Benedikt XVI. besucht Erdbebengebiet in den Abruzzen

"Umarme jeden von euch"

Mit einem Gebet für die Toten, einem Wort der Hoffnung für die Überlebenden und einem Solidaritätsappell hat Papst Benedikt XVI. seinen Besuch im mittelitalienischen Erdbebengebiet abgeschlossen. "Gott möge den Schrei des Schmerzes und der Hoffnung hören, den diese vom Erdbeben schwer geprüfte Gemeinschaft erhebt", sagte er am Dienstag in der Unglücksregion. "Aber der Adler, auch wenn er verletzt ist, soll wieder fliegen", ermunterte er in Anspielung auf den Namen der Regionalhauptstadt L'Aquila.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Mit Bedacht startete Benedikt XVI. seinen Besuch der Unglücksregion aber nicht in L'Aquila, wo bereits viele Politiker aus dem nahen Rom aufgetreten waren. Stattdessen begann er bei strömendem Regen im fast völlig zerstörten Onna, wo von 300 Bewohnern bei dem schweren Beben am 6. April rund 40 den Tod fanden.

Eine halbe Stunde lang hielt sich der Papst in Onna auf, das mittlerweile zu einer Symbolstätte der Katastrophe geworden ist. Zunächst fuhr in einem Jeep des Zivilschutzes durch die Ruinen. Anschließend schüttelte er in der Zeltstadt die Hände der Überlebenden, dankte den Feuerwehrleuten und ehrenamtlichen Helfern, segnete die Gläubigen, küsste ein Kleinkind, das eine Mutter ihm entgegenhielt. Von den Menschen ließ er sich über ihre Erlebnisse berichten. Manchen standen Tränen in den Augen.

Von Anfang an habe er sich Nachrichten aus der Katastrophenregion verfolgt, betonte Benedikt XVI. Nun sei er gekommen, um die Verbundenheit und Solidarität der ganzen Kirche zu bekunden. Die Menschen reagierten dankbar. Pfarrer Cesare Cardoza, der dem Kirchenoberhaupt seine Gemeinde vorstellte, sagte: «Benedikt XVI. ist wie ein Pfarrer, wie ein Vater zu den Kindern gekommen, die sich mit einer Sorge an ihn gewandt haben. Sein Besuch ist für uns ein Zeichen der Hoffnung.»

Wie sehr das Erdbeben in den Abruzzen nicht nur Wohnhäuser und Geschäfte, sondern auch Kulturdenkmäler beschädigt hat, wurde bei der anschließenden Etappe an der Basilika Santa Maria di Collemaggio deutlich. Auf dem Weg von Onna macht der Papst am Stadtrand von L'Aquila vor dem berühmten romanischen Gotteshaus einen Zwischenstopp. Der dort aufbewahrte Sarkophag des Einsiedler- und «Verweigerer»-Papstes Coelestin V. - der 1294 nach wenigen Monaten sein Amt aufgrund von Gewissenszweifeln niederlegte - hatte das Beben unbeschadet überstanden. Die Reliquien wurden vor das Gotteshaus gebracht, und Benedikt XVI. legte auf ihm in bewegender Geste jenes weiße Pallium nieder, das ihm selbst bei seinem Amtsantritt im April 2005 aufgelegt worden war.

Der Papstbesuch im Erdbebengebiet erfolgte unter widrigen Umständen. Wegen eines Unwetters konnte Benedikt XVI. nicht den Hubschrauber benutzen, sondern musste die 120 Kilometer in die Abruzzen im Auto zurücklegen. So verzögerte sich die gesamte Reise um eine Stunde.

Höhepunkt war das Treffen mit den Bewohnern von L'Aquila und den Hilfskräften auf dem Platz der Finanzpolizei. An gleicher Stätte hatte an Karfreitag die Totenmesse für die fast 300 Opfer stattgefunden. Dazu hatte Benedikt XVI. seinen Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone und seinen Privatsekretär Monsignore Georg Gänswein mit einer persönlichen Botschaft entsandt.

Im offenen Jeep fuhr der Papst durch ein Spalier applaudierender Menschen. Erzbischof Giuseppe Molinari und Bürgermeister Massimo Cialente dankten dem Papst für seinen Besuch als einem Zeichen der Hoffnung. Der Papst wiederum dankte allen Helfern für ihren Einsatz.

Er wünsche sich einen raschen und koordinierten Wiederaufbau, damit die Menschen bald die Zeltstädte verlassen könnten. Und mit offenkundigem Blick auf manche früheren Bausünden mahnte er Politiker und Behörden zur Gewissenserforschung, «damit sie in jedem Moment ihre Verantwortung wahrnehmen».

Die Angst der Menschen in der Erdbebenregion ist freilich noch nicht zu Ende. Eine Viertelstunde vor Ankunft des Papstes bebte in den Abruzzen erneut die Erde - diesmal jedoch nur mit der Stärke 2,2 auf der Richterskala.