Kameruns Katholiken feiern Papst Benedikt XVI. nach Landesart

Vater aller Hoffnung

Benedikt XVI. hat seinen Platz gefunden im Volk von Kamerun. Als "Mwamba", als großen Vater, begrüßte Erzbischof Tonye Bakot den Papst, bevor er am Donnerstag eine Messe im Amadou-Ahidjo-Stadion von Yaounde zelebrierte. 40.000 Katholiken aus allen Bistümern des Landes quittierten die Ehrung mit Schreien, Klatschen und Trommeln. Mit dem Gottesdienst verbunden war der offizielle Anlass der Reise des Papstes: die Übergabe des Arbeitspapiers für die im Herbst tagende Afrikasynode an die Bischöfe des Kontinents.

Autor/in:
Burkard Jürgens
 (DR)

Doch dieser Akt trat in den Hintergrund gegenüber der bunten Feier der katholischen Basis mit ihrem Oberhaupt. Kameruns Kirche empfing Benedikt XVI. als - so Erzbischof Bakot - den ersten Missionar für den Glauben Afrikas.

Der Papst liebt Latein und gregorianischen Gesang, doch in Kamerun erlebt er die Farbenpracht und die Rhythmen afrikanischer Frömmigkeit. Die «Cappella Papale», üblicherweise geschulte römische Knabenstimmen - in Yaounde besteht sie aus 20 Xylophonen und zwei Keyboards, ein paar altersfleckigen Saxophonen, einem E-Bass und einigen Hundert Choristen mit Federbuschen und Palmwedeln. Benedikt XVI. hatte tags zuvor die überbordende Freude afrikanischer Gottesdienste gerühmt und zugleich ermahnt, das Gotteslob dürfe nicht die liturgischen Texte und Strukturen aus dem Blick verlieren.
Jetzt zeigen ihm die kamerunischen Bischöfe, wie exotisch Liturgie sein kann, ohne dass dem Messbuch ein Jota oder Häkchen verlorengeht.

Mit welchen Regungen Benedikt XVI. den zweieinhalbstündigen Gottesdienst erlebt, lässt sich aus der Ferne nicht ausmachen. Der Papst folgt den Gesängen und Gebeten unter einem weiträumigen, blättergedeckten Pavillon in der Mitte des Rasens. Die meisten Gläubigen sehen ihr Oberhaupt nur briefmarkengroß auf der Stadion-Anzeigetafel.

Groß war die Begeisterung, als Benedikt XVI. im Papamobil ins Rund des Stadions einbog, deutlich länger der Applaus als bei Präsident Paul Biya, der Minuten später in seiner Limousine mit geschwärzten Scheiben folgte. Doch als der Papst das Wort ergreift, klingt seine Stimme kurzatmig unter der Last der tropischen Schwüle und der liturgischen Gewänder. Während der ersten vier begrüßenden Sätze seiner Predigt wird Benedikt XVI. drei Mal von Applaus unterbrochen.
Dann spricht er ungestört. Er legt eine geistliche Deutung des Heiligen Joseph vor, seines Namenspatrons, dessen Fest auf diesen Tag fällt. Als er sich konkreteren Dingen zuwendet, vor der «Tyrannei des Materialismus» und einem Verlust traditioneller afrikanischer Werte warnt, regt sich keine Hand zum Beifall, nicht einmal, als er ruft: «Afrika kann der Kontinent der Hoffnung werden!» Möglicherweise liegt es auch an der nicht immer ganz klaren Aussprache.

Erst zum Schluss kommt neues Leben in die Zuhörerschaft. Benedikt XVI. nimmt - wieder mit Verweis auf den Heiligen Joseph - die Männer in die Pflicht. Dass sie sich um ihre Kinder kümmern und ihre Frauen ehren und lieben sollen, sagt er; es ist eine Vorwegnahme eines der Themen aus dem Vorbereitungsdokument der Afrikasynode. Es beklagt ungeschminkt, dass auch innerhalb der Kirche die Frau nicht immer den Respekt erfahre, der ihr zukomme.

Dann wendet sich der Papst den jungen Menschen zu: Er spricht von denen, die von ihrem Vater im Stich gelassen wurden, denen, die gewaltsam von ihren Eltern getrennt, gequält oder missbraucht wurden, denen, die das Schicksal von Kindersoldaten erlitten. «Gott liebt euch, er vergisst euch nicht», ruft der Papst, und der begeisterte Applaus der Gläubigen ist wieder da. Ein Diakon lädt die Menge ein, die Worte der Predigt in einem Moment der Andacht zu bedenken, und auf den Rängen mit den Zehntausenden wird es so still, dass man im Stadion die Vögel zwitschern hört und das Schreien eines einzelnen Babys.

Was die Länder dieser Weltregion sonst noch bedrängt und beschäftigt
- Armut, Aids, Bruderkriege, Unterdrückung -, all das findet in den Fürbitten Platz. Mit dem Predigtthema Familie habe Benedikt XVI. den richtigen Ton getroffen, sagt die 24-jährige Aude, die mit fünf Landsleuten und elf deutschen Freunden von der Katholischen Hochschulgemeinde Darmstadt eigens zum Papst nach Yaounde gereist ist. Die Männer zur Verantwortung und die Familien zum Zusammenhalt zu mahnen - «für Kamerun passt das». Statements zu weiteren gesellschaftlichen Problemen seien ohnehin «politisch nicht gewünscht», sagt Aude. «Da vorne sitzt der Präsident.»

Wie ein Widerspruch wirken da die Plakate allerorts in der kamerunischen Hauptstadt, die Benedikt XVI. an der Seite von Biya zeigen und die Überschrift «Perfekte Gemeinschaft» tragen. Der katholische Präsident, der seit 27 Jahren an der Spitze des westafrikanischen Staates steht, hat buchstäblich bis zur letzten Minute Straßen teeren, Kirchen renovieren und das Stadion putzen lassen, um dem Kirchenoberhaupt einen properen Eindruck von Kamerun zu vermitteln. Das wird nicht den Katalog von Missständen übertünchen, den das Synoden-Dokument auflistetet, das der Papst am Schluss des Gottesdienstes den Vorsitzenden der afrikanischen Bischofskonferenzen überreichte. Wie es sonst im Land aussieht, konnte Benedikt XVI. auf seiner Fahrt zur Messe sehen: Sie führte durch die Barackensiedlungen Yaoundes.