Adveniat-Geschäftsführer Klaschka zur jüngsten Haiti-Konferenz

"Die Menschen brauchen einen Ort, um ihren Glauben zu leben"

Das Beben ist längst vorbei, doch Haiti kommt noch immer nicht zur Ruhe. Über eine Million Menschen leben seit Monaten in Zeltlagern, vielerorts scheint die Hilfe nicht dort anzukommen, wo sie am dringendsten benötigt wird. Die Haitianische Bischofskonferenz hat deswegen nach Miami zu einer internationalen Konferenz geladen. Im Interview spricht Adveniat-Geschäftsführer Bernd Klaschka über die Ergebnisse des Treffens.

 (DR)

KNA: Prälat Klaschka, warum fand die Konferenz denn in Miami statt - und nicht in Haiti?

Klaschka: Angesichts der Zerstörung ist es noch immer nahezu unmöglich, eine solche Konferenz in Haiti abzuhalten. Deshalb sind wir der Einladung der US-Bischofskonferenz nach Miami gefolgt.



KNA: Ein Ergebnis der Konferenz ist ein gemeinsamer Aktionsplan. Was wird jetzt in Haiti gebraucht?

Klaschka: Mein Eindruck ist, dass es hier bei der Konferenz eine sehr große Bereitschaft gab, zu helfen. Alleine in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince sind 80 Prozent der Kirchen und Gemeindezentren zerstört. Wir wollen diese kirchliche Infrastruktur wieder aufbauen, um den Menschen zu helfen, ihre Traumata zu überwinden. Davon abgesehen ist vieles schief gelaufen; viele Zusagen wurden nicht in die Tat umgesetzt. Außerdem fehlt vielen Geberorganisationen das Vertrauen in die Verantwortlichen vor Ort. Ein wichtiger Punkt unseres Aktionsplans sieht deswegen vor, ein Gremium einzusetzen, das in Haiti den Wiederaufbau von Kirchen und Gemeindezentren nach technisch notwendigen Standards überprüft.



KNA: Wie sehen diese Standards aus?

Klaschka: Zunächst einmal müssen die Gebäude erdbebensicher gebaut werden. Wir müssen beispielsweise schauen, dass ausschließlich reiner Sand verwendet wird, der kein Salz enthält. Viele Häuser Haitis sind eingestürzt, weil bei ihrem Bau salzhaltiger Sand verwendet wurde, der den Beton nach und nach aufgefressen hat. Reiner Sand muss aus dem Gebirge beschafft werden. Das ist natürlich teurer, aber langfristig besser.



KNA: Noch immer leben über eine Million Menschen in Zeltlagern. Wäre es da nicht sinnvoll, ihnen zunächst ein Dach über dem Kopf zu geben und dann in Gemeindezentren zu investieren?

Klaschka: Es sollte keine "Entweder-Oder"-Entscheidung sein. Natürlich brauchen die Menschen Häuser, in denen sie leben können. Aber dafür existieren bereits genügend Initiativen. Wir wollen den Haitianern die Möglichkeit geben, ihren Glauben zu leben. Das gibt ihnen Kraft für den Wiederaufbau. Schließlich gehören über 65 Prozent der Bevölkerung der katholischen Kirche an. Und deren Gebäude und Einrichtungen waren gerade kurz nach der Katastrophe die wichtigsten Anlaufstellen für die Notleidenden.



KNA: Wieviel Zeit haben sie für den Wiederaufbau der kirchlichen Infrastruktur eingeplant?

Klaschka: Wir sprechen hier bei der Konferenz von drei Jahren, aber ich fürchte, es wird länger dauern. Man muss berücksichtigen, dass es sich um einen Prozess handelt und nicht um ein Projekt, das abschließend geplant werden kann. Allein die US-Bischofskonferenz will bis zu 60 Millionen US-Dollar beisteuern. Wir stehen vor einer großen Aufgabe.



KNA: Wird bei so viel millionenschwerer Hilfe von außen den Haitianern nicht die Möglichkeit genommen, selbst über den Aufbau ihres Landes zu entscheiden?

Klaschka: Die Haitianer sind die Protagonisten, sie setzen die Prioritäten - das ist ganz klar. Es wurde sogar institutionell abgesichert, dass die haitianischen Kirche über die Verteilung des Geldes entscheidet. Wir wollen, dass sie die Pläne machen. Und wir helfen ihnen dann bei der Ausführung.



Interview: Julia Grimminger