Syrische Orthodoxe feiern Osterfest im Schatten des Krieges

Osterfest zwischen Schock und Zerstörung

Die Christen von Suqalabieh kommen nicht zur Ruhe. Der Ort liegt an der Frontlinie zu Idlib in Syrien. Auch am orthodoxen Osterfest schlugen Granaten der Nusra-Front ein. Viele Bewohner sind traumatisiert.

Autor/in:
Karin Leukefeld
Teilweise zerstörte Büste auf einem Altar / © Karin Leukefeld (KNA)
Teilweise zerstörte Büste auf einem Altar / © Karin Leukefeld ( KNA )

Der Ort Suqalabieh liegt in der syrischen Provinz Hama am Rand des fruchtbaren Ghab-Tals. Entlang des Orontes-Flusses breiten sich Felder, Wiesen und Plantagen wie ein grüner Teppich aus, das Tal erstreckt sich bis nach Norden zur syrisch-türkischen Grenze. Nur wenige Kilometer nördlich von Suqalabieh beginnt die Provinz Idlib. Hier liegt die historische Stätte Apameia, die im 4. Jahrhundert vorchristlicher Zeitrechnung entstand und zum Weltkulturerbe zählt. Heute ist die historische Stätte unter Kontrolle der Nusra-Front, der syrischen Variante von Al Qaida. Luftaufnahmen zeigen massive Raubgrabungen in dem Gelände, die Schäden sind noch nicht abzuschätzen.

Christen als Zielscheibe

Die Christen von Suqalabieh gehören der griechisch-orthodoxen Kirche an und stehen fest zur Regierung von Baschar al-Assad. Unter seiner Herrschaft und der des Vaters sei das Leben für die Christen in Syrien sicher gewesen, sagen hier viele. Ihre Unterstützung für das Regime hat die rund 20.000 Christen von Suqalabieh zur Zielscheibe gemacht. Die Provinz Idlib wird heute von der Nusra-Front und deren Nachfolgeorganisation Hayat Tahrir al-Sham (HTS, "Allianz zur Befreiung Syriens") dominiert, die ein Kalifat in Syrien errichten wollen.

Im September vereinbarten Russland, Iran und die Türkei eine entmilitarisierte Pufferzone, um die Provinz Idlib, aus der die Kampfgruppen sich ebenso zurückziehen sollten wie die syrische Armee. Die Kontrolle über die Islamisten wurde von der Türkei übernommen, die zwölf militärische Beobachtungsposten um die Provinz Idlib installiert hat.

Hoffnung auf ruhigere Zeiten

Zunächst hoffte man in Suqalabieh auf ruhigere Zeiten und eine Verhandlungslösung, die zum Abzug der Kämpfer führen sollte. Das aber geschah nicht. Vielmehr ignorierten die Kämpfer die Pufferzone, befestigen ihre Anlagen, brachten neue und bessere Waffen und beschossen weiterhin die Gebiete unter Kontrolle der syrischen Regierung. Suqalabieh wird auch von einer christlichen Miliz verteidigt. Die Gruppe untersteht dem Kommando der syrischen Streitkräfte.

Aboud F. (30) hat sich nach seinem regulären Militärdienst der Miliz angeschlossen. Von einer Erhebung aus zeigt er auf den Ort Qalat al-Madiq, nur wenige Kilometer entfernt. Dort befindet sich ein Stützpunkt der Nusra-Front. Über dem Ort steigen Rauchwolken auf. Die syrischen Streitkräfte, die außerhalb von Suqalabieh stationiert sind, haben auf den Beschuss von Mörsergranaten und Raketen kurz zuvor reagiert und beschießen in Qalat al-Madiq die Positionen, von denen der feindliche Beschuss ausgegangen ist. "Sie greifen uns an und wir schießen zurück", sagt Aboud. Kurz vor dem Osterfest hätten die Angriffe wieder zugenommen. Er bietet an, Familien zu besuchen, bei denen die Mörsergranaten eingeschlagen sind. "Eine Wohnung ist nah bei der Kirche."

Abgefeuerte Granaten

Opfer der Raketen und Mörsergranaten aus Qalat al-Madiq ist die Zivilbevölkerung in Suqalabieh. An Gründonnerstag werden am frühen Nachmittag drei Häuser getroffen. Die Wohnung von Naha Issa und ihrer beiden Töchter liegt in einem zweistöckigen Wohnhaus. Hier lebe sie seit dem Tod ihres Mannes, erzählt die noch deutlich unter Schock stehende Frau. Der Beschuss habe gegen 15 Uhr begonnen, die Mädchen seien im Wohnzimmer gewesen. Dann habe es heftig gekracht und die Wohnung sei plötzlich voller Staub gewesen. Die behinderte Tochter habe laut geschrien, doch glücklicherweise sei den Kindern nichts passiert. Gleich seien die Nachbarn gekommen und hätten geholfen, die Möbel aus dem Raum zu holen und sauber zu machen. Doch wer werde den Schaden ersetzen?

In einem anderen Haus nahe der Kirche Sankt Peter und Paul klafft ein Loch in der Decke, die Einrichtung des Raumes ist verwüstet. Auf dem Dach ist die Solaranlage zerstört, die die Familien mit Strom und warmem Wasser versorgte. Im dritten Haus wohnt die Familie Hanna Adra im Zentrum der Stadt. Die Granate durchschlug das Dach eines Hinterzimmers, in dem die Familie die Aussteuer für die Tochter lagerte, die Hochzeit stand kurz bevor. Teppiche, Waschmaschine, Ventilatoren, Geschirr, Wäsche - die ganze Aussteuer ist zerstört.

An der Wand, die deutliche Risse aufweist, hängt ein handgesticktes Bild: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes", ist darauf zu lesen. "Er hat uns beschützt", sagt Hanna Adra und wischt sich Tränen aus dem Gesicht. Niemand aus der Familie sei zu Schaden gekommen. "Alles wird gut werden."

 

Quelle:
KNA