Bei der Geberkonferenz soll der Wiederaufbau in Gang kommen

Eine neue Zukunft für Haiti

In New York kommt heute die internationale Geberkonferenz für Haiti zusammen. Mehr als zwei Monate nach dem Erdbeben beklagen die UN geringe Spendenbereitschaft. Grundsätzlich wolle man helfen, schätzt Prälat Bernd Klaschka, Geschäftsführer der Bischöflichen Aktion Adveniat. Gegenüber domradio.de warnt er aber auch: "Die Gefahr ist da, dass Haiti wieder ein vergessenes Land wird."

 (DR)

Die Geberkonferenz für Haiti in New York soll nicht einfach den Wiederaufbau koordinieren und anschieben. Nach dem Willen der Vereinten Nationen, die die Schirmherrschaft übernommen haben, soll die Versammlung mit Vertretern von mehr als 100 Ländern den Weg in eine neue Zukunft des vollkommen zerstörten Karibikstaates ebnen.

Dafür sind nach Einschätzung der haitianischen Regierung knapp vier Milliarden US-Dollar in den kommenden 18 Monaten notwendig. Insgesamt rechnen die Geber mit einem Bedarf von 11,5 Milliarden Dollar für die kommenden Jahre. Denn zweieinhalb Monate nach dem Erdbeben vom 12. Januar, bei dem über 230.000 Menschen starben, fehlt es noch immer am Nötigsten.

700.000 leben in Zeltlagern.
Kurz vor Beginn der Regenzeit leben 700.000 Menschen in der Hauptstadt Port-au-Prince in Zeltlagern. Zugleich kommen die langfristigen Bedürfnisse der Bevölkerung zunehmend ins Blickfeld. Laut einer am Dienstag von Oxfam veröffentlichten Umfrage sind fehlende Jobs das derzeitige Hauptproblem. 26 Prozent von 1.700 Befragten klagten über einen Mangel an Erwerbsmöglichkeiten. An zweiter Stelle folgen fehlende Schulen (22 Prozent), erst an dritter Stelle die Unterkunftsnot (10 Prozent).

Mit den zunächst erbetenen vier Milliarden Dollar will Haitis Regierung 1.300 Schulen und mehr als 50 Krankenhäuser bauen. Rund ein Viertel der Summe werden alleine die USA aufbringen. Die EU-Kommission kündigte vergangene Woche einen Beitrag von 1,3 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre an.

Deutschland beteiligt sich nach Angaben der Bundesregierung mit 179 Millionen Euro (251 Millionen Dollar). Bislang wurden 18,5 Millionen Euro bereitgestellt. Hilfsorganisationen wie der Evangelische Entwicklungsdienst halten den deutschen Beitrag für zu gering. Einen Sonderfond des Bundes für Haiti lehnte der Haushaltsauschuss des Bundestags ab.

"Die chronischen Ursachen der Armut müssen bekämpft werden"
Es gehe nicht allein um die Geldsumme, die bei der Konferenz genannt werde, da Zusagen möglicherweise nicht eingehalten werden, sagte auch der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann. Die chronischen Ursachen der Armut müssten bekämpft werden, und das gehe nicht von heute auf morgen. "Deshalb soll Deutschland sich mit Mittelzusagen langfristig verpflichten."

Haitis Präsident René Preval betont, es genüge nicht, Schulen, Krankenhäuser und andere Gebäude wieder aufzubauen. Vielmehr müsse das Land jetzt die Chance nutzen, aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen. Dabei spricht er von einer "Neugründung" Haitis und will den Karibikstaat bis 2030 zum "aufstrebenden Schwellenland" machen. Unterstützung erhält er von Ex-US-Präsident Bill Clinton, seit dem Erdbeben UN-Sondergesandter für Haiti. "Dieses Land hat die beste Chance aller Zeiten, seiner Vergangenheit zu entkommen", sagte Clinton bei einem Haiti-Besuch vergangene Woche.

Skepsis herrscht indessen im Land selbst. Bereits vor dem Erdbeben war die Regierung nicht in der Lage, die Müllabfuhr zu organisieren oder genügend Schulen und Krankenhäuser bereitzustellen. Trotz jahrzehntelanger Entwicklungshilfe blieb Haiti das Armenhaus des amerikanischen Kontinents. Lebenserwartung, Unterernährung und Analphabetenrate sind auf dem Niveau des südlichen Afrikas.

Missmut vor Konferenz
Für Missmut sorgte in Haiti auch, dass bereits bei den Vorbereitungen zum New Yorker Gipfel ein Teil der Öffentlichkeit ausgeschlossen war. Nichtstaatliche Organisationen beklagten, nicht gehört worden zu sein. Regierung und internationale Geber hätten den 250 Seiten dicken Wiederaufbauplan unter sich ausgehandelt, ohne die Bevölkerung zu fragen, lautet eine weit verbreitete Klage. Auch das katholische Hilfswerk Misereor bemängelt dies. "Man kann nicht von einer wirklichen Teilhabe der haitianischen Gesellschaft beim Wiederaufbau sprechen", sagte Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon.

Viele Haitianer trauen ihrer Regierung nicht viel zu, wie auch die Umfrage von Oxfam zeigt. Die Reaktion der Behörden auf das Erdbeben bewerteten nur 13 Prozent als gut oder sehr gut. Werte über 50 Prozent erzielten hingegen ausländische Regierungen und Hilfsorganisationen. Kein Wunder, mehren sich in der Bevölkerung Stimmen, die offen ein ausländisches Protektorat für Haiti fordern, wahlweise unter US- oder UN-Führung. Das aber lehnen Regierung und internationale Geber einhellig ab.

Und doch will man die Verwaltung der zu erwartenden Milliarden nicht alleine Haitis Regierung überlassen. Auf der Konferenz soll darum eine Agentur gegründet werden, die sich aus Vertretern der Regierung und der Geldgeber zusammensetzt und die den Mittelstrom koordinieren, überwachen und darüber berichten soll.