Bischof Karl-Heinz Wiesemann

12. Dezember

Auch 2011 haben deutsche Kardinäle, Bischöfe und Weihbischöfe für domradio.de ihre Gedanken zum Advent aufgezeichnet. Sie erzählen von Geschehnissen, die ihnen in diesem Jahr besonders in Erinnerung geblieben sind, von Situationen, die die Welt bewegt haben, von Ereignissen, die noch bevorstehen und natürlich von der Vorfreude auf Weihnachten. Heute mit Bischof Karl-Heinz Wiesemann aus dem Bistum Speyer.

 (DR)

"In diesem Jahr hat das Bistum Speyer mit einer großen Festwoche das 950-jährige Jubiläum der Weihe seines Domes gefeiert. Das romanische Gotteshaus, Grablege der salischen Kaiser und Weltkulturerbe, beeindruckt die vielen Besucher nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch die Geschichtsträchtigkeit. Jeder einzelne Stein des erhabenen Domes verweist auf einen lebendigen Stein; auf die unzähligen Beterinnen und Beter, die ihre Hoffnung und Freude, ihre Sorgen und Mühen hier vor Gott gebracht haben und immer wieder bringen. Die Lebendigkeit unserer Kirche, die sich in großartiger Weise bei all den Feierlichkeiten gezeigt hat, ist für mich als Bischof ein Hoffnungszeichen für das kommende Jahr und die Zukunft. Dafür bin ich dankbar.

Aus lebendigen "Steinen" und Figuren bestand auch die erste Weihnachtskrippe. Im Jahre 1223 wurde sie in Greccio in Italien nicht wie heute üblich aufgestellt, sondern gefeiert. Franz von Assisi hat der Legende nach das Weihnachtsevangelium dort in der Kirche erstmals in Form einer lebendigen Krippe darstellen lassen und so den Anstoß gegeben für die wunderbare Krippen-Tradition der Versinnbildlichung des Weihnachtsgeschehens, die jedes Jahr neu jung und alt fasziniert. Der Blick auf die Krippe kann uns helfen bei allem Kitsch und Kommerz, den das Weihnachtsfest umgibt, den eigentlichen Kern nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist gut, sich zum Fest die ursprüngliche Botschaft in ihrer Schlichtheit, Erhabenheit und Kraft bewusst zu machen. Wir alle kennen den Anfang der Weihnachtsgeschichte: "In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen." Das will sagen: Was jetzt verkündet wird, ist in unsere Lebenswirklichkeit hineingesprochen, ist nicht Traum oder Einbildung. Und dann wird in ganz wenigen Sätzen das Drama entwickelt, wie der Gottessohn auf unserer Erde ankommt: abgewiesen von den Menschen, entbunden in eben dieser einfachen Krippe. Nur Hirten, die auf dem Feld lagern, kommen zur Krippe, empfangen die unglaubliche Botschaft der Menschwerdung Gottes. Engel, kraftvolle Boten Gottes, erscheinen: "Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, Christus, der Herr."

Kaum eine andere Geschichte vermag es, in solcher Kürze und Prägnanz so viele Bilder der Sehnsucht und des Glücks in den Herzen der Menschen zum Aufleuchten zu bringen. Wir beginnen zu staunen über den Gott, der die Größe besaß, sich ganz klein zu machen, damit wir das einzig Entscheidende lernen: die Liebe.



Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne eine gute Adventszeit und ein gesegnetes, friedvolles und vor allem liebevolles Weihnachtsfest."