtsvorladung bekommen.

Die Nachricht hat unter der palästinensischen Bevölkerung empörte Reaktionen ausgelöst: «Zuerst schneiden sie uns mit der Mauer von unserem Grund und Boden ab, und dann gestehen sie uns nicht mal das letzte Stück freier Fläche zu, das uns bleibt», beschreibt ein Mitglied des Organisationskomitees die Stimmung; «die Tribüne wird weitergebaut». Der verantwortliche palästinensische Minister für den Papstbesuch in Bethlehem, Siad El Bandak, hält sich allerdings bedeckter: «Wir suchen nach einer Lösung für dieses sehr komplexe Problem.» Schlimmstenfalls werde man auf einen anderen Platz ausweichen. Aber die Mauer werde der Heilige Vater ja in jedem Fall sehen - «so oder so».