Pfarrer klärt über neureligiöse Bewegungen auf

Schlafpredigerin und ein Tempel in Sachsen

Neureligiöse Bewegungen und Sekten sind vielfältig und gefährlich. Über sie spricht Pfarrer Fabian Maysenhölder in seinem Podcast. Er ist davon überzeugt, dass jede Religion in eine falsche Richtung abdriften kann. 

Blick in die dunklen Gewölbe einer gotischen Kathedrale / © Triff (shutterstock)
Blick in die dunklen Gewölbe einer gotischen Kathedrale / © Triff ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: In Ihrem Podcast "Secta" nehmen Sie in der aktuellen Folge die Åkerblom-Bewegung unter die Lupe. Was verbirgt sich dahinter?

Fabian Maysenhölder (Evangelischer Pfarrer und Podcaster): Hinter der Åkerblom-Geschichte verbirgt sich eine sogenannte True-Crime-Geschichte. Da geht es am Ende auch um einen Mordversuch. Letztendlich ist das zurückzuführen auf eine Frau namens Maria Åkerblom. Sie war eine sogenannte Schlafpredigerin, die in Trance gepredigt hat und eine Gruppe von Leuten um sich geschart hat.

Die Gruppe hatte ein sehr apokalyptisches Weltbild. Sie wollten dann auch zwischenzeitlich nach Israel oder Palästina reisen - wir sind in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts -, um dort quasi die Endzeit zu erleben.

Es gab auch Kritiker der Gruppe. Einen solchen Kritiker wollte Maria Åkerblom ermorden lassen. Das ist zum Glück fehlgeschlagen. Sie ist trotzdem im Gefängnis gelandet. Das war das Ende dieser Gruppe, da die Prophetin dann im Gefängnis war und die Gruppe nicht mehr richtig leiten konnte. So kann man es kurz zusammenfassen.

DOMRADIO.DE: Da gibt es aber noch einige weitere Beispiele oder?

Maysenhölder: Durchaus. Ich habe jetzt 31 Folgen gemacht - insgesamt schon ein paar mehr - und ich bin jedes Mal aufs Neue fasziniert, was da auftaucht.

DOMRADIO.DE: Wie sind Sie denn darauf gekommen, sich mit Sekten auseinanderzusetzen?

Maysenhölder: Das waren zwei Ebenen. Ich habe mich schon immer gefragt, warum Menschen glauben, was sie glauben. Anschließend daran habe ich mich dann auch gefragt, warum ich glaube, was ich glaube.

Ich habe mich dann immer gefragt: Wann wird denn religiöser Glaube problematisch? Wo sind Punkte, an denen das ins Negative abdriftet?

Jede Weltanschauung, ob jetzt Christentum, Atheismus, welche Weltanschauung, welche Religion auch immer, kann zwei Seiten haben. Sie können ein sehr gutes und lebensbejahendes Potenzial bei Menschen hervorheben. Aber in der Geschichte sieht man auch, dass da sehr viel negatives Potenzial in diesen Weltanschauungen steckt.

DOMRADIO.DE: Christen feiern jetzt das Pfingstfest. Da geht es auch um Mission. Inwieweit nutzen denn einige neue religiöse Bewegungen die Pfingstgeschichte?

Maysenhölder: Ich glaube, dass dieser Grundgedanke eine große Rolle spielt, dass der Heilige Geist auf die Jünger und Jüngerinnen herabkommt. Daraus geht dieser Missionsimpuls heraus hervor. Das ist das, was man häufig in solchen religiösen Gemeinschaften, Sondergemeinschaften oder neuen religiösen Bewegungen findet, dass nämlich dieser Heilige Geist für sich beansprucht wird.

Oft steht am Anfang einer solchen Bewegung auch eine charismatische Gründerfigur, die für sich beansprucht, dass sie ein individuelles Pfingsterlebnis hatte, eine Offenbarung oder Berufung durch den Heiligen Geist. Damit geht einher, dass man einen gewissen Autoritätsanspruch und Exklusivitätsanspruch hat: "Wir haben den Heiligen Geist. Wir haben die Wahrheit. Wir haben die wahre göttliche Sache offenbart bekommen."

DOMRADIO.DE: Wollen Sie da als evangelischer Pfarrer aufklären?

