Impulspost der Evangelischen Kirche will Mut machen

"Fürchtet Euch nicht!"

"Fürchtet Euch nicht!" heißt die Impulspost der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, dafür wurden Menschen zwischen Mut und Angst portraitiert. Denn Mut und Angst gehören zusammen, so Pfarrer Martin Reinel.

Impulspost "Fürchtet euch nicht" von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN)
Impulspost "Fürchtet euch nicht" von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau / ( EKHN )

DOMRADIO.DE: Wie kamen Sie denn auf die Verbindung – Mut und Ängste?

Pfarrer Martin K. Reinel (Kirchenrat bei der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau sowie Geschäftsführer der Impulspost „Fürchtet Euch nicht!“): Wir wollen mit unserer Impulspost – dem Schreiben, das wir alle halbe Jahre an alle Mitglieder der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau schicken – einen geistlichen Impuls setzen. Ein geistliches Thema und etwas, was die Menschen berührt, soll auf ihrem Küchentisch landen. Wir haben uns Gedanken gemacht, was die Menschen bewegt. Angst ist natürlich so ein Thema. Sie gehört einfach dazu und gleichzeitig leiden viele darunter. Unser Anliegen war es, das zu thematisieren.

DOMRADIO.DE: Sie haben den Glauben ins Spiel gebracht. Welche Rolle spielt der Glaube im Zusammenhang mit Angst?

Reinel: Der Bibel ist die Angst nicht fremd, weil der Bibel Persönliches nicht fremd ist. Die Bibel kennt all das, was Menschen betrifft, und macht andererseits auch Mut, indem sie immer dann, wenn Gott oder ein Engel den Menschen begegnet, wenn etwas Göttliches passiert, sagt: Fürchte dich nicht! Aber es gibt auch ganz andere Geschichten in der Bibel, wie zum Beispiel die Stillung des Sturms im Markusevangelium, wo Jesus den Jüngeren und Jüngern sagt: Verlasst euch auf mich!

DOMRADIO.DE: Sind Engel da vielleicht Mutmacher?

Reinel: Engel können Mutmacher sein, aber sie machen immer auch ein bisschen Angst, weil sie aus einer anderen Welt kommen. Die Weihnachtsgeschichte macht das ja auch deutlich. Die Hirten auf dem Feld waren sicherlich sehr überrascht. Aber diese Geschichten drücken viele Erfahrungen von Menschen aus: Da ist eine ganz andere Dimension in ihr Leben eingebrochen – und das kann auch erst mal erschrecken. Aber es geht darum, aus dem Erschrecken in eine neue Lebensphase zu kommen, die nach vorne schaut, die das Neue sucht, die Gott sucht und die dann Gott findet – jetzt an Weihnachten in einer Krippe.

DOMRADIO.DE: Sie haben Menschen zwischen Mut und Angst porträtiert. Was sind das für Menschen gewesen?

Reinel: Ganz normale Menschen. Man muss sagen, es ist ja ganz normal, dass man Ängste hat. Ängste sind im Prinzip etwas Gutes, denn sie sind eine Warnfunktion. Denn natürlich sollten Eltern Sorge haben oder Angst haben, dass ihr Kind nicht vor ein Auto läuft. Das geben sie weiter und sagen, am Straßenrand musst du stehen bleiben. Angst ist eine ganz normale Reaktion. Aber die Menschen in dieser Impulspost berichten, dass es Situationen geben kann, in denen sie nicht mehr damit fertig wurden, dass die Angst sie überwältigt hat.

Eine Geschichte handelt von Andreas, einem 52-jährigeren Pfarrer, der lange Jahre im Dienst war und sich für Menschen wirklich hingegeben hat, und der dann gemerkt hat: Ich kann nicht mehr auf die Kanzel gehen, ich kann den Gottesdienst nicht mehr halten. Da wurde es zu viel und er hat gemerkt, dass er sich besinnen muss, dass er auch auf sich schauen muss, dass er mal Stille und einen Klinikaufenthalt braucht.

Ich fand die Geschichte einer 45-jährigen Polizistin, einer Kriminalbeamtin, sehr eindrücklich. Sie hat erzählt, dass sie in Einsatzsituationen sehr gelassen ist, weil sie das planen kann, da kann sie sich auf andere verlassen. Da weiß sie auch mit einer ungewöhnlichen Situation umzugehen. Gleichwohl an anderen Stellen verspürt sie so etwas wie Angst, wenn sie an ihre Kinder denkt oder an die große gesellschaftliche Lage, in der zum Beispiel auch immer mehr Populisten versuchen Einfluss zu nehmen. Ängste können sich auf ganz verschiedene Bereiche des Lebens beziehen und davon haben uns Menschen erzählt. Ich glaube, es ist wichtig zu hören, was andere über Angst erzählen, um selber die Angst zu überwinden.

DOMRADIO.DE: Vor allem eines haben die ganzen Menschen gemeinsam, glaube ich. Es gehört unglaublich viel Mut dazu, auch über seine Ängste zu sprechen, oder?

Reinel: Ja, natürlich und wir haben festgestellt Mut und Angst gehören zusammen. Bei den Überlegungen zu dieser Aktion - das machen immer Gruppen und Menschen aus Kirche zusammen mit Kommunikations-Fachleuten - haben wir sehr schnell gemerkt, man kann nicht nur von Angst reden. Denn zum menschlichen Leben gehören viele Facetten. Angst kann heißen, dass man ängstlich ist, aber auch, dass man nur ein wenig beunruhigt ist. Vielleicht ist man auch an irgendeiner Stelle wachsam. Ist das dann schon Angst oder ist es einfach der Bereich dazwischen?

Auf der anderen Seite kommt dann die Gelassenheit und der Mut, Mut das Leben anzupacken oder eben über seine Ängste zu reden und damit aus der Angst rauszukommen. Manchmal ist das Leben ein bisschen wie das Wetter, man weiß nicht ganz genau, was passiert. Ich glaube, das ist eigentlich auch völlig normal, dass die Stimmungen im Leben ganz anders sind, als wir das von irgendjemandem manchmal gesagt bekommen. Nach dem Motto: Du darfst nur so oder so sein. Nein, wir sind manchmal beunruhigt, wir sind manchmal voller Hoffnung und manchmal kommt die Angst. Sie darf nicht Überhand nehmen und uns in ein tiefes dunkles Loch führen, das ist dann der Punkt, an dem man in der Tat Hilfe braucht. Dann müssen wir gucken, dass wir aus diesem Loch wieder rauskommen und hoffentlich auf die Seite des Mutes gelangen.


Pfarrer Martin K. Reinel, Koordinator der Regionalen Öffentlichkeitsarbeit der EKHN (EKHN)
Pfarrer Martin K. Reinel, Koordinator der Regionalen Öffentlichkeitsarbeit der EKHN / ( EKHN )
Quelle:
DR