Papst sagt nach Protesten Besuch in römischer Uni ab - Staatspräsident bedauert Eklat

Der Klügere gibt nach

In einem für Italien bislang einmaligen Vorgang hat der Vatikan nach Protesten einen für Donnerstag vorgesehenen Papstbesuch in der Universität La Sapienza abgesagt. "Nach den bekannten Ereignissen dieser Tage" habe man es "für opportun gehalten, den Termin zu verschieben", teilte das vatikanische Presseamt am Dienstag mit. Benedikt XVI. werde aber den Redetext für die akademische Veranstaltung, zu der ihn der Universitätsrektor eingeladen hatte, schriftlich einreichen. Das öffentliche Italien ist geschockt.

 (DR)

In der Aula der politikwissenschaftlichen Fakultät nahmen Studenten die Absage mit Applaus auf und sprachen von einem "Sieg des Laizismus". Politiker äußerten Bedauern, manche auch Erschrecken über die Eskalation der vergangenen Tage.

Ministerpräsident Romani Prodi sagte: "Keine Stimme darf in unserem Land schweigen und erst recht nicht die des Papstes." Er bekundete Benedikt XVI. seine "feste Solidarität" und forderte ihn auf, seine Entscheidung zur Absage zu überdenken. Abgeordnete sprachen von einer "Schande für Italien, für die Stadt Rom, für Bürgermeister Veltroni und die akademische Welt".

Napolitano: Intoleranz gegen den Papst "nicht hinnehmbar"
Auch Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano hat die Proteste gegen die inzwischen abgesagte Universitätsrede Papst Benedikt XVI. scharf verurteilt. Die Angriffe von laizistischer Seite, die zu dem Eklat führten, seien intolerant und "nicht hinnehmbar", heißt in einem Brief vom Dienstag, den der Vatikan am Mittwoch in Auszügen veröffentlichte. Zugleich bekundet Napolitano sein "aufrichtiges, lebhaftes Bedauern" über die Absage Benedikts XVI., der ursprünglich eine Rede zur Eröffnung des akademischen Jahres an der römischen Universität "La Sapienza" halten sollte.

Wörtlich schreibt der Präsident: "Ich bin überzeugt, dass dieses Ereignis eine wertvolle Gelegenheit zur Reflexion über Themen geboten hätte, die von großer Bedeutung für die italienische Gesellschaft wie für alle Gesellschaften sind. Als nicht hinnehmbar betrachte ich die Bekundungen von Intoleranz und die verletzenden Ankündigungen, die ein Klima geschaffen haben, das in keiner Weise zu dem Anlass einer freien und ungezwungenen Begegnung passt."

Vorausgegangen waren tagelange Proteste von Studentengruppen, aber auch von 67 Dozenten der größten römischen Universität.
Einen Höhepunkt erreichten sie am Vormittag in einer mehrstündigen Besetzung des Rektorats durch Studenten. Die Hochschullehrer lehnten die Einladung an den Papst als Verstoß gegen die Trennung von Staat und Kirche ab. Außerdem warfen sie Benedikt XVI. vor, als Kurienkardinal in einem Vortrag 1990 den kirchlichen Prozess gegen Galileo Galilei gebilligt zu haben.

Falsch verstandenes Zitat
Sie stützten sich dabei laut Vatikan-Zeitung "Osservatore Romano" (Mittwochsausgabe) auf ein falsch verstandenes Zitat. Der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger habe im Gegenteil eine entsprechende These des österreichischen Philosophen Paul Feyerabend (1924-1994) zurückgewiesen.

Beobachter rätseln, warum der Vatikan die Veranstaltung fast im letzten Moment absagte. Benedikt XVI. und zuvor Johannes Paul II. hatten sich bislang in ihren Reiseplänen nicht durch die Kritik von Diktatoren, durch Bedenken islamischer Geistlicher oder Drohungen des Terrornetzwerks El Kaida einschüchtern lassen.

Auch die Sicherheit wäre nach Meinung von Experten durch ausreichende Polizeipräsenz zu bewerkstelligen gewesen. Den Ausschlag könnte die Vorstellung gegeben haben, dass die 67 Professoren in der Vortragsaula die Papstrede durch gezielte Provokationen vor den internationalen Fernsehkameras hätten zur Farce machen könnten.