Maysenhölder: Das hat mit meinem evangelischen Pfarrersein gar nicht so viel zu tun, dass ich aufklären will. Es hat eher etwas damit zu tun, dass ich diese beiden Tendenzen, mit der Weltanschauung Positives und Negatives zu bewirken, auch bei mir selbst und im Christentum sehe. Deshalb ist es wichtig, dass man seine Religion reflektiert lebt und sich auch immer wieder selbst hinterfragt.

Da kann der Blick auf sogenannte Sekten und religiöse Bewegungen helfen, weil man dadurch natürlich sich selbst auch die Frage stellt: Wo driftet es bei mir vielleicht in die falsche Richtung ab? Was kann ich davon lernen?

Das ist die Motivation, warum ich diesen Podcast mache. Weil ich glaube, dass das es gut und wichtig ist, sich an sowas abzuarbeiten und daraus zu lernen.

DOMRADIO.DE: Wenn sich neue religiöse Strömungen bilden, muss die Kirche das dann respektieren?

Maysenhölder: Das müssen wir einfach aushalten, weil das ein Fakt ist. Es ist ja kein neues Phänomen. Neue religiöse Bewegungen bilden sich nicht erst seit ein paar Jahren. Die größere Frage ist: Wie positioniert sich denn Kirche in dieser pluralistischen Welt, die ja nun mal ein Fakt ist? Ist halte sie für sehr bereichernd.

Letztlich geht es darum, dass wir uns als Kirche überlegen, was für einen Glauben wir vermitteln wollen. Wir sollten einen lebensdienlichen, lebensfördernden Glauben vermitteln, der dem Leben positiv gegenübersteht, der den Menschen positiv und annehmend gegenübersteht. Das ist für mich ein Kern der biblischen Botschaft von Jesus.

Auch in der Beziehung der Kirchen und der neuen religiösen Bewegungen sollten wir das vermitteln und in die Gesellschaft hinein ausstrahlen. Wir müssen das einfordern, wo wir es nicht sehen.

DOMRADIO.DE: Auf Ihrem Blog TheoPop schreiben Sie auch über Religion, Medien und Popkultur. Wie aktiv sind diese neureligiösen Bewegungen und Sekten im Netz?

Maysenhölder: Das ist recht unterschiedlich. Es gibt einige, die da gar nicht aktiv sind, weil sie mit den Neuen Medien gar nichts anfangen können. Sie leben in einer Frömmigkeit, die sie noch aus den vorigen Jahrhunderten pflegen.

Es gibt aber sehr, sehr viele, die da auch aktiv sind. Ich denke zum Beispiel an die Zeugen Jehovas, die mit ihrer Website sehr präsent sind. Wenn man Bibelfragen googelt, landet man sehr häufig bei den Zeugen Jehovas. Die hatten vor Corona schon gute Möglichkeiten, Gemeindeglieder digital einzubinden, die nicht in die Versammlung kommen konnten, weil sie krank waren. Die waren uns da schon um einiges voraus.

Ich denke aber auch zum Beispiel an die Organische Christusgeneration, die in problematischer Weise sehr aktiv im Internet ist. Da gibt es die Plattform "kla.tv", die ein großer Player in der Frage nach Verschwörungsmythen ist, die da verbreitet werden. Da werden Falschinformationen durch sehr professionell aufgearbeitete angebliche Nachrichten verbreitet.

DOMRADIO.DE: Worum geht es in der nächsten Folge?

Maysenhölder: Es um eine kleine Gruppe in Sachsen, die gerade mal so um die 4.000 Mitglieder hat und einen riesengroßen Tempel mit 1.000 Plätzen in Pockau in Sachsen: die Lorenzianer. Das ist eine sehr abgeschottete, verschlossene Gruppe, die einen Propheten namens Hermann Lorenz hat. Der hat Anfang des 20. Jahrhunderts gelebt und er gilt als letztgültige Endzeitprophet.

Die Gruppe wartet seit 100 Jahren auf ihre Entrückung. Sie haben auch Fluchtrucksäcke bereitstehen, wo dann Nahrung und Kleidung drin ist, für den Fall, dass die Entrückung kommt, die jeden Moment eintreten kann.

Das Interview führte Jann-Jakob Loos.


Quelle:
DR
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