In ethischen Fragen sprechen die Kirchen nicht mit einer Stimme

Dissens nicht nur beim Bluttest

Änderungen bei der Pränataldiagnostik oder die "Ehe für alle": Katholische und evangelische Kirche sind in manchen Fragen uneins. Nach dem Reformationsgedenkjahr 2017 sorgt diese Entwicklung bisweilen für Stirnrunzeln.

Nicht immer in die gleiche Richtung unterwegs: Katholische und evangelische Kirche / © Harald Oppitz (KNA)
Nicht immer in die gleiche Richtung unterwegs: Katholische und evangelische Kirche / © Harald Oppitz ( KNA )

Das hätte so eigentlich nicht mehr passieren sollen: Am 2. November stellte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) einen "Beitrag zur ethischen Urteilsbildung und politischen Gestaltung" vor. Konkret ging es um vorgeburtliche Bluttests, mit denen bereits im frühen Stadium einer Schwangerschaft Trisomie 21 bei ungeborenen Kindern festgestellt werden kann. Die EKD sprach sich dafür aus, dass solche Tests künftig von den Gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden; zugleich sollten die Schwangeren ein Beratungsangebot erhalten.

"Erhebliche ethische Bedenken" bei Bluttests

Daraufhin meldete sich die katholische Deutsche Bischofskonferenz umgehend zu Wort und bekundete ihre abweichende Meinung zu der vorgeschlagenen Lösung. Die Finanzierung der Tests als Kassenleistung begegne "erheblichen ethischen Bedenken mit Blick auf den Schutz des ungeborenen Lebens", so Pressesprecher Matthias Kopp. Zugleich betonte er, bei der anstehenden ethischen Debatte werde es "auch wichtig sein, im ökumenischen Gespräch zu bleiben".

Der Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland, Martin Dutzmann, hatte bei der Vorstellung des Papiers eingeräumt, dass der Vorschlag auf katholischer Seite auf Bedenken stoße. "Die Differenzen werden wir aushalten müssen", meinte er.

Dabei hatten die Kirchen sich im Reformationsgedenkjahr ausdrücklich zu einer besseren Kooperation in solchen Fragen bekannt. "Wir verpflichten uns, in ethischen Fragen, die zwischen uns strittig sind, vor Entscheidungen den Dialog zu suchen": So lautete - vom EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm vorgetragen - eine der "Selbstverpflichtungen" der beiden Kirchen im Buß- und Versöhnungsgottesdienst im März 2017 in Hildesheim.

Riss durch beide Kirchen beim Thema "Ehe für alle"

Mit der Umsetzung tun sich die Kirchen offenbar schwer. Bereits der erste Test ging daneben: Als der Bundestag im Juni 2017 die "Ehe für alle" einführte, begrüßte dies der Rat der EKD ausdrücklich, während die katholischen Bischöfe bedauerten, dass der Gesetzgeber wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben habe.

Allerdings ging in dieser Frage auch ein Riss durch die einzelnen Kirchen: Bei den Protestanten gab es heftige Kritik an der EKD-Stellungnahme nicht nur von den Evangelikalen. Auch der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Schaumburg-Lippe, Karl-Hinrich Manzke, rügte, dass der Rat damit - ohne theologische Gründe anzugeben - die bisherige Linie verlassen habe, dass die Institution Ehe heterosexuellen Paaren vorbehalten bleiben müsse. Auf der anderen Seite hatten Bundestagsabgeordnete für das Gesetz gestimmt, die dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehören.

Damals wurde die mangelnde Abstimmung zwischen den Kirchen auf den hohen Zeitdruck zurückgeführt, da die Neuregelung sehr kurzfristig zustande kam. Die jetzige EKD-Stellungnahme wurde aber ausführlich in ihrer Kammer für öffentliche Verantwortung beraten, und der Rat hatte sich die Empfehlungen bereits am 26. Mai "zu eigen gemacht".

Kardinal Woelki: "Ethische Grunddifferenz zwischen beiden Kirchen"

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hatte zum Ende des Reformationsgedenkjahrs einen "zunehmenden Dissens in moral- und sozialethischen Fragen" zwischen den Kirchen beklagt. Als Beispiele nannte er neben der "Ehe für alle" die Stichtagsverschiebung für den "Import getöteter Embryonen", die Präimplantationsdiagnostik (PID) sowie die Beurteilung von Abtreibung, Sterbehilfe oder Scheidung.

"Wenn hinter diesem Befund die Überzeugung steht, dass sich aus dem Evangelium gar keine verbindliche Ethik ableiten lasse, dann muss man ehrlicherweise von einer ethischen Grunddifferenz zwischen beiden Konfessionen sprechen", meinte der Kardinal.

Studie sieht keine Unterschiede zwischen Konfessionen

Gegen diesen Eindruck wendet sich eine Studie, die Anfang 2017 von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) vorgelegt wurde. Sie kommt unter dem Titel "Gott und die Würde des Menschen" zu dem Ergebnis, dass Katholiken und Lutheraner beim Menschenbild und in ethischen Fragen keine wesentlichen Unterschiede sähen. Offiziell zu eigen gemacht haben sich die Kirchen das Dokument noch nicht. Bei der praktischen Umsetzung müssen sie jedenfalls noch üben.

Von Norbert Zonker


Quelle:
KNA
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