Papst Benedikt XVI. will ins Erdbebengebiet der Abruzzen reisen

Nähe zu den Opfern

Noch immer zittert die Erde in Italien. Ausläufer der Nachbeben in den Abruzzen sind selbst in Rom und im Vatikan zu spüren. Das Land erlebt eine der größten Erdbebenkatastrophen der jüngsten Geschichte. Während Italiens führende Politiker in die Unglücksregion von L'Aquila eilen, hat jetzt auch der Papst als Primas von Italien die Nähe zu den Opfern zu seiner persönlichen Sache gemacht.

 (DR)

Bei der Generalaudienz am Mittwoch kündigte Benedikt XVI. an, die betroffene Gegend am Fuß des Gran Sasso zu besuchen.
Über ein konkretes Datum sprach er möglicherweise bei seinem anschließenden Telefonat mit dem Ortsbischof von L'Aquila, Giuseppe Molinari. Öffentlich nannte er noch keinen Termin. Aber die Visite soll bald stattfinden.

Der Papst folgt darin seinem Vorgänger Johannes Paul II.: Dieser war nach dem großen Beben von 1997 zu einem Blitzbesuch nach Umbrien und in die Marken gereist, um mit den Menschen zu sprechen, die den kalten Bergwinter in Blechcontainern verbringen mussten. Zur Bildbotschaft wurde das Gebet des Papstes in Assisi, der Heimat des Franziskus. Ein Giotto-Fresko in der Basilika des Heiligen zeigt, wie Franziskus die wankende Kirche des Papstes stützt. Jetzt stand das Gotteshaus über dem Grab des Ordensgründers selbst vor dem Ruin. Herabstürzende Deckenteile hatten vier Menschen unter sich begraben.

Benedikt XVI. kennt die Dörfer der Abruzzen aus der Luft.
Papst-Pilot Antonio Berardo hatte mit dem Helikopter der italienischen Flugbereitschaft schon einmal einen Schlenker um den Gran Sasso gezogen, um dem Kirchenoberhaupt die malerischen Bergnester zu zeigen. Jetzt wird er einzelne Orte nicht wiedererkennen. Sie liegen teilweise komplett in Trümmern. In Onna starben 39 von 400 Einwohnern. In Paganica begrub das einstürzende Klarissenkloster die Äbtissin unter sich.

Dass etwas Schlimmes passiert sein musste, konnte der Papst schon in der Nacht zum Montag spüren, als ein Rütteln durch den Apostolischen Palast ging. Wenig später bei der Frühmesse informierten ihn die engsten Mitarbeiter über die Katastrophe hundert Kilometer nordöstlich von Rom. Benedikt XVI. tat das, was seine erste Aufgabe als Oberhirte ist - er betete für die Opfer. Noch am Morgen erreichte den Erzbischof von L'Aquila ein Telegramm aus dem Vatikan, das den Betroffenen und den Helfern Mut und göttlichen Beistand zusprach.

Auch in die Kette der Helfer klinkte sich der kleine Papststaat mit seinen bescheidenen Mitteln ein: Acht der insgesamt 26 vatikanischen Feuerwehrleute rückten umgehend in die Krisenregion aus. Einige Mitarbeiter der päpstlichen Brandwache besitzen eine Spezialausbildung für Rettungseinsätze an hohen Gebäuden wie dem Petersdom. Sicherheitschef Domenico Giani hatte unmittelbar nach den Erdstößen eine Lagebesprechung mit der Vatikan-Leitung gehalten und die Entsendung veranlasst.

Auf Kirchenmitarbeitern vor Ort liegt in diesen Tagen eine doppelte Last. Beispielsweise Dionisio Umberto Rodriguez Cuartas, Caritasdirektor in L'Aquila, sah sich mit der Zerstörung seines Dienstsitzes und damit der Leitungsstrukturen der Caritas konfrontiert. Zugleich muss er als Ortspfarrer von Paganica trösten und Beistand leisten. Die Zahl der Toten hat inzwischen die Marke von 260 überstiegen, zehntausende Menschen haben ihr Obdach verloren. In die Trauer mischen sich auch Wut und Vorwürfe: Über Jahre wurden Vorschriften für erdbebensicheres Bauen missachtet - selbst bei öffentlichen Gebäuden wie dem Krankenhaus von L'Aquila, das ausgerechnet dann, als man es für die Verletzten brauchte, schwer beschädigt wurde.

Auch Erzbischof Molinari ist seit Tagen im Dauereinsatz. Der 71-Jährige reist über die Dörfer, spendet Trost, ermutigt zum Durchhalten. Am Dienstag feierte er im völlig zerstörten Onna eine Messe im Freien, da bebte die Erde schon wieder. Eine schwere Aufgabe steht ihm noch bevor, wenn er in L'Aquila die große Trauerfeier für die Opfer des Bebens hält. Sie ist in einem Hangar der örtlichen Polizeikaserne geplant, den man zur Leichenhalle umfunktioniert hat. Molinari wollte, dass der Gottesdienst am Freitag stattfindet - Karfreitag, an dem die Christen des Leidens Jesu gedenken.