Papst Benedikt XVI. richtet eindringlichen Appell an G-20-Gipfel

Krisenlösung ohne Protektionismus

Papst Benedikt XVI. hat in einer Botschaft an den Londoner G-20-Gipfel die Staaten und internationalen Organisationen zur gemeinsamen Suche nach Auswegen aus der globalen Wirtschaftskrise aufgefordert. Dabei müssten nationalistische und protektionistische Lösungen vermieden werden, mahnte das Kirchenoberhaupt in seinem am Mittwoch im Vatikan verbreiteten Schreiben an Großbritanniens Premierminister Gordon Brown.

 (DR)

Bei seiner jüngsten Reise nach Kamerun und Angola habe er erlebt, dass die afrikanischen Staaten besonders unter der Krise litten, schreibt Benedikt XVI. Jedoch sei außer Südafrika kein Staat südlich der Sahara bei dem Gipfel vertreten. Die Teilnehmer des Treffens müssten sich vor Augen halten, dass diejenigen, deren Stimme am wenigsten politisches Gewicht habe, am schwersten von der Krise betroffen seien, für die sie nicht verantwortlich seien.

Umgekehrt hätten gerade jene Staaten ein enormes Potenzial, um zum Fortschritt aller beizutragen, erläuterte der Papst. Es sei daher wichtig, die multilateralen Mechanismen und Strukturen der UNO zu nutzen, um die Stimme aller Länder zu hören. Man müsse sicherstellen, dass die vom Gipfeltreffen unternommen Schritte und Maßnahmen von allen mitgetragen würden.

Die aktuelle Krise habe ihre Ursache letztlich in einem Ethik-Defizit der Wirtschaftsstrukturen, führte der Papst aus. Sie habe auch das «Gespenst einer Streichung oder drastischen Reduzierung der Hilfsprogramme vor allem für Afrika und andere unterentwickelte Länder ausgelöst». Benedikt XVI. erinnerte die Staaten an ihre Selbstverpflichtung, die extreme Armut bis zum Jahr 2015 zu beseitigen. «Dies bleibt eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit», so der Papst.

Appelle zum G-20-Gipfel: Hilfe für arme Länder gefordert
Auch die Weltbank und entwicklungspolitische Organisationen fordern vor den G-20-Gipfel Unterstützung für die ärmsten Staaten der Welt. In diesem Jahr werde das Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer um mehr als drei Prozentpunkte auf 2,1 Prozent sinken, teilte die Weltbank zwei Tage vor dem Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in London mit. Damit hat die Entwicklungsbank ihre Prognose vom November mehr als halbiert.

«Für das 21. Jahrhundert brauchen wir Marktwirtschaften mit einem menschlichem Antlitz», sagte Weltbankpräsident Robert E. Zoellick in London. In sechs Jahrzehnten hätten die Märkte Millionen Menschen aus der Armut geführt. Nun habe die Welt gesehen, wie Rücksichtslosigkeit und Gier das Erreichte verschleudern könnten. Millionen Menschen seien dadurch von Armut bedroht.

Der Verband Entwicklungspolitik VENRO forderte die G-20-Staaten auf, «endlich von ihrem hohen Ross herunterzusteigen» und die Entwicklungsländer stärker in ihre Verhandlungen einzubeziehen. Nur durch eine gleichberechtigte Nord-Süd-Partnerschaft bestehe die Chance, die globale Wirtschafts- und Finanzkrise zu überwinden, erklärte der Dachverband von rund 120 privaten und kirchlichen Organisationen in Deutschland.

Nach acht Jahren starken Wachstums wird die Weltwirtschaft laut Weltbank in diesem Jahr um 1,7 Prozent schrumpfen, das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Industrieländer rutschen in eine Rezession. Im Welthandel erwartet die Weltbank einen Rückgang um 6,1 Prozent, vor allem wegen des Einbruchs der Rohstoffpreise. Viele Entwicklungsländer trifft dies hart, weil bis zur Hälfte ihrer Staatseinnahmen vom Export abhängen.

Den stärksten Einbruch befürchtet die Weltbank in Lateinamerika: eine Schrumpfung der Wirtschaft um 0,6 Prozent nach 4,3 Prozent Zuwachs 2008. Der Rückzug von Investoren trifft vor allem die Region Ostasien, deren Wachstumsrate auf 5,9 Prozent sinken wird.

Die G-20 müssten die globalen Entscheidungs-, Finanz- und Wirtschaftsstrukturen gerechter und ökologisch nachhaltiger gestalten, verlangte die Hilfsorganisation Oxfam. Das Kinderhilfswerk terre des hommes betonte, dass die Wirtschaftskrise nicht zu Lasten der Ärmsten der Welt gehen dürfe. Es wäre ein «Skandal», wenn Banken und Finanzdienstleister als Hauptverantwortliche der Krise nicht zur Rechenschaft gezogen würden.

Aus Sicht des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) müssen die führenden Industrie- und Schwellenländer eine globale Steuerreform in Gang setzen. Jährlich gingen den Entwicklungsländern 120 Milliarden US-Dollar durch Steuerhinterziehung verloren. «Das allein ist schon so viel wie die gesamte Entwicklungshilfe 2008», sagte EED-Vorstand Wilfried Steen.

Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik legte Reformvorschläge von Wissenschaftlern aus Europa und führenden Schwellenländern vor. Sie plädieren unter anderem für eine Umgestaltung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zu «wahrhaft globalen Organisationen». Diese dürften nicht mehr wie bislang ausschließlich den nationalen Interessen der mächtigsten westlichen Staaten gehorchen.