Der Papst beendet seinen Besuch in Österreich

Politischer Pilger

Äußerlich wird er sicher als der Besuch mit dem Dauerregen in Erinnerung bleiben. Keine der bislang 120 päpstlichen Auslandsreisen der Neuzeit war so nass und fast ohne Sonnenschein wie die drei Tage Benedikt XVI. in Österreich - ohne dass sie damit ins Wasser gefallen wäre. Wetterfest demonstrierten vor allem die über 30.000 Pilger von Mariazell Glaubenstreue, Marienfrömmigkeit und Papstbegeisterung.

 (DR)

Eindringlicher Europa-Appell
In Erinnerung bleiben wird die Pilgerreise des Papstes durch deutliche Botschaften und vor allem durch den eindringlichen Europa-Appell. Und noch nicht abzusehen ist, ob und wie das Kirchenoberhaupt durch seine freundlichen, wenn auch entschiedenen Worte einer von manchen Konflikten und Skandalen belasteten Ortskirche Rückenstärkung geben konnte.

Es sollte eine Pilgerreise sein und kein politischer Besuch, darauf legte Benedikt XVI. von Anfang an großen Wert. Er kam als Pilger zur 850-Jahr-Feier des Nationalheiligtums Mariazell. Aber klar war auch, dass eine Visite im "Brückenland" Österreich und ein Besuch in Mariazell, das seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder seine völkerverbindende Rolle zwischen Ost und West wahrnimmt, nicht ohne gesellschaftliche Relevanz sein würde.

Lebensschutz und Kinderfreundlichkeit
Das galt besonders für seine Rede vor Diplomaten, UN-Funktionären und Politikern in Wien. Das "Haus Europa" müsse auf gemeinsamen kulturellen und moralischen Werten errichtet werden, so das Kirchenoberhaupt. Es dürfe seine christlichen Wurzeln nicht leugnen. Europa müsse eine Führungsrolle im Einsatz für Frieden und im Kampf gegen Armut wahrnehmen. Es müsse internationale Solidarität beweisen, solle sich in Darfur wie in Nahost einsetzen, im Kampf gegen Aids, aber auch gegen ungerechte Ausbeutung natürlicher Ressourcen und gegen Waffenhandel.

Gleichzeitig forderte Benedikt XVI. Lebensschutz und Kinderfreundlichkeit und erteilte Abtreibung und aktiver Sterbehilfe eine Absage. Für Diskussionen sorgte, welche Konsequenzen aus der Mahnung des Papstes abzuleiten seien, die in der österreichischen "Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht" nicht aufzuweichen.

Benedikt XVI. ging auch auf weitere drängende Themen ein: auf Kindersoldaten, Kinderarmut und Kindesmissbrauch, auf Egoismus und Menschenverachtung. Bei der großen Messe im Wiener Stephansdom forderte er den Erhalt des Sonntags als Ruhe- und Feiertag, als Mitte des Lebens und "wöchentliches Schöpfungsfest". Der Papst unterstützte damit eine bunte Allianz von Kirchen, Gewerkschaften und Parteien. Weiter begrüßte und forderte er das soziale Engagement der Christen, vor allem im Ehrenamt.

Erste eigentliche Pastoralreise in Europa
Diese erste eigentliche Pastoralreise in Europa galt einem Land an der Nahtstelle zwischen Ost und West, dessen Gesellschaft und Kirche vor ähnlichen Problemen wie die meisten westlichen und inzwischen auch etliche östliche Länder des Kontinents stehen. Die Botschaft dieser drei Tage richtete sich damit über Wien und Mariazell hinaus an den übrigen Kontinent. Ökumene und interreligiöser Dialog waren bei der Pilgerreise nicht vorgesehen
- dafür fehlte auch, so der Papst, die Zeit.

Er nutzte freilich die Begegnung mit dem evangelischen Superintendenten Paul Weiland, der ihm als Grußgeste der zeitgleichen Ökumenischen Versammlung im rumänischen Sibiu bei der Vesper in Mariazell eine große Kerze überreichte, zu einem herzlichen und langen Dank. Und zuvor traf der Papst aus Deutschland vor dem Schoah-Monument am Wiener Judenplatz mit der Leitung der jüdischen Gemeinde zusammen - die dabei das Kaddisch-Gebet sprach.

Benedikt XVI. zeigte sich in Wien nicht als der strenge Glaubenswächter früherer Jahre, sondern als verständnisvoller Hirte der Weltkirche. Er ermutigte und bestärkte die Kirche zwischen Bodensee und Burgenland im Glauben und wurde begeistert begrüßt - auch wenn der Regen manchen Besucher abgehalten haben dürfte.

Neue Akzente
Benedikt XVI. setzte auch neue Akzente. Die Kirche sei etwas anderes als ein Moralsystem und eine Serie von Forderungen und Gesetzen, hob er hervor. Die Zehn Gebote deutete er nicht als Sammlung von Verboten - sondern als Verpflichtung: für die Familie, für das Leben, für Wahrheit. Neu war in dieser Form auch die Forderung nach mehr Glaubwürdigkeit, die die Kirche gegenüber Frauen in Konfliktsituationen zeigen müsse.

In keiner seiner Reden ging Benedikt XVI. auf die Konflikte der vergangenen Jahre ein: auf den früheren Wiener Kardinal Hans Hermann Groer (1995) oder die Sex-Affäre im Priesterseminar von Sankt Pölten (2004). Dass sich die Kirche Österreichs von den Skandalen erholt hat, geht vor allem auf den Kurs des derzeitigen Wiener Oberhirten Kardinal Christoph Schönborn zurück. Dieser erwies sich als souveräner Gastgeber - und Benedikt XVI. machte deutlich, dass er seinen Wiener Erzbischof schätzt und auch in Zukunft auf seinen Kurs setzt.