Auf den Philippinen herrscht seit September "Weihnachtswahnsinn"

Doch keine Spur vom "Fest der Liebe"

Auf den mehrheitlich katholischen Philippinen wird Weihnachten exzessiv vier Monate lang gefeiert. Für die Armen und Opfer des Drogenkriegs gibt es zum Fest des Friedens und der Liebe nichts zu feiern. Dafür sorgt die Politik Dutertes.

Autor/in:
Michael Lenz
Straßenhändlerin mit Weihnachtsschmuck in Manila / © Michael Lenz (KNA)
Straßenhändlerin mit Weihnachtsschmuck in Manila / © Michael Lenz ( KNA )

Im Rathaus des Armenviertels Bagong Silangan in Quezon City werden Weihnachtsgirlanden aufgehängt; mannshohe Nikolausfiguren stehen in allen Ecken oder baumeln von der Decke. Aus dem Pfarrhaus gegenüber klingen laut "Glohohoriaaa" und andere Weihnachtslieder.

Diese Szene spielte sich schon Mitte September ab. "Bei uns auf den Philippinen sind die BER-Monate die Weihnachtszeit", sagt grinsend Gilbert Billena, katholischer Gemeindepfarrer in Bagong Silangan. "Das sind September, Oktober, November und Dezember."

Kitsch und Weihnachtshits

So kramten schon im September die schicken Shopping-Malls in Manila ihre Weihnachtsdekoration hervor. Auf überladenen Verkaufsständen werden seitdem Plastiktannenbäume, kitschig-bunte Weihnachtskugeln und blinkende Lichterketten feilgeboten. Weihnachtshits wie "White Christmas" dröhnen aus den Lautsprechern, und in den Straßen der tropischen Metropole prangen voll bemannte Krippen.

Bei weitem aber nicht jeder auf den konfliktreichen Philippinen freut sich auf das Fest der Liebe und des Friedens. "Wie kann ich Weihnachten ohne Aldrin feiern", sagt Nanette Castillo bitter. Ihr Sohn Aldrin, 32, wurde am 2. Oktober 2017 als angeblicher Drogenkrimineller von der Polizei erschossen. Aus Versehen, wie die Polizei später der entsetzten Mutter mitteilte.

Aldrin ist einer von geschätzten 27.000 Toten im Drogenkrieg von Präsident Rodrigo Duterte. 5.000 dieser außergerichtlichen Tötungen gesteht die Polizei offiziell ein. Mehr als 22.000 gehen auf das Konto anonymer Todesschwadronen. Die Mehrheit der Philippiner ficht die Trauer und die Wut vieler tausend Landsleute nicht an, deren Angehörige Opfer des Drogenkriegs geworden sind. Mehr als 70 Prozent der Philippiner unterstützen laut jüngsten Umfragen den Drogenkrieg.

Duterte greift Kirche an

Seine Kritiker diffamiert Duterte wahlweise als Kommunisten, Hurensöhne und Drogenkriminelle, oder er droht ihnen mit Gewalt. Zuletzt griff Duterte den katholischen Bischof Pablo Virgilio David an, den schärfsten kirchlichen Kritiker des Drogenkriegs. Der Bischof von Kalookan konsumiere vermutlich selbst Drogen, schwadronierte der Präsident.

Während katholische und protestantische Bischöfe, Ordensleute und Menschenrechtsaktivisten das brutale Vorgehen gegen echte und vermeintliche Drogenkriminelle kritisieren und über die ökumenische Widerstandsgruppe "Rise Up" den Familien der Opfer beistehen, unterstützen viele Gemeindepfarrer den Drogenkrieg, weiß Jayeel Cornelio. Duterte werde als von Gott auserwählter Richter gesehen, der den konfliktgeplagten Philippinen endlich Gerechtigkeit bringe, auch wenn er dafür Tote in Kauf nehmen müsse, so der Religionssoziologe von der katholischen Ateneo-Universität in Manila.

Das habe seine kürzlich veröffentlichte Studie über die Unterstützung des Drogenkriegs durch Christen ergeben. "In dieser Situation verlassen sich die Gläubigen lieber auf ihre Gemeindepriester als auf Bischöfe", sagt Cornelio.

Weihnachten ein dreigeteiltes Volk

Zu Weihnachten sind die Philippiner ein dreigeteiltes Volk. Die einen feiern, die anderen trauern. Wieder andere darben. Mit einem Wirtschaftswachstum von 6,7 Prozent stehen die Philippinen gut da. Gleichzeitig aber wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer tiefer. Hinzu kommt die mit 6,8 Prozent höchste Inflationsrate Asiens.

Leidtragende der Teuerung sind besonders die Armen, bei denen zu Weihnachten Schmalhans Küchenmeister sein wird. Aber auch die Mittelklasse beginne zu sparen, warnen Wirtschaftsexperten. Das ist ein Alarmzeichen für ein Land, in dem der private Konsum rund 70 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmacht.

Nanette Castillo lebte in Tondo, einem bitterarmen Viertel Manilas. Nach der Ermordung ihres Sohnes wurde die 50-Jährige zu einer streitbaren Aktivistin in der Gruppe von Müttern, die zusammen mit Rise Up gegen den Drogenkrieg zu Felde ziehen. Deshalb musste sie Tondo verlassen. "Die Polizei bedrohte mich und meine Familie." Weihnachten will Castillo erst wieder feiern, wenn "die Mörder meines Sohnes zur Verantwortung gezogen wurden".


Präsident Duterte führt einen harten Anti-Drogen-Krieg  / © Str (dpa)
Präsident Duterte führt einen harten Anti-Drogen-Krieg / © Str ( dpa )
Quelle:
KNA