Die Bischöfliche Lateinamerika-Aktion Adveniat wird 50

"Ein halber Kontinent vertraut auf dich"

"Ein halber Kontinent vertraut auf dich". Mit diesem Slogan warben 1961 die katholischen Bischöfe erstmals um Spenden "für die seelsorglichen Bedürfnisse in Lateinamerika": Für jene Entwicklungsländer, die mit unbeschreiblicher Armut, Hunger, Krankheiten und Bildungselend zu kämpfen hatten. Seit der ersten Sonderkollekte liefen in Essen bei "Adveniat" bislang 2,3 Milliarden Euro für Lateinamerika zusammen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Geschäftsführer Bernd Klaschka beschreibt das katholische Hilfswerk als bloßen "Kanal, der die Großherzigkeit der Menschen in Deutschland nach Lateinamerika transferiert". Das klingt sehr technisch. Tatsächlich stehen dahinter sehr viel Menschlichkeit und Begegnung. Adveniat hat einen Namen: Hochrangige Gäste aus Lateinamerika sind häufig in Essen zu Gast. Und wenn man in Guatemala oder Paraguay eine Armenhütte betritt, ist selbst dort der Name häufig bekannt. Abgeleitet ist er vom lateinischen "adveniat regnum tuum" ("Dein Reich komme") - ein Motto, dem sich das Hilfswerk bis heute verpflichtet fühlt.



Ein ebenso zentrales wie heikles Kapitel in 50 Jahren Adveniat war die Theologie der Befreiung. In den 70er und 80er Jahren, als marxistische und sozialistische Elemente einer "linken Theologie" das Verhältnis zwischen lateinamerikanischen Ortskirchen und dem Vatikan trübten und für massiven Gegenwind aus Rom sorgten, blieb Adveniat der "vorrangigen Option für die Armen" treu.



Viele Basisgemeinden der 80er Jahre, vor allem in Brasilien, seien auf vatikanisches Geheiß ausgeschaltet worden, bestätigt Geschäftsführer Klaschka. Viele Bischöfe hätten sich damals auch von der Forderung der Laien nach Mitsprache bedroht gefühlt und sie zum Schweigen gebracht. Den theologischen Kern der Befreiungstheologie, die "vorrangige Option für die Armen" und ihren Grundsatz "sehen - urteilen - handeln", habe sich die Kirchenleitung aber sehr wohl zu eigen gemacht.



Prägende Persönlichkeiten

Prägende Persönlichkeiten wie der brasilianische Erzbischof Dom Helder Camara (1909-1999), sein 1980 in San Salvador ermordeter Amtsbruder Oscar Romero oder der peruanische Befreiungstheologe Gustavo Gutierrez (83) sind bis heute Ikonen des kirchlichen Ringens um Gerechtigkeit in Lateinamerika - und Zeugen für das Engagement von Adveniat.



Unterstützt durch Spenden aus Deutschland, setzt sich die Kirche Lateinamerikas auf vielen Ebenen für die Rechte der Benachteiligten ein. Adveniat hilft vor allem in der Seelsorge: beim Kirchbau, in der Priesterausbildung oder den Seelsorgern selbst - darunter auch Laien. Ein entscheidendes Kriterium zur Förderung sei, so die Organisation, ob sie den Armen zugutekommt.



In den vergangenen 50 Jahren habe sich zwar sehr Vieles entwickelt, bilanziert Klaschka. Doch gerade beim Thema Armut findet er bei Besuchen eine sogar noch verschärfte Situation vor. Vor allem in den Schwellenländern gebe es regelrechte Parallelgesellschaften, betont Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen. Angesichts der wachsenden Schere zwischen Arm und Reich drängt sich damals wie heute die Frage der Verteilungsgerechtigkeit auf.



Drei große Herausforderungen

Vor allem drei große Herausforderungen macht Overbeck für die Zukunft aus: erstens die Armutsbekämpfung, zweitens die Frage der Bildung als Schlüssel für soziale Entwicklung und drittens die Herausforderung durch die sogenannten Pfingstkirchen - jene Gruppierungen, Gemeinden und Sekten, die plakativ ein besseres Leben versprechen und der katholischen Kirche auf dem "katholischsten Kontinent" zunehmend "Marktanteile" abringen.



Und noch ein Faktor macht Adveniat das Leben nicht gerade leichter: Die mediale Inszenierung von Katastrophen, die von Erdbeben zu Überschwemmung und von Dürre zu Wirbelsturm weiterhastet, mobilisiert zwar viele Spenden für die Nothilfe - doch lässt sie unter dem Strich weniger Raum für den langfristigen Kampf gegen strukturelle Armut. Das Lateinamerika-Hilfswerk verdrießt das nicht: Ein halber Kontinent vertraut auf Adveniat - das gilt heute noch so wie vor 50 Jahren.