Chávez bleibt Präsident in Venezuela

Staatschef mit Sendungsbewusstsein

Er ist polemisch, autoritär und immer für eine Überraschung gut: Venezuelas linker Präsident Hugo Chávez bescherte seinem Land eine turbulente Zeit. Nach fast 14 Jahren im Amt schaffte er nun die Wiederwahl. Im domradio.de-Interview spricht Reiner Wilhelm von Adveniat über den Wahlausgang.

Autor/in:
Jürgen Vogt
 (DR)

Er sei froh, dass es nach der Verkündigung des Wahlergebnisses ruhig geblieben ist. Bei einem Sieg der Opposition wäre ein Bürgerkrieg nicht auszuschliessen gewesen, sagte Reiner Wilhelm am Montag. Er ist Länderreferent für Venezuela beim Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland. "Das Land ist nach wie vor sehr polarisiert", warnt Wilhelm.



Vor allem die ärmeren Bürger schwören auf Chávez

Vor allem die ärmeren Bürger im Erdölland Venezuela schwören auf Chávez und seinen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Seine sonntägliche Fernsehshow "Aló, Presidente" war legendär. Mit stundenlangen Tiraden zog Venezuelas Präsident Hugo Chávez viele Zuschauer in den Bann. Seine Anhänger bejubelten die polemischen Attacken gegen die USA, seine Gegner wandten sich entsetzt ab. Cháv hat ein Sendungsbewusstsein, das bis heute wirkt: Am Sonntag wurde der 58-jährige Sozialist für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt.



Nach Auswertung von 90 Prozent der Stimmen erhielt der sozialistische Präsident bei der Wahl am Sonntag rund 54 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer Henrique Capriles kam auf knapp 45 Prozent der Stimmen. Zu der Wahl waren 18,8 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen Die Wahlbeteiligung lag bei rund 81 Prozent. Der Wahlverlauf war friedlich. Die befürchteten gewalttätigen Auseinandersetzungen nach der Bekanntgabe des Ergebnisses blieben bisher aus.



Chávez erklärte sich vor Tausenden seiner Anhänger zum Sieger. "Heute beginnt ein neues Zeitalter der bolivarianischen Revolution", sagte der 58-Jährige, der seit 1999 im Amt ist. Für Chávez ist es der vierte Sieg bei einer Präsidentenwahl in Folge. Seine neue sechsjährige Amtszeit beginnt im Januar 2013 und endet 2019.



Oppositionskandidat Capriles hat bereits seine Niederlage eingeräumt

Oppositionskandidat Capriles räumte seine Niederlage ein. Man müsse verlieren können, um zu gewinnen, sagte der 40-Jährige seinen enttäuschten Anhängern. Für Capriles war es die erste Niederlage bei einer Wahl.



2009 hatte Chávez per Verfassungsänderung durchgesetzt, dass ein Staatschef beliebig oft kandidieren kann. Venezuela mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern lebt vom Öl. Chávez hat eine Verdoppelung der Förderung auf sechs Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Jahr angekündigt.



Als Sohn eines Dorfschullehrers stammt Chávez selbst aus kleinen Verhältnissen. Mit 17 Jahren beginnt Chávez seine militärische Laufbahn, die ihn bis zum Oberstleutnant führt. Damit verbunden ist sein politisches Engagement. 1994 macht er mit einem gescheiterten Putschversuch Schlagzeilen. Chávez übernimmt die Verantwortung und muss für zwei Jahre ins Gefängnis.



Doch er schafft ein Comeback über die Wahlurnen: Im Februar 1999 zieht Chávez erstmals als gewählter Staatschef in den Präsidentenpalast Miraflores ein. Mit 44 Jahren ist er der jüngste Präsident in der Geschichte Venezuelas.



Herrschaft von Chávez war turbulent

Nach einer Verfassungsänderung stellte er sich im Jahr 2000 vorgezogenen Neuwahlen, die er triumphal mit 59 Prozent der Stimmen gewinnt. Sechs Jahre später gewinnt er noch mehr Wähler: 2006 wird er mit 63 Prozent wiedergewählt. 2009 setzt er eine neue Verfassungsreform durch, die ihm eine unbegrenzte Wiederwahl ermöglicht.



Die Herrschaft von Chávez war turbulent. 2002 erhoben sich Teile des Militärs gegen ihn, verhafteten ihn und erklärten ihn für abgesetzt. Nach Massenprotesten kam Chávez wieder frei und kehrte ins Amt zurück. Ein Generalstreik der alten Gewerkschaften brachte das Land an den Rand des Chaos. Doch in einem Referendum zwei Jahre später votierte eine Mehrheit gegen die Absetzung des Präsidenten.



Chávez konnte weitermachen, aber die Ereignisse haben ihn geprägt und verändert. Immer mehr sprach er von einer bolivarischen Revolution im Geiste des südamerikanischen Freiheitshelden Símon Bolívar (1783-1830). Offenbar wächst sein Misstrauen gegenüber der eigenen Bevölkerung. Der Präsident lehnt sich mehr an Kuba an, leitet Verstaatlichungen ein, sein Regierungsstil wird autoritärer.



Chávez, zweimal geschieden und Vater von vier Kindern, gab im Juni 2011 bekannt, dass er an Krebs erkrankte. Er flog mehrfach zur Behandlung nach Kuba, verschwand wochenlang aus der Öffentlichkeit. Nach Chemotherapien meldete er sich mit Glatze und fülliger Statur zurück. Über seinen Gesundheitszustand wird seither heftig spekuliert. Chávez selbst verkündete Anfang Juli 2012, er habe den Krebs überwunden und sei völlig geheilt.