Benedikt XVI. sucht die persönliche Begegnung mit Leidenden - Weiterreise nach Angola

Afrika trägt das Kreuz

Über Krankheit wurde viel gesprochen bei der Visite von Papst Benedikt XVI. in Kamerun. Vor allem über die Krankheit, die als Geißel des Kontinents schlechthin gilt: Aids. Am Donnerstagabend suchte das Kirchenoberhaupt die Begegnung mit der "Welt des Leidens", wie das offizielle Programm es nennt. Im "Kardinal-Paul-Emil-Leger Zentrum" besuchte er rund 200 Patienten, sprach ihnen Mut zu und segnete sie. Heute reist der Papst weiter nach Angola.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

In den grün gedeckten Bungalows, gruppiert um einen malerischen Garten mit Schwimmbecken und hochgewachsenen Bäumen, leben Patienten mit Kinderlähmung, Gichtkranke, Menschen mit schweren Missbildungen, Autisten, Spastiker, geistig Behinderte. Für viele ist es die letzte Zuflucht. Behinderte Kinder, sagt Pater Sergio Ianeselli, ein aus Norditalien stammender Mitarbeiter der Einrichtung, werden in Kamerun oft einfach in den Familien versteckt. Ohne medizinische Hilfe, ohne Entwicklungsförderung; das Geld fehlt.

Die Oase am Rand der Hauptstadt Yaounde hat katholische Wurzeln, steht inzwischen aber unter staatlicher Leitung. Sie ist das Werk eines ungewöhnlichen Kirchenmanns: Paul-Emile Leger (1904-1991) war mit 46 Jahren Erzbischof der kanadischen Metropole Montreal, drei Jahre später Kardinal. Doch an seinem 64. Geburtstag reichte er sein Rücktrittsgesuch von der Leitung des Erzbistums ein, um in Kamerun für Leprakranke und behinderte Kinder zu arbeiten. Auf seine Initiative hin entstand die Wohn- und Pflegeeinrichtung auf einer Anhöhe zwischen üppig bewaldeten Hügeln. Sieben Jahre darauf übernahm der Staat Kamerun die Trägerschaft.

Diese Geschichte bedingt das Ineinander von Staat und Kirche in dem Zentrum. So rühmt die Sozialministerin Catherine Bakang Mbock in ihrer Begrüßung den Gründer und Kardinal als einen «Apostel der sozialen Gerechtigkeit». Natürlich stimmt sie ebenso ein Lob an auf die Humanität von Staatspräsident Paul Biya und seiner Frau Chantal, einer «Dame des Herzens», die einen mutigen Kampf gegen jede Ausgrenzung führe. Immerhin ist der Besuch Benedikt XVI. der erste öffentliche Auftritt, bei dem der Präsident weder in Person noch im Porträt zugegen ist.

Kampf gegen Aids
Der Papst seinerseits ruft zum weiteren Kampf gegen Aids und andere Epidemien auf, würdigt den Einsatz der katholischen Kirche auf dem Feld der Gesundheitsfürsorge. Den Betroffenen spricht er Mut zu: «Ihr seid nicht allein in eurem Schmerz, denn Jesus selbst ist allen nahe, die leiden.» Dann rührt der feinsinnige Theologe an die Seele der Menschen in Afrika: Simon von Cyrene, ein Afrikaner und «Sohn eures Kontinents», sei es gewesen, der für Jesus das Kreuz getragen habe, der damit auch teilhabe an der Erlösung, die alles Leiden überwindet. Könne man nicht sagen, «dass jeder Afrikaner in gewissem Sinn ein Familienmitglied des Simon von Cyrene ist»?

An Ärzte und Wissenschaftler gewandt, bekräftigt Benedikt XVI. ihre Aufgabe, jede legitime Form der Schmerzlinderung anzuwenden. Zugleich gelte es, das menschliche Leben zu schützen und es von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu verteidigen. Sterbehilfe soll in Kamerun keinen Platz haben - dem Papst aus Rom dürfte die in Italien über Monate heftig geführte Debatte um die künstliche Ernährung von Koma-Patienten lebhaft in Erinnerung sein.

Eine Geste, die Leiden mindert
Auf eines aber haben die Kranken besonders gewartet: Dass der Petrusnachfolger sie berührt und segnet. Es ist eine Geste, die bei Benedikt XVI. fast zum Pflichtprogramm seiner Reisen gehört. Immer wieder hat er sich Zeit genommen, um wie ein einfacher Priester den Leidenden nahe zu sein. So wird er auch jetzt von den Verantwortlichen des Zentrums und seiner eigenen Entourage die Zeltpavillons entlang geführt, unter denen seit einer guten Stunde die Patienten gewartet haben. Der Papst geht von Platz zu Platz, von Rollstuhl zu Rollstuhl, ein Defilee des Leidens von Menschen mit grotesk verrenkten Gliedmaßen, Kindern mit monströsen Wasserköpfen. Währenddessen intoniert ein Ensemble mit traditionellen Schlaginstrumenten rhythmisch-fromme Lieder.

Vielleicht ist der Papst etwas erschöpft. Vielleicht drängt das Protokoll zum nächsten und letzten Termin des Tages, der ersten Arbeitsrunde mit afrikanischen Bischöfen im Blick auf die bevorstehende Kontinentalsynode. Nach wenigen Minuten jedenfalls hat Benedikt XVI. die Runde absolviert, wird zum Ausgang geleitet. In seiner Rede hatte er von der einfachen Geste der Zärtlichkeit, dem freundlichen Blick gesprochen, die oft mehr bewirkten als viele Worte. Für mehr als die kleine Geste ließ die Terminplanung auch keinen Platz.