Angst vor Einsamkeit in der Weihnachtszeit

Zwischen Traurigkeit und Trost

Laut einer aktuellen Umfrage fürchtet jeder zweite Deutsche einen Advent und ein Weihnachtsfest in Isolation. Viele haben Angst vor Einsamkeit. Der Psychologe Günter Bergmann kennt einen Weg, wie man mit solchen Befürchtungen umgehen kann.

Einsamkeit an Weihnachten / © tommaso79 (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Die Hälfte der Bundesbürger rechnet laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov mit einem Weihnachten in der Isolation. Kann etwas Eigeninitiative, wie einen eigenen kleinen Adventsmarkt zu organisieren, bei der Problematik schon helfen?

Günter Bergmann (Diplom-Psychologe): Das ist wirklich eine ganz herausragende Idee. Einen kleinen Adventsmarkt könnte man auch ein bisschen wie ein Ritual gestaltet. Das wäre ein prima Sache.

DOMRADIO.DE: Wir sind es ja schon mittlerweile gewohnt, dass in diesem Jahr ganz viel aufgrund der Pandemie ausfällt. Warum macht die Advents- und Weihnachtszeit nochmal so einen gefühlsmäßigen Unterschied?

Bergmann: Weil sie unsere persönlichen Beziehungen in den Vordergrund rückt. Insbesondere die familiären Beziehungen, die vielleicht übers Jahr hin nicht so intensiv gepflegt werden können. Da kommen die Kinder zu Besuch, da wird die Oma mit nach Hause geholt und so weiter. Wenn das nicht geht, dann macht das den Menschen sehr zu schaffen.

DOMRADIO.DE: Inwieweit können Familien es als Chance nutzen, dass die Feier in einem kleineren Kreis stattfinden und alles ein bisschen anders gefeiert wird?

Bergmann: Das ist zunächst eine Haltungssache. Die einen oder anderen haben in der Richtung schon Erfahrungen gemacht. Es gibt durchaus auch Umfragen, die zeigen, dass es eine ernste Minderheit gibt, die die Zeit der Corona-Einschränkungen im Privaten auch genießen kann und dabei mehr Qualität erlebt. Das ist aber schon was besonderes.

DOMRADIO.DE: Können sich daraus aber vielleicht auch neue Traditionen entwickeln?

Bergmann: Das ist eine ganz spannende Frage, aber da möchte ich mich als Augur nicht betätigen. Ich glaube aber, dass wir mit Sicherheit irgendwelche prägenden Veränderungen erleben werden in den nächsten Jahren. Wir haben noch eine ganze Weile vor uns, was die Prognosen angeht.

DOMRADIO.DE: Jetzt sagen die Befragten in der Umfrage, dass sie Gefühle wie Sorge, Unbehagen und Traurigkeit empfinden. Wie helfen Sie in Ihrer Beratungsstelle Menschen, die mit diesen Gefühlen zu Ihnen kommen?

Bergmann: Das allererste ist natürlich, da zu sein und einfach Raum zu geben. Man muss schauen, dass sie ein bisschen Struktur in ihren Alltag reinkriegen, auch in der Advents- und Weihnachtszeit.

Man entwickelt eine Idee, man versucht irgendwie einen Rahmen hinzukriegen. Die Bedürfnisse nach Kontakt, Nähe und Raum stimmen traurig und geben gleichzeitig der Traurigkeit und Trost Platz.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR