Schafft die Evangelische Kirche den Sonntagsgottesdienst ab?

"Knackpunkt für die Ökumene"

Ein Sonntag ohne Gottesdienst? Die Evangelische Kirche in Deutschland hat ihren Gemeinden empfohlen über den Fortbestand des Sonntagsgottesdienstes nachzudenken. Wäre das auch in der Katholischen Kirche denkbar?

Vorbereitung des Abendmahls im Berliner Dom / © Rolf Zoellner (epd)
Vorbereitung des Abendmahls im Berliner Dom / © Rolf Zoellner ( epd )

DOMRADIO.DE: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat ihren Gemeinden jüngst in einer Studie empfohlen, über den Fortbestand des Sonntagsgottesdienstes offen zu diskutieren. Für viele sei der traditionelle Sonntagsgottesdienst - so das Ergebnis der Studie - nicht mehr attraktiv.

Wäre die Frage, ob es den Sonntagsgottesdienst überhaupt noch braucht, für manche katholische Regionen auch denkbar?

Msgr. Robert Kleine: Also, wenn wir grundsätzlich den Sonntagsgottesdienst in Frage stellen würden – und für uns in der katholischen Kirche bedeutet das ja zunächst einmal die Eucharistiefeier – dann würden wir am Kern unseres Glaubens vorbeileben.

DOMRADIO.DE: Aber das scheint die Evangelische Kirche ja anders zu sehen. Wird die Bedeutung des Gottesdienstes da unterschiedlich wahrgenommen?

Msgr. Kleine: Ich will mich jetzt gar nicht abgrenzen gegen den evangelischen Gottesdienst sondern mal schauen: Was bedeutet es denn für uns? Jesus ist am Sonntag auferstanden. Das war der erste Tag der Woche, der normale Arbeitstag. An diesem ersten Tag ist er den Jüngern erschienen und dann haben die jungen christlichen Gemeinden sich am "Herrentag" getroffen. Dieser Sonntag wurde zum Tag, an dem man der Auferstehung Jesu gedachte. Der Sonntag ist dann in den christlich geprägten Ländern zum freien Tag geworden. Muslime haben den Freitag, die Juden den Samstag und die Christen den Sonntag. Und an dem wird traditionell Gottesdienst gefeiert.

DOMRADIO.DE: Aber diese Tradition wird bei der Evangelischen Kirche nun scheinbar nicht mehr als unbedingt erhaltenswert gesehen. Dort will man anstelle der Sonntags-Gottesdienste über anlassbezogene oder zielgruppenspezifische Veranstaltungen nachdenken. Ist das auch ein Thema für die katholische Kirche?

Msgr. Kleine: Ich glaube, in diesem Punkt äußert sich ein Knackpunkt in der Ökumene. Für uns als Katholiken ist ganz klar: Wir feiern die Eucharistie. D.h. wir begegnen Christus in der Gestalt von Brot und Wein. Bei der evangelischen Kirche ist es sonntags ein Zusammenkommen und da feiert man ab und zu Abendmahl. Dahinter verbirgt sich aber zum einen nicht unser Eucharistie-Verständnis und zum anderen gibt es auch nicht die liturgische Praxis wie in der katholischen Kirche, bei der ich – egal ob ich in Italien in eine Messe gehe oder in den USA in den katholischen Gottesdienst – überall dieselbe Feier erlebe. Erzbischof Woelki hat betont, dass die Möglichkeit auch weiterhin bestehen muss, am Sonntag Eucharistie zu feiern. Angesichts des Priestermangels ist es zudem nicht unrealistisch, dass es künftig sonntags in jeder Gemeinde nur noch eine Messfeier geben wird. Dadurch kann in mehr Gemeinden am Sonntag die Eucharistie gefeiert werden. Aber zu sagen: Ich streiche jetzt die Eucharistiefeier, um irgendwas anderes zu feiern, das kommt seitens der katholischen Kirche nicht in Frage. Die Eucharistiefeier ist das Wichtigste, was wir haben. Aus der Eucharistie heraus soll ich mein Leben gestalten, authentisch und auch froh als Christ leben. All das erwächst aber aus dem, was ich am Sonntag feiere.

DOMRADIO.DE: Doch auch in der katholischen Kirche scheinen das nicht mehr alle so zu erfahren. Wie kann man aus der sonntäglichen Eucharistiefeier leben?

Msgr. Kleine: Ich frage mich als Priester natürlich auch, warum erreichen wir so viele andere nicht. Wie könnten können wir deutlich machen, dass wir in der Heiligen Messe nicht irgendetwas machen sondern dass sich einer uns schenkt, dass Gott für uns da ist, dass er uns begegnen möchte. Ich rede oft mit Menschen, die sagen, dass sie nur ab und zu in den Gottesdienst gehen. Und dann sage ich: Eigentlich bringen sie sich da selbst um etwas. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Gottesdienste so gestalten – musikalisch, von der Zeit her, auch von der Vorbereitung des Zelebranten her – dass man merkt: der Gottesdienst ist eine kostbare Zeit, die mir Kraft gibt für den Alltag. Da müssen wir Zelebranten auch selbstkritisch sein. Wie können wir die Eucharistie so gestalten, dass sie wirklich ausstrahlt, wie am Anfang. Da kamen Christen auch in Zeiten der Verfolgung weil die Sonntagsmesse ihnen so wichtig war. Leider ist das etwas verloren gegangen. Aber es kann keine Alternative sein zu sagen: dann schaffen wir es ab. Das würde unseren Kern verraten.

DOMRADIO.DE: Etwa 2-3 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder gehen am Sonntag in die Kirche. Bei den Katholiken sind es im Schnitt noch knapp 10 Prozent. Die evangelische Kirche verweist bei dem großen Unterschied oft darauf, dass es bei den Katholiken im Gegensatz zur evangelischen Kirche die sog. Sonntagspflicht gebe.

Msgr. Kleine: Ich rede nicht gerne von der Sonntags-Pflicht. Eigentlich muss es doch ein Bedürfnis sein, einen Tag der Ruhe zu haben. Und wenn ich als Christ aus dem Bewusstsein lebe, ob evangelisch oder katholisch, dass ich mein Leben Gott verdanke, dann ist es eigentlich ein Bedürfnis, an diesem Tag, der aufgrund des Glaubens frei ist, auch in die Kirche zu gehen, dort nicht nur anderen zu begegnen sondern auch Gott. Und dann kann ich davon gestärkt diesen Tag auch mit Freizeit oder der Familie und Freunden gestalten. Ich sehe den Gottesdienst nicht als Pflicht sondern als Einladung, als Gewinn und Bereicherung.

DOMRADIO.DE: Sie haben von einem Knackpunkt für die Ökumene gesprochen, wenn es in Sachen Bedeutung des Sonntagsgottesdienstes zu so unterschiedlichen Vorstellungen kommt. Warum ist das so?

Msgr. Kleine: Wenn Jesus beim Letzten Abendmahl sagt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ und wir setzen das am Sonntag um oder eben nicht bzw. nur sporadisch, dann ist das schon ein Knackpunkt. Für uns Katholiken bedeutet Gottesdienst am Sonntag die Eucharistiefeier. Neben der kann es andere Formen geben, aber nie anstelle der Messe. Wenn ich lese, dass man den traditionellen Gottesdienst am Sonntag vielleicht aufgibt, dann wäre das die Preisgabe der eigenen Sichtbarkeit und des eigenen Propriums.

DOMRADIO.DE: Aber es gibt auch in der katholischen Kirche bei weitem nicht mehr so viele Heilige Messen, wie es früher mal der Fall war.

Msgr. Kleine: Es ist sicherlich so, dass wir auch Gemeinden haben, in denen leider nicht jeden Sonntag eine Eucharistiefeier gefeiert werden kann. Aber das hat Gründe, auch der Priestermangel gehört dazu. Aber es wäre etwas ganz anderes, zu sagen: Weil zur Messe so wenige kommen, schaffen wir sie ab.

Das Interview führte Martin Korden.

Weitere Informationen zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Eucharistie und Abendmahl finden Sie hier.

 


Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Tomasetti (DR)
Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema