Versöhnliche Signale aus Passau im Kommunionstreit

"Keine Gewinner und Verlierer"

Im Kommunionstreit der katholischen deutschen Bischöfe sendet der Passauer Bischof Stefan Oster versöhnliche Signale an die Mehrheit. Aus seiner Sicht gibt es "keine Gewinner und Verlierer".

Bischof Stefan Oster teilt die Kommunion aus / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Stefan Oster teilt die Kommunion aus / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Herr Bischof, ist der Streit der deutschen Bischöfe um die Kommunion für evangelische Ehepartner von Katholiken jetzt entschieden? 

Bischof Stefan Oster: Ich bin dem Heiligen Vater dankbar, dass er unser Anliegen gehört hat - und die für uns wesentlichen Punkte klar beantwortet hat: Das Thema hat weltkirchliche Relevanz und berührt nicht nur pastorale, sondern Glaubensfragen. Weitere Klärungen sollen nun mit Hilfe der römischen Dikasterien erfolgen, zum Beispiel, wie eng oder weit ein für diese Fragen relevanter Paragraf des Kirchenrechts ausgelegt werden kann und welchen Spielraum dann ein Diözesanbischof für die Anwendung hat. 

KNA: Die von einer großen Mehrheit der Bischofskonferenz beschlossene Handreichung ist nicht veröffentlichungsreif, hat der Leiter der Glaubenskongregation geschrieben. Wie kann es jetzt weitergehen? 

Oster: In jedem Fall werden wir zunächst in unserer Bischofskonferenz intensiv miteinander sprechen müssen und uns auch alle miteinander ehrlich fragen, was in den vergangenen Wochen gut und was weniger gut gelaufen ist. Und wir müssen die Klärung aus Rom abwarten – und uns schließlich fragen, wie wir damit umgehen.

KNA: Befürworter der Handreichung sprechen von "Doppelmoral", weil auch die Kritiker eine in den Gemeinden längst übliche Praxis still tolerierten. Trifft Sie dieser Vorwurf?

Oster: Ich teile dieses Urteil nicht. Es ist richtig, dass wir niemanden von der Kommunionbank zurückweisen. In diesem Augenblick lässt sich kein Urteil über die Gewissensentscheidung des einzelnen Empfängers sprechen. Da kann ich niemanden bloßstellen. Aber wenn wir mit unserem Eucharistieverständnis ernst machen, kann es keine nur oberflächliche Praxis der Kommunionausteilung für quasi jeden geben.

Daher bin ich als Spender gehalten, Menschen bei passender Gelegenheit persönliche und geistliche Begleitung anzubieten – und unser Eucharistieverständnis vertieft zu erläutern. Und ja, aus der Praxis der Einzelseelsorge können sich dann tatsächlich singuläre und zeitlich begrenzte Situationen ergeben.

Aber aus meiner Sicht würde eine offizielle Regulierung solcher Ausnahmen noch stärker dazu führen, dass Ausnahmen erst recht zur Regel würden. Das zeigt ja schon die aktuelle Debatte. Es geht da im Grunde kaum mehr um die "schwere geistliche Notlage einzelner", sondern fast immer um die konfessionsverschiedenen Ehen generell.

KNA: Nach dem Klärungsversuch in Rom hieß es, die deutschen Bischöfe sollten weiter nach einer einmütigen Lösung suchen. Wie könnte die aussehen?

Oster: Wir müssen intensiv miteinander sprechen und abwarten, was an weiteren Klärungen aus Rom kommt – und dann sehen, wie wir gemeinsam weitergehen können. Aber konkret antizipieren kann ich dieses "Wie" jetzt noch nicht. Dabei ist mir wichtig zu betonen, dass wir keine politische Partei sind, deren Abstimmungen manchmal Gewinner und Verlierer hervorbringen. Unser Ziel reicht weiter: Wir suchen gemeinsam nach einem tieferen Verständnis unseres Glaubens. Deshalb bin ich dankbar, dass Kardinal Marx als Impulsgeber für die geplante Handreichung ein intensives Nachdenken darüber angestoßen hat, was uns die Eucharistie eigentlich bedeutet, warum sie uns heilig ist, warum sie Mitte unseres gläubigen Lebens ist – und wie Kirchengemeinschaft und Eucharistiegemeinschaft zusammengehören.

KNA: In der Auseinandersetzung spielen Stilfragen eine große Rolle, zum wiederholten Mal wurde nun ein nicht zur Veröffentlichung bestimmter Brief an Medien durchgestochen. Ist das zur Klärung der Probleme hilfreich?

Oster: Es ist gut und richtig, dass wir im Geiste der Mitbrüderlichkeit aufrichtig miteinander diskutieren, wenn nötig auch kontrovers. Dass dann bisweilen Indiskretionen passieren, die medial sehr interessant werden, schadet der Sache natürlich. Nämlich weil die Bischofskonferenz ja nicht nur eine Botschaft hat, sondern auch selbst eine ist. Dass der Brief von uns Sieben öffentlich wurde, war nicht gut.

Andererseits wurde unser Brief weltweit wahrgenommen, darin hat sich die weltweite Relevanz des Themas noch einmal gezeigt. Deshalb lag in diesem Schaden aus meiner Sicht am Ende auch noch etwas Gutes.

KNA: Erzbischof Ladaria favorisiert eine Lösung, bei der jeder einzelne Bischof für sein Bistum entscheidet. Das Kirchenrecht schreibt aber zusätzlich "bzw. der Bischofskonferenz". Diese Ebene ist in Ladarias Brief einfach weggefallen, oder wie verstehen Sie das?

Oster: Nach meinem Verständnis beschreibt Erzbischof Ladaria mit seiner Formulierung nicht einen Ist-Zustand, sondern visiert eine mögliche Lösung an. Zugleich verstehe ich ihn aber so, dass die römischen Dikasterien zuvor gewissermaßen die Weite des Spielraums einer solchen "schweren Notlage" ausloten sollen, innerhalb dessen ein Diözesanbischof dann entscheiden kann. Ob die vorgeschlagene Lösung der geplanten Handreichung im Rahmen dieses Spielraums ist oder außerhalb, wird man sehen. 

KNA: Ist es für Sie hinnehmbar, dass ausgerechnet im Land der Reformation, wo es so viele katholisch-evangelische Ehen gibt wie nirgends sonst, künftig möglicherweise je nach Bistum unterschiedliche Lösungen praktiziert werden?

Oster: Aufgrund dieser besonderen Situation bei uns in Deutschland haben wir auch eine besondere Verantwortung, zu einer guten und einheitlichen Regelung zu kommen. Unterschiedliche Handhabungen von Bistum zu Bistum hielte ich für problematisch, sie könnten den Eindruck der Beliebigkeit wecken, auch im Kontakt mit unseren Brüdern und Schwestern der orthodoxen Kirche.

KNA: Auch kirchliche Fachleute bezweifeln, ob Regeln sinnvoll sind, die sich gar nicht durchsetzen lassen. Steht sich mit dem Beharren auf klaren Vorgaben die katholische Kirche hierzulande ein bisschen selbst im Weg? Ist das "typisch deutsch"?

Oster: Das Zweite Vatikanische Konzil hat festgestellt, dass die Eucharistie die Mitte von allem ist, Quelle und Höhepunkt unseres Glaubens. Ich glaube daher, dass man sich nicht genug darum bemühen kann, sie zu verstehen, zu vertiefen - und sie als unser Allerheiligstes besonders zu ehren. Die Kirche hat daher immer schon Kriterien formuliert, die ein Hinzutreten zur Kommunion ermöglichen.

Wie diese heute zu fassen sind, darum ringen wir. Aber die vielen Äußerungen aus allen Teilen der Weltkirche haben mir deutlich gemacht, dass das wahrlich nicht allein eine typisch deutsche Frage ist.

Das Interview führte Christoph Renzikowski.


Quelle:
KNA