Vatikan: Nein zu politischer Instrumentalisierung des Papstes

Deutliche Worte an Roms Politiker

Neujahrsempfänge gehören zum Ritual jedes Jahresbeginns
- so auch im Vatikan. Nach dem Diplomatischen Corps empfängt der Papst in jeder zweiten Januarwoche die politische Führungsspitze seiner Bischofsstadt und seiner Kirchenprovinz: den Bürgermeister der Stadt Rom sowie die Chefs der Provinz Rom und der Region Latium. Diesmal sorgte die Ansprache mit freundlichen wie mahnenden Worten für eine heftige politische Kontroverse, die den Vatikan schließlich zu einer eher ungewöhnlichen Klärung veranlasste.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Auslöser war das Papstwort vom "schwersten Verfall", den einige Stadtteile Roms durchmachten. Benedikt XVI. verwies dabei auf die zunehmende Gewalt und die wachsenden Spannungen in der Stadt. Konkret nannte er den Fall der 47-jährigen Römerin Giovanno Reggiani, die im Oktober im Randbezirk Tor di Quinto brutal von rumänischen Zuwanderern zusammengeschlagen und getötet worden war. Über die "Emotion des Augenblicks" hinaus sei eine kontinuierliche Arbeit nötig, die den Bürgern Sicherheit und den Einwanderern "wenigstens das unverzichtbare Minimum" für ein menschenwürdiges Leben garantiere, forderte der Papst.

Die politische Opposition griff das Papst-Monitum auf und nutzte es als Munition gegen Bürgermeister Walter Veltroni (Demokratische Partei). Sie warf ihm und seiner Stadtverwaltung Untätigkeit und Misswirtschaft vor. Die Tageszeitungen stiegen am Freitag mehrseitig ein, listeten römische Missstände auf, identifizierten mehr als ein Dutzend Problemviertel.

Der "Alarmschrei des besorgten Papstes", titelte der "Messaggero"; die Zeitung "Il Tempo" sprach von einer "Exkommunikation" des Bürgermeisters und seines Mitte-Links-Teams, und "La Stampa" meinte kurz: "In der Vorstadt herrscht Krieg zwischen den Armen". Der so angegriffene und sichtlich überraschte Veltroni machte gute Miene: "Betrachten wir die Ermahnung des Papstes als Ermutigung", gab er zu Protokoll; sie sei sicher nicht zur politischen Instrumentalisierung bestimmt gewesen.

Das sollte sie auch nicht, stellte der Vatikan am Freitag in einer ungewöhnlichen Erklärung des Presseamtes klar. "Die politische Instrumentalisierung infolge der Papstworte an die Repräsentanten der Region Latium, der Provinz und Kommune Rom rufen Erstaunen hervor", hieß es darin. Es sei ganz gewiss nicht Absicht des Papstes gewesen, die sozialen Aktionen herunterzuspielen, die die politisch Verantwortlichen in "schätzenswertem Einsatz" unternähmen.

Als Bischof von Rom habe Benedikt XVI. dieses Engagement immer wieder gewürdigt, auch in seiner gestrigen Rede, betont der
Vatikan: "Gleichwohl konnte er es aber nicht unterlassen, den vielen eine Stimme zu geben, die sich an ihn wenden, und einige besonders dringliche menschliche Probleme anzusprechen, wo der Beitrag aller gefragt ist." Auch die Kirche sei bereit, ihre Unterstützung zu leisten.

Das klärende Wort aus dem Vatikan kam an. Veltroni erklärte, er sei "sehr froh über die Worte, die der Papst heute gesagt hat".
Es seien "sehr schöne Worte der Wertschätzung und der Ermutigung". Im Übrigen sei jede Instrumentalisierung nur ein Sieg für 24 Stunden; danach verwandele sie sich oft in einen Bumerang, schrieb er seinen politischen Gegnern ins Stammbuch.
Damit hat der Bürgermeister wieder Luft gegenüber seinen Kritikern gewonnen - vorerst jedenfalls.