Die Bischöfliche Lateinamerika-Aktion Adveniat wird 50

In Köln fing alles an

"Ein halber Kontinent vertraut auf dich". Mit diesem Slogan warben vor 50 Jahren die katholischen deutschen Bischöfe erstmals um Spenden "für die seelsorglichen Bedürfnisse in
Lateinamerika": für jene sogenannten Entwicklungsländer, die mit unbeschreiblicher Armut, Hunger, Krankheiten und Bildungselend zu kämpfen hatten. Seit der ersten Sonderkollekte zu Weihnachten 1961 liefen in Essen bei Adveniat bislang 2,3 Milliarden Euro für Lateinamerika zusammen. Eine Erfolgsgeschichte gelebter Solidarität.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Der Kölner Weihbischof Manfred Melzer, Mitglied der Adveniat-Kommission, erinnerte an die Wurzeln der Bischöflichen Aktion in der Domstadt. Der damalige Kölner Kardinal Josef Frings hielt im Herbst 1960 als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz eine Rede über die Nöte der Kirche in Lateinamerika. Daraus erwuchs für 1961 eine zunächst als einmalig geplante Weihnachtskollekte, aus der das Lateinamerika-Hilfswerk und seine jährliche Weihnachtsaktion entstanden. Mit der Kölner Eröffnung kehre Adveniat nun sozusagen zu seinen Wurzeln zurück, so Melzer.



Geschäftsführer Bernd Klaschka beschreibt das Hilfswerk als bloßen "Kanal", der die Großherzigkeit der Menschen in Deutschland nach Lateinamerika bringe. Das klingt sehr technisch. Tatsächlich stehen dahinter sehr viel Menschlichkeit und Begegnung. Adveniat hat einen Namen: Hochrangige Kirchenvertreter aus Lateinamerika sind häufig in Essen zu Gast. Und wenn man in Guatemala oder Paraguay eine Armenhütte betritt, ist selbst dort der Name häufig bekannt. Abgeleitet ist er vom lateinischen "Adveniat regnum tuum" ("Dein Reich komme") - ein Motto, dem sich das Hilfswerk bis heute verpflichtet fühlt.



Theologie der Befreiung>

Ein ebenso zentrales wie heikles Kapitel in 50 Jahren Adveniat war die Theologie der Befreiung. In den 1970er und 80er Jahren, als marxistische und sozialistische Elemente einer "linken Theologie" das Verhältnis zwischen lateinamerikanischen Ortskirchen und dem Vatikan trübten und für massiven Gegenwind aus Rom sorgten, blieb Adveniat der "vorrangigen Option für die Armen" treu.



Viele Basisgemeinden, vor allem in Brasilien, seien auf vatikanisches Geheiß ausgeschaltet worden, bestätigt Geschäftsführer Klaschka. Viele Bischöfe hätten sich damals auch von der Forderung der Laien nach Mitsprache bedroht gefühlt und sie zum Schweigen gebracht. Den theologischen Kern der Befreiungstheologie, die "vorrangige Option für die Armen" und ihren Grundsatz "sehen - urteilen - handeln", habe sich die Kirchenleitung aber sehr wohl zu eigen gemacht.



Unterstützt durch Spenden aus Deutschland, setzt sich die Kirche Lateinamerikas auf vielen Ebenen für die Rechte der Benachteiligten ein. Adveniat hilft vor allem in der Seelsorge: beim Kirchbau, in der Priesterausbildung oder den Seelsorgern selbst - darunter auch Laien. Ein entscheidendes Kriterium zur Förderung sei, so die Organisation, ob sie den Armen zugutekommt.



Verschärfte Situation

In den vergangenen 50 Jahren habe sich zwar sehr Vieles entwickelt, bilanziert Klaschka. Doch gerade beim Thema Armut findet er bei Besuchen eine sogar noch verschärfte Situation vor. Vor allem in den Schwellenländern gebe es regelrechte Parallelgesellschaften, betont Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen. Angesichts der wachsenden Schere zwischen Arm und Reich drängt sich damals wie heute die Frage der Gerechtigkeit auf.



Vor allem drei große Herausforderungen macht Overbeck für die Zukunft aus: erstens die Bekämpfung der Armut, zweitens die Frage der Bildung als Schlüssel für soziale Entwicklung und drittens die Herausforderung durch die sogenannten Pfingstkirchen - jene Gruppierungen, Gemeinden und Sekten, die plakativ ein besseres Leben versprechen und der katholischen Kirche auf dem "katholischsten Kontinent" zunehmend "Marktanteile" abringen. Das Lateinamerika-Hilfswerk verdrießt das nicht: Ein halber Kontinent vertraut auf Adveniat - das gilt heute noch so wie vor 50 Jahren.