Adveniat zur Rolle von Kirche und Glauben beim Wiederaufbau Haitis

"Damit Land und Menschen eine Zukunft haben"

Knapp eine Woche ist vergangen, seit das verheerende Erdbeben Haiti verwüstete. Immer noch ist die Lage in dem Karibikstaat unübersichtlich. Was Michael Huhn vom Lateinamerika-Hilfswerk der Katholischen Kirche Adveniat beobachtet: Auch in diesen schweren Stunden hilft den Menschen ihr Glaube. Vier von fünf Haitianern sind katholisch. Im domradio-Interview spricht Huhn über die Zukunft des Landes und die der Kirche.

 (DR)

domradio: Was hat sich im Vergleich zu den vorigen Tagen verbessert?
Huhn: Dass die Menschen endlich diejenigen sehen, auf die sie so gewartet haben, vier Tage lang, nämlich: die Helfer aus dem Ausland, die Tanklastwagen, die Trinkwasser bringen, zu sehen, dass in Feldlazeretten operiert wird und dass in der Bevölkerung selbst eine ungeheure Hilfsbereitschaft ist.

domradio: 80 Prozent der Bevölkerung auf Haiti ist katholisch, der Glaube spielt eine große Rolle - hilft er gerade den Menschen auch?
Huhn: Ich glaube, ja. Aus allem, was ich gesehen und gehört habe, erkenne ich, dass auch jetzt der Alltag der Menschen vom Glauben durchtränkt ist. In jedem Augenblick. Die Menschen knien sich nieder, beten und schreien heraus, was ihnen geschehen ist, sie verfluchen Gott und danken ihm, wenn sie gerettet sind. Eines der meistgesprochenen Wörter in diesen Tagen ist: Jesus, Jesus. Das ist die Aufgabe der Kirche in diesen Wochen: wirklicher Seelsorge einen Raum zu geben, eine Gelegenheit für Klage, Schmerz und Trost. Das brauchen die Menschen.

domradio: Auch die Kirche selber beklagt zahlreiche Opfer - ist sie vor Ort noch handlungsfähig?
Huhn: Ja, und zwar weil diejenigen, die überlebt haben, alles tun. Und weil sich wieder einmal die Solidarität innerhalb des haitianischen Volkes bewährt. Aber es ist ein tiefer Schlag, auch der Tod des Erzbischofs, der mir ein Freund war. Diese Verluste an Führungspersönlichkeiten werden die haitianische Kirche schwer belasten. Aber zum Teil wird das wieder auf anderer Ebene ausgeglichen: durch die ermutigende Solidarität von außen. Und eben die Kraft des Glaubens, die die Leute weiter arbeiten und beten lässt.

domradio: Was plant Adveniat zum Wiederaufbau des Landes?
Huhn: Wir helfen nicht nur jetzt, sondern auch in den nächsten Jahren. Adveniat wird mit Gewissheit mehr als eine Million Euro noch in diesem Jahr extra bewilligen - und das wird auch in den Folgejahren so sein. Auch für den Wiederaufbau von Kirchen, einfach den Orten des Glaubens. Es ist ganz wichtig, dass die möglichst schnell wieder aufgebaut werden, damit das Land und seine Menschen eine Zukunft haben.

Das Gespräch führte Pia Deuss.

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