Buß- und Bettag mit großer Tradition im Osten

"Es geht nicht nur um Schokoladen-Sünden"

Die evanglische Kirche begeht an diesem Mittwoch den Buß- und Bettag. Bis 1995 war er bundesweiter Feiertag, jetzt nur noch in Sachsen. Doch was steckt eigentlich hinter diesem Feiertag - und könnte er bundesweit wieder eingeführt werden?

Symbolbild: Betende Hände (KNA)
Symbolbild: Betende Hände / ( KNA )

domradio.de: Wie ist das bei Ihnen in Sachsen? Warum wird an diesem Feiertag festgehalten?

Daniel Heinze (Katholischer Kirchenredakteur im Bistum Dresden-Meißen): Das ist eine Entscheidung im Jahr 1995 gewesen, bei der es um die damalige Pflegeversicherung ging. Da hat Sachsen als einziges Bundesland gesagt, dass die dortigen Arbeitnehmer ein bisschen mehr als der Rest Deutschlands zahlen würden. Dafür wollten sie aber diesen Tag behalten, weil der ihnen wichtig sei. Nun muss man sagen, dass die evangelische Konfession hier der große christliche Glauben ist - mit etwa 16 Prozent. Also immer noch eine deutliche Minderheit im Vergleich zu allen anderen. Dann hat man gesagt, ihnen sei der Tag als stiller Gedenktag wichtig. Deswegen wir er bis heute praktiziert.

domradio.de: Wie wird dann so ein Feiertag in Sachsen begangen?

Heinze: Tatsächlich sind die Kirchen heute gut besucht, das muss man wirklich sagen. Das Thema Buße ist wichtig und da