Bischof Bedford-Strohm über den Kauf eines Rettungsschiffs

Ein Schiff wird kommen

Nicht nur reden, sondern mithelfen – das will die Evangelische Kirche in Deutschland. Daher soll ein eigenes Rettungsschiff her. Als Christen wollen sie ein klares Signal senden, erklärt Bischof Bedford-Strohm im Interview.

Heinrich Bedford-Strohm fährt mit einem Boot zum Schiff "Sea-Watch" / © Annette Reuther/EKD (dpa)
Heinrich Bedford-Strohm fährt mit einem Boot zum Schiff "Sea-Watch" / © Annette Reuther/EKD ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die evangelische Kirche will sich aktiv an der Seenotrettung im Mittelmeer beteiligen. Sie wollen gemeinsam mit etlichen weiteren Organisationen ein Schiff für diesen Zweck kaufen. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, das zu tun?

Heinrich Bedford-Strohm (Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche in Deutschland): Wir haben gesagt, wir wollen ein klares Zeichen der Unterstützung der zivilen Seenotrettung setzen. Denn es ist unerträglich, dass es keine staatlichen Missionen gibt, die sicherstellen, dass Menschen im Mittelmeer nicht dem Tod durch Ertrinken preisgegeben werden. Die einzigen, die es gegenwärtig tun, sind die zivilen Seenotretter. Und die werden behindert. Die werden zum Teil sogar kriminalisiert. Wir wollen als evangelische Kirche ein klares Signal der Unterstützung senden.

DOMRADIO.DE: Wie sieht das denn jetzt ganz konkret aus? Es heißt, ein Kaufvertrag sei sogar schon unterschrieben?

Bedford-Strohm: Nein, das ist falsch. Wir haben zunächst mal einen Grundsatzbeschluss gefasst, ein Schiff zu kaufen. Man kauft so ein Schiff ja nicht im Kaufhaus. Das muss gründlich vorbereitet werden - auch rechtlich. Wenn man ein Schiff gefunden hat, dann muss es auch entsprechend umgebaut werden. Das wird also noch dauern.

Zunächst einmal wollen wir ein breites Bündnis gründen, bei dem sich schon viele gemeldet haben, die da mitmachen und spenden wollen. Dann wird das Schiff natürlich nicht von der Evangelischen Kirche in Deutschland betrieben, sondern das wird an Menschen übergeben, die sich als zivile Seenotretter damit auskennen.

DOMRADIO.DE: Ist das nicht vielleicht auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Muss nicht vielleicht auch endlich die Europäische Union in diesem ganzen Dilemma eine Lösung finden, um gemeinsam in der Flüchtlingskrise weiterzukommen?

Bedford-Strohm: Ja, selbstverständlich. Genauso ist es. Dieser eine Beschluss ist Teil einer Gesamtstrategie, die ganz unterschiedliche Dinge umfasst. Sie beginnt natürlich in den Ländern, aus denen die Menschen sich auf den Weg machen. Dort müssen die Fluchtursachen bekämpft werden. Die Menschen müssen Perspektiven bekommen. Ich war kürzlich in einigen Ländern Afrikas. Dort habe ich mit den Kirchenverantwortlichen gesprochen. Die machen genau das. Die haben Programme, wo sie Menschen beraten, wo sie auch vor falschen Versprechungen der Schlepperbanden warnen, wo sie versuchen, in den Ländern Perspektiven zu schaffen. Das unterstützen wir als internationales kirchliches Netzwerk.

Man muss die Menschen vor dem Weg in die Wüste warnen. Denn das, was wir hier wenig sehen, sind die vielen Toten, die es auf dem Weg in die Wüste gibt. Wir sehen die Bilder im Mittelmeer. Und es ist auch gut, dass wir uns an das Leid, was dort passiert, erinnern. Aber es muss uns auch klar sein, dass vorher schon in der Wüste viele Menschen sterben.

Der nächste Punkt ist die Lage in Libyen. Es ist unmöglich, dass Europa noch immer der sogenannten libyschen Küstenwache, was eigentlich Milizen sind, überlässt. Es darf nicht sein, dass sie die Menschen dann wieder in libysche Lager zurückzubringen. Das geht nicht.

Deswegen ist es wichtig, dass die zivilen Seenotretter nicht nach Libyen zurückfahren sondern in sichere Häfen, die in der Regel in Italien liegen. Dann braucht es einen Verteilmechanismus. Die Menschen müssen auf die verschiedenen Ländern Europas verteilt werden, wo sie dann erst einmal einen sicheren Ort haben. Das fordern wir von der Politik. Es muss vom ersten bis zum letzten Punkt dafür gesorgt werden, dass Menschen, wo immer sie sind, mit Würde behandelt werden.

DOMRADIO.DE: Es gibt Kritiker, die sagen, Sie setzten sich mit der Idee an die Stelle des Staates. Dieser sei ja eigentlich dafür zuständig. Was entgegnen Sie diesen Kritikern.?

Bedford-Strohm: Man darf beides nicht gegeneinander ausspielen. Erstens mal ist es ganz klar, dass wir diese staatliche Seenotrettungsmission fordern - immer gefordert haben. Sie ist eine der Forderungen in dem Palermo-Appell, den ich Anfang Juni mit dem Bürgermeister von Palermo vorgestellt habe. Es ist immer klar gewesen, dass wir den Staat hier in die Pflicht nehmen. Aber solange das nicht fruchtet, müssen wir die zivile Seenotrettung unterstützen. Und auch dann, wenn der Staat sich wieder engagieren sollte, ist eine Zusammenarbeit weiter wichtig. 

DOMRADIO.DE: Ist es für Sie Christenpflicht, zu helfen?

Bedford-Strohm: Jedenfalls ist es Christenpflicht Menschen nicht einfach zu vergessen, deren Leben in Gefahr ist. Wir leben als Christen vom Doppelgebot der Liebe - Gott zu lieben und die Liebe Gottes zu erfahren. Und untrennbar damit verbunden ist die Liebe zum Nächsten. Das heißt, wir lassen uns von der Not des Nächsten anrühren. Die Not hat keine Nationalität oder keinen kulturellen oder religiösen Hintergrund. Die Not ist einfach Not von Menschen. Nach allem, was ich von Jesus verstanden habe, müssen wir vor Ort sein. Es gibt viele andere Orte, aber die Seenotrettung ist ein wichtiger Ort, an dem sich dann zeigt, ob wir unsere christlichen Grundorientierungen als Kontinent Europa nicht nur vor uns hertragen, sondern sie wirklich auch leben.

Das Interview führte Verena Tröster.

 

Quelle:
DR