Diözesanrats-Geschäftsführer sieht drängende Themen beim ÖKT

"Die letzte Chance ist fast verspielt"

Der Geschäftsführer des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Köln sieht auf dem Ökumenischen Kirchentag eine Reihe wichtiger Themen. Mit Blick auf die Vertrauenskrise in der Kirche hofft er auf den Dialog und die richtigen Impulse.

Blauer Tisch zum ÖKT in Frankfurt / © Harald Oppitz (KNA)
Blauer Tisch zum ÖKT in Frankfurt / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Eigentlich wären Sie jetzt auch in Frankfurt. So sind Sie nun zu Hause im Bergischen Land. Was hatten Sie ursprünglich geplant und wie nehmen Sie jetzt teil?

Norbert Michels (Geschäftsführer des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Köln): Wir hatten zusammen mit der Hauptabteilung Seelsorge wieder einen großen Stand geplant, den wir auch gemeinsam bis Dezember des letzten Jahres vorbereitet haben. Wir wollten dort ökumenische Aktionen und besondere Projekte präsentieren. So hatten wir uns schon dieses besondere Cityprojekt im Huma, in diesem großen Einkaufszentrum in Sankt Augustin, angeschaut und wollten dieses Projekt unter anderem dort auf unserem Stand vorstellen. Das geht nun leider nicht.

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Projekt?

Michels: Das ist ein citypastorales Projekt. Da kommen Menschen mit verschiedensten Anliegen hin. Es stehen ihnen andere Menschen zum Gespräch zur Verfügung, die natürlich ehrenamtlich unterwegs sind. Und es werden auch bestimmte Projekte innerhalb dieses Projektes wieder initiiert - zu Glaubensfragen, aber auch zu sozialpolitischen Dingen. Das ist ein ganz spannendes Projekt. Aber es sind eben diejenigen, die dieses Jahr eben nicht am Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) teilnehmen können. Ich hoffe, die dann nächstes Jahr beim Katholikentag wiederzusehen. Da werden wir das Projekt dann einfach vorstellen, weil es dieses Jahr ja leider nicht geht.

DOMRADIO.DE: Live vor Ort am Stand etwas vorzustellen, ist ja immer auch eine ganz andere Sache, als sich zu überlegen, wie man digital versuchen kann, das begreifbar zu machen. Was ist für Sie der Unterschied, ob Sie vor Ort wären oder jetzt zu Hause an diversen Foren teilnehmen?

Michels: Man sucht natürlich aus und hat bestimmte Vorlieben. Ich hätte ja auch nicht, wenn ich jetzt in Frankfurt gewesen wäre, nur am Stand gearbeitet. Das wäre natürlich meine Hauptaufgabe gewesen. Aber dann hätte ich mir das große Programm genommen und hätte mir ganz genau angeschaut: Wo willst du denn hin? Was interessiert dich an Themen? Da wäre ja eine Vielfalt von Themen aufgezeigt worden. Dann hätte ich mir immer wieder Dinge herausgesucht.

Das mache ich jetzt auch. Aber man muss ganz klar sagen: Ich bin natürlich durch dieses digitale Format nicht so gebunden, als wenn ich vor Ort wäre. Das ist schon ein Unterschied. Ich suche jetzt vielleicht noch stringenter aus und sage: Nein, dafür hast du nochmal Zeit, weil ich eben hier meine Arbeit auch fortführen muss - als Geschäftsführer des Diözesanrates, aber auch als Privatperson.

DOMRADIO.DE: Was für Themen interessieren Sie denn besonders?

Michels: Also auf jeden Fall das Hauptpodium zum Thema: Was tun wir gegen Antisemitismus? Das finde ich, ist ein unheimlich spannendes Thema und das müssen wir in unserer Gesellschaft unbedingt auch zukünftig bearbeiten. Denn der Antisemitismus wird immer stärker. Der wird auch noch durch Strömungen in unserer Gesellschaft verstärkt, die regelrecht antisemitisch eingestellt sind.

Wir müssen dagegen arbeiten. Wir müssen zeigen, dass unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger uns ganz wichtig sind und dass wir auf die jüdische Community auch zukünftig setzen.

DOMRADIO.DE: Das ist natürlich ein Thema, das auch gerade ganz aktuell ist. Katholiken- und Kirchentage sind vor allem auch Treffen der Gläubigen an der Basis. Viele Laien, deren Vertreter Sie ja sind, sind gerade sehr unzufrieden mit ihren Kirchenleitungen. Wie mag sich das auf dem Ökumenischen Kirchentag spiegeln?

Michels: Es gibt ja auch ein Forum, ein Hauptpodium zum Thema: Wie glaubwürdig sind Kirchen? Wenn Sie mir das vor vier Jahren so gesagt hätten, da wäre ich schon aufgeschreckt. Inzwischen bin ich aber wirklich der Meinung, dass wir unsere Glaubwürdigkeit eigentlich fast jeden Tag, ja fast jede Stunde auf den Stand stellen müssen. Wir sind schon sehr angefragt und wir haben viel Vertrauen verspielt. Das muss man leider so feststellen.

DOMRADIO.DE: Was wäre denn in Ihren Augen das Wichtigste, um Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückzugewinnen?

Michels: Der erste und wichtigste Schritt ist, mit den Menschen zu reden, Ihnen nicht nur zuzuhören, sondern auf sie zuzugehen und sie ernst zu nehmen. Das heißt, ich kann nicht nur mit den Menschen reden und mich gleichzeitig im Inneren zurückziehen und sagen: Was die mir zu sagen haben, das nehme ich so nicht ernst, sondern ich muss sie ernst nehmen und die Dinge, die ihnen vielleicht in den Schuhen drücken, auch wirklich versuchen anzupacken.

Wir haben im Moment das Thema "Synodaler Weg". Aber wenn ich sehe, was aus dem Vatikan da an Querschüssen kommt, da kann ich nur sagen: Wir haben fast die letzte Chance hier in Deutschland verspielt und es werden immer weniger Menschen, die uns etwas zutrauen und uns vertrauen. Wir sollten diese letzten Chancen wirklich wahrnehmen und in ein vernünftiges Gespräch miteinander kommen.

DOMRADIO.DE: Könnte da der Ökumenische Kirchentag zumindest Impulse geben, von denen Sie sich dann was erhoffen?

Michels: Ich hoffe da sehr drauf. Aber wir müssen natürlich auch vor Ort sehen, dass wir in dieses Gespräch kommen. Wir müssen auch vor Ort sehen, dass wir sagen und auch feststellen: Ja, wir sind schuldige Menschen. Wir haben Schuld auf uns geladen. Wir stehen auch zu dieser Schuld und wollen auch etwas verändern.

Wenn wir das nicht tun, dann sind wir als Kirchen unheimlich unglaubwürdig. Das ist dann irgendwann nicht mehr aufzufangen. Denn was wollen Sie einem Menschen sagen, der sich wirklich noch an unsere Zehn Gebote hält, wenn man selber keine moralisch-ethische Verantwortung übernimmt?

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Norbert Michels, Geschäftsführer Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln / © Theresa Meier (DR)
Norbert Michels, Geschäftsführer Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln / © Theresa Meier ( DR )
Quelle:
DR
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