Wie die Gemeinschaft von Taize noch nach 70 Jahren fasziniert

"Ein innerer Feiertag"

Vor 70 Jahren legten die ersten sieben Brüder der ökumenischen Gemeinschaft von Taize ihre Gelübde ab. Heutzutage übt die Gemeinschaft vor allem bei Jugendlichen große Anziehungskraft aus. Was ist das Geheimnis von Taize?

Gebet in Taizé / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Gebet in Taizé / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie sieht es heute am Jubiläumstag in Taize aus?

Christoph Strack (Journalist und in Taize vor Ort): Es sind zurzeit 2.700 Jugendliche aus zahlreichen Ländern versammelt. Das ist immer so während einer Kar- und Osterzeit. Es werden sicher noch tausend mehr werden bis zum Karfreitag. Auch jetzt noch reisen weitere Jugendliche an. Ich habe heute früh mit Frère Jasper gesprochen, einem der Brüder von Taize.

Er hat mir gesagt: "Wir haben diesen Termin, wir haben heute diesen Jahrestag, heute ist es 70 Jahre her. Aber wir feiern das nicht groß. Zum einen weil es die Kar- und Osterzeit ist und für uns das Fest der Auferstehung im Vordergrund steht. Und zum anderen, weil wir nicht so häufig uns selbst feiern oder an uns selbst denken wollen. Wir haben 2015 groß gefeiert, den 100. Geburtstag von Frère Roger. Wir haben 2015 groß gefeiert, weil damals auch schon einer der runden Jahrestage der Gemeinschaft von Taize anstand."

Der heutige Tag ist vielen Brüdern bewusst, aber das wird nicht so sehr in der Öffentlichkeit zelebriert, als dass alle Teilnehmer, all diese 2.700 jungen Leute eingebunden sind. Es ist für die Brüder selbst ein innerer Feiertag, aber kein Tag, der mit einem Festakt oder Vergleichbarem gefeiert wird.

DOMRADIO.DE: Was ist die Faszination von Taize für die jungen Menschen? Was sagen die Jugendlichen, die gerade dort sind?

Strack: Es ist zum einen wirklich faszinierend, wie auch am heutigen Tag die Gottesdienste ablaufen. Es ist so, dass die meisten der jungen Leute dreimal am Tag, also morgens, mittags und abends für 40 bis 60 Minuten in die Versöhnungskirche kommen, die von der Gemeinschaft in diesem Dorf gebaut wurde und dort ein Gebet halten. Es gibt während dieses Gebets zwei bis drei Minuten der Stille – und das ist wirklich eine völlige Stille. Da klingelt kein Handy, da kichert niemand, sondern man merkt, dass die ruhige Art dieses Taize-Gesangs und auch die Stimme des Bruders, der darauf hinführt, wirken. Die jungen Leute sitzen da wirklich ganz ruhig und genießen das.

Ich habe mit einer ganzen Reihe von jungen Leuten gesprochen, von den 17-jährigen aus Finnland bis zum 33-jährigen Jesuiten aus El Salvador, von einer Frau aus Rostock bis zu einem jungen Franzosen aus Bordeaux. Das Faszinierende ist, dass sie nicht zuerst davon sprechen, dass sie in der Gruppe viel Spaß haben oder nachmittags Fußball spielen, sondern dass sie sagen: "Ich habe hier Zeit, über mich nachzudenken, über mein Leben nachzudenken." Das sagen sie sehr ernst aber locker. Sie sprechen davon, dass sie sich in Gruppen über die Frage nach Gott austauschen können und dass sie das zu Hause gar nicht mehr erleben. Das scheint etwas zu sein, was die jungen Leute heute ebenso fasziniert, wie es sie vor 30, 40 oder 50 Jahren fasziniert hat.

Das ist vielleicht auch damals der Impuls gewesen, mit dem die Brüder von Taize gestartet sind. Ihr Gelübde zielte damals darauf hin, auf Dauer zu bleiben, in Armut zu leben, Ehelosigkeit zu leben aber eben auch für die Menschen da zu sein und offen zu sein. Vor 70 Jahren gab es einen kleinen Anfang und jetzt funktioniert es seit über 60, 65 Jahren. Die große Versöhnungskirche ist 1962 gebaut worden.

DOMRADIO.DE: Wenn jeder dort hinreisen und unterkommen kann, dann braucht man auch Schlafplätze. Aber wie macht man das, wenn so viele Menschen kommen, wie jetzt über die Osterfeiertage?

Strack: Taize ist im Grunde so etwas, wie ein dauerhaftes Zeltlager. Vor 30, 40, 50 Jahren gab es tatsächlich nur Zelte. Heute gibt es sehr geordnete, stabile Zelte und auch kleine Hütten oder größere Baracken, in denen zum Beispiel auch Familien und einige Ältere unterkommen können. Etwa zehn Prozent der Gäste sind tatsächlich Leute, die schon vor Jahrzehnten dort waren, vielleicht als sehr junge Menschen und die jetzt mit ihren eigenen Kindern wiederkommen.

Taize ist eine im weitläufigen Land Burgund gepflegte Anlage, die mittlerweile alle Möglichkeiten, alle Angebote bietet, die man braucht. Das meint nicht die Kneipe, nicht den Supermarkt, sondern das meint die sanitären Anlagen, die hygienischen Anlagen. Rund um die Zelte, rund um die komplette Anlage, rund um dieses kleine Dorf gibt es große Ruhebereiche, in denen jeweils Schilder stehen mit "Silence" und "Stille". Damit ist klar, dass dort niemand spricht und dort kein kein Telefon klingelt. Im Zweifelsfall achten auch Freiwillige darauf, dass diese Vorgaben eingehalten werden.

Das liegt natürlich auch an diesem schönen Hügelland im Süden von Burgund, das einfach einladend ist. Es vermittelt die französische Lebensart, aber lässt auch den Raum, sodass sich jeder zurückziehen kann - sei es in die Natur, zum Beispiel in einen kleinen Pilgergarten, oder sei es in die alte Dorfkirche, in der vor 70 Jahren diese sieben Brüder ihr Gelübde abgelegt haben.

Ein Jahr vor der Feier der ersten Gelübde hatte damals der Nuntius, der päpstliche Botschafter in Frankreich, Erzbischof Roncalli, die Erlaubnis dafür gegeben, dass diese kleine Kirche von Katholiken und Protestanten genutzt werden kann und ein so genanntes Simultaneum wird. Bischof Roncalli, der diese Offenheit damals schon unterstützt hat, wurde später Papst Johannes XXIII. Da sieht man: Seit langer Zeit hat die Bruderschaft von Taizé eine Beziehung zu den Päpsten.

Das Interview führte Dagmar Peters. 


Gebet in Taizé / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Gebet in Taizé / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

Taizé (DR)
Taizé / ( DR )

Jugendliche in Taizé / © Alexander Brüggemann (KNA)
Jugendliche in Taizé / © Alexander Brüggemann ( KNA )
Quelle:
DR