Adveniat analysiert Ende der Castro-Ära in Kuba

Zwei Brüder und ein blasser Unbekannter

Auf Kuba geht in diesen Tagen eine Ära zu Ende. Fast 60 Jahre hatte das Castro-Regime die Insel fest in seiner Hand: Erst der legendäre Revolutionsführer Fidel und seit 2008 sein Bruder Raúl. Das Hilfswerk Adveniat mit einem Rück- und Ausblick.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Raúl Castro, der Bruder des langjährigen Revolutionsführers Fidel, gibt die Macht ab. Nach zwei Amtsperioden stellt er sich an diesem Donnerstag nicht mehr zur Wiederwahl für das höchste Amt im Staate. Was bedeutet dies für das Land?

Martin Hagenmaier (Kuba-Referent beim katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat): Zunächst gibt es ein neues Gesicht, eine neue Person, die dann dem Land vorstehen wird. Aber das ist natürlich auch eine Zeitenwende. Die Generation, die die Revolution durchgeführt hat, ist damit zum ersten Mal nicht mehr an der Regierung - auch wenn es eine Wende in Raten ist. Raúl Castro bleibt nämlich noch Vorsitzender der Partei und wird auch noch weiter mitmischen, wenn es um die Regierungsbildung geht.

DOMRADIO.DE: Als sein Nachfolger wird voraussichtlich der bisherige Vize Miguel Díaz-Canel bekannt gegeben. Wofür steht der?

Hagenmaier: Er ist bisher noch sehr blass. Er tritt immer wieder in Erscheinung und wurde gezielt auch in der Gesellschaft vorgestellt. Er macht als Vizepräsident viele Vertretungen bei Veranstaltungen, hält sich aber sehr in seinen politischen Äußerungen zurück. Wenn er etwas sagt, dann ist es sehr klar auf der Linie der Partei.

DOMRADIO.DE: Anders als es in manchen westlichen Medien dargestellt wird, waren Fidel Castro und sein Bruder nicht unbedingt dumpfe Diktatoren. Welche Bilanz ziehen sie von 59 Jahren Castro-Regierung?

Hagenmaier: Es ist natürlich nicht einfach, in wenigen Sätzen eine Bilanz für so eine Zeit zu ziehen, die ja auch politisch und außenpolitisch geprägt war. Aber man kann sagen, es wurde einiges erreicht. Es wurde eine neue Form des Sozialismus eingeführt, man spricht auch von einem tropischen oder karibischen Sozialismus, der sich auch von dem unterscheidet, was in anderen Ländern, vor allem in der damaligen Sowjetunion praktiziert wurde.

Es gab mehr Gerechtigkeit, eine bessere Verteilung und die Unterschiede zwischen arm und reich wurde weitgehend aufgehoben. Es gab ein Bildungssystem für alle, es wurde ein Gesundheitssystem eingeführt und es wurde auch der Rassismus zum größten Teil überwunden.

Gleichsam gab es natürlich sehr schwierige Phasen. Es begann mit der Spezialperiode, als der Ostblock zusammengebrochen ist und auch die finanziellen Unterstützer aus dem Ausland weggebrochen sind.

Heute ist die Bevölkerung sehr arm. Also am Ende der Castro-Ära ist die Entwicklung, wie man sie erhofft hatte, nicht eingetreten. Die Menschen leben von einem Gehalt von unter 30 Euro im Monat. Das reicht in Kuba auch nicht zum Leben. Das heißt, die Leute müssen wirklich um das Überleben kämpfen. Das sind einige der Schwierigkeiten.

Aber das hatte sich im Grunde schon vorher abgezeichnet, auch als Raúl Castro die Macht übernommen hat. Er hat bereits mit Reformen begonnen, um die Situation wieder zu verbessern.

DOMRADIO.DE: Was sind die größten Herausforderungen für den Nachfolger, die er auf Kuba jetzt bewältigen muss?

Hagenmaier: Die Hauptaufgaben liegen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich, denn beides hängt miteinander zusammen. Kuba hat zwei Währungen, eine Divisen-Währung und eine nationale Währung. Das heißt, die nationale Währung ist so wenig wert, dass man kaum etwas davon kaufen kann. Die meisten Güter müssen aber in Devisen-Währung gekauft werden. Diesen Dualismus zu überwinden, ist eine der wichtigen Aufgaben, die unmittelbar bevorsteht.

Aber auch die Reformen, die Raúl Castro vorsichtig eingeführt hat, weiterzuführen, ist eine wichtige Aufgabe, damit es dem Land in Zukunft besser geht. Dazu gehören natürlich auch die Öffnung für Investitionen und eine stärkere Öffnung in allen Bereichen.

DOMRADIO.DE: Die Castros haben aber auch Jahrzehnte die politischen Freiheiten ihrer Bürger mit Füßen getreten. Es gab keine Meinungsfreiheit, Opposition war gefährlich. Wird sich das jetzt ändern? Werden die Kubaner jetzt frei?

Hagenmaier: Zunächst wird sich nicht viel ändern. Das System bleibt das gleiche. Man kann davon ausgehen und hoffen, dass die vorsichtigen Änderungen, die bereits begonnen haben, auch fortgeführt werden. Es gibt die große Öffnung und das Aufeinanderzugehen mit den USA, was auch zu mehr Reisefreiheit geführt hat.

Es wurden verschiedene Dinge bereits vorangetrieben. Auch die Einführung des Internets ist einer dieser Wege. Es gibt eine vorsichtige Presse vor Ort, vor allem im Internet und Blogs. Aber das ist natürlich nicht das, was wir unter Meinungsfreiheit verstehen.

DOMRADIO:DE: Im kommunistischen Kuba hatte es die katholische Kirche schwer. Erst seit den 1990er Jahren hat sie zaghafte Zugeständnisse erlangt, zum Beispiel Kirchenbauten oder Prozessionen. Was bedeutet das Ende der Castro-Ära jetzt für die Kirche? Was erhoffen sich die Katholiken?

Hagenmaier: Für die Kirche - und dort besonders für die leitenden Personen - ist es wichtig, auch im Dialog mit der Gesellschaft zu sein, sodass die Kirche ihre Aufgabe in der Gesellschaft wahrnehmen kann. Es gehört nicht nur dazu, dass sich die Gemeinde für sich treffen kann, sondern sie hat ja auch eine soziale Aufgabe, mit den Menschen zusammen zu sein, zu wirken.

Es gibt viele soziale Dienste, die die Kirche auch heute schon vorsichtig machen kann. Da geht es darum, diese auch weiterhin auszuüben. Adveniat unterstützt das kräftig, auch die Kirche vor Ort, insbesondere wenn es Notlagen gibt, wie bei der Hilfe für alte Menschen oder über die Caritas oder im letzten Jahr mit dem Hurrikan, die ja hier immer wieder vorkommen. Da gibt es sehr viel zu tun.

Da existiert eine Möglichkeit, wo die Kirche sehr eng mit der Regierung zusammenarbeitet, um die unmittelbare Not zu überwinden.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Das Ende der Castro-Ära in Kuba: Raul und Fidel (l.) Castro (Archiv Jahr 2004) / © Alejandro Ernesto (dpa)
Das Ende der Castro-Ära in Kuba: Raul und Fidel (l.) Castro (Archiv Jahr 2004) / © Alejandro Ernesto ( dpa )

Franziskus trifft Raul Castro / © Tony Gentile (dpa)
Franziskus trifft Raul Castro / © Tony Gentile ( dpa )

Fidel Castro begrüßt Papst Johannes Paul II.  / © Anton Fuchs (KNA)
Fidel Castro begrüßt Papst Johannes Paul II. / © Anton Fuchs ( KNA )

Miguel Diaz-Canel / © Orlando Barría (dpa)
Miguel Diaz-Canel / © Orlando Barría ( dpa )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema