Österreich-Besuch: Aufenthalt in Mariazell geht nach Gottesdienst und Vesper zu Ende

Papst-Appell an Europas Christen

Ein großer Gottesdienst im Wallfahrtsort Mariazell war am Samstag Höhepunkt des dreitägigen Österreich-Besuchs von Papst Benedikt XVI. In erneut strömendem Regen feierte das Kirchenoberhaupt mit mehr als 30.000 Pilgern den 850. Jahrestag der Gründung des steirischen Marienortes. In seiner Predigt rief Benedikt zu einem entschiedenen Bekenntnis zu Christus auf. - Bei der anschließenden Vesper mahnte der Papst Priester und Ordensleute zu Glaubenstreue.

 (DR)

Papst mahnt Priester und Ordensleute zu Glaubenstreue
Papst Benedikt XVI. hat in Mariazell für eine "tiefgreifende Erneuerung des Glaubens und Lebens" in Österreich gebetet. Priester und Ordensleute rief er in einem Abendgottesdienst in der Wallfahrtsbasilika zur Treue zu ihren Gelübden auf. Gegen die "Irrlichter" der aktuellen Gesellschaft mahnte das Kirchenoberhaupt zu tätiger Solidarität.

Mit der feierlichen Vesper endete der Besuch Benedikt XVI. in Mariazell, dem erklärten Höhepunkt der dreitägigen Österreich-Reise. Am Sonntagabend reist der Papst von Wien aus nach Rom zurück. Zuvor feiert er die Sonntagsmesse im Stephansdom und besucht die Zisterzienserabtei Heiligenkreuz.

Der Papst rief Priester und Ordensleute, Diakone und Seminaristen auf, gegen versteckte und offene Ungerechtigkeit sowie gegen eine sich ausbreitende Menschenverachtung aufzustehen: "Ihr steht auf der Seite jener, die nie Liebe erfahren haben, die an das Leben nicht mehr zu glauben vermögen." Weiter forderte er: "Lasst euer Licht hineinleuchten in unsere Gesellschaft, in die Politik, in die Welt der Wirtschaft, in die Welt der Kultur und der Forschung."

Ehelosigkeit gegen den "Kult der Individualität"
Nachdrücklich mahnte Benedikt XVI. die Männer und Frauen, ihren bei der Weihe gegebenen Versprechen der Armut, der ehelosen Keuschheit und des Gehorsams treu zu bleiben. Die Frage der Armut und der Armen müsse für alle Christen, besonders aber für Priester und Ordensleute "immer wieder Inhalt einer ernsten Gewissensprüfung sein". Wer Christus nachfolgen wolle, müsse entschieden auf materielle Habe verzichten und die Nähe Gottes zu den Armen bezeugen.

Die frei gewählte Ehelosigkeit nannte der Papst ein Zeichen uneigennütziger Liebe inmitten eines "Kultes der Individualität", von Gier, Egoismus, Nicht-Warten-Können und Konsumhunger. Priester und Ordensleute gelobten nicht Individualismus und Beziehungslosigkeit, sondern stellten sich vorbehaltlos in den Dienst des Reiches Gottes.

Das Gehorsamsgelübde habe nichts zu tun mit Fremdbestimmung und Selbstverlust, betonte das Kirchenoberhaupt. Gegenüber einem verbreiteten Verlangen nach Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung bedeute die christliche Hingabe an den Willen Gottes den Weg zu einer tiefen Identität und inneren Freiheit. Dieser Gehorsam müsse jedoch auch "ganz konkret und praktisch demütig-kirchlicher Gehorsam sein".

Gottesdienst am Morgen
Viele der 30.000 Gläubigen beim Gottesdienst am Morgen verfolgten das Geschehen auf dem Vorplatz der Basilika über Großbildschirme an verschiedenen Plätzen des Ortes. Spekulationen über ein Verkehrschaos aufgrund der schlechten Witterung bewahrheiteten sich nicht.

In seiner Predigt rief Benedikt zu einem entschiedenen Bekenntnis zu Christus auf. Die "Resignation der Wahrheit gegenüber" sei der Kern der Krise Europas, so der Papst. Es reiche nicht, "irgendwie so zu sein und zu denken wie alle anderen". Ohne die Unterscheidung zwischen Gut und Böse würden auch wissenschaftliche Fortschritte zweischneidig und könnten zu furchtbaren und zerstörerischen Bedrohungen werden.

Benedikt XVI. nannte Jesus Christus die einzige Brücke zwischen Gott und Mensch und den "einzigen für alle gültigen Heilsmittler". Das bedeute aber weder eine Verachtung der anderen Religionen noch eine Absolutsetzung des eigenen Denkens. Es handele sich um "das Ergriffensein von dem, der uns angerührt hat und uns beschenkt hat, damit wir auch andere beschenken können".

Zwei tote Pilger
Am Ende der Messe betete Benedikt XVI. für die Opfer der Hochwasserschäden in Österreich. Er sei sicher, dass alle, die von ihren Notlagen erführen, "Solidarität zeigen und ihnen helfen werden". Zugleich gedachte der Papst zweier Pilger, die am Morgen vor seiner Ankunft in Mariazell gestorben waren. Ein 83-jähriger Steirer erlag einem Herzinfarkt, ein anderer 80-jähriger Mann einem Kreislaufversagen.

Vor dem Gottesdienst auf dem Vorplatz der Basilika hatte sich Benedikt XVI. in die Gnadenkapelle begeben, um vor der alten Lindenholzmadonna zu beten. Die Kapelle mit der romanischen Marienstatue gilt als Nationalheiligtum Österreichs und hat Bedeutung über die Landesgrenzen hinaus. Auf den letzten Metern in die Kirche übernahm der Papst einen hölzernen Pilgerstab. Die Geste sollte den Charakter seiner Reise als Wallfahrt unterstreichen.

Kapellari: Geistlich wetterfeste Christen
In seiner Begrüßung nahm der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari Bezug auf das schlechte Wetter und würdigte die Begeisterung der Pilger. Ernsthafte Christen seien "geistlich wetterfest" und müssten manchmal auch "leiblich wetterfest" sein.

Kapellari begrüßte die Teilnehmer aus vielen Ländern und besonders die Vertreter der Ökumene, "im Gedenken an die zeitgleich stattfindende Dritte Europäische Ökumenische Versammlung" im rumänischen Sibiu (Hermannstadt).

Wegen des anhaltend schlechten Wetters konnte der Papst nicht wie geplant mit dem Helikopter von Wien anreisen, sondern machte sich in einem Autokonvoi auf den Weg. Das Mittagessen nutzte Benedikt XVI. zu einer Begegnung mit den österreichischen Bischöfen. Am Nachmittag steht eine Marienvesper in der Wallfahrtsbasilika auf dem Programm. An dem Gebetsgottesdienst mit dem Papst nehmen vor allem Priester, Ordensleute und Priesterseminaristen teil. Am Abend reist Benedikt XVI. zurück nach Wien, wo seine siebte Auslandsreise am Sonntag zu Ende geht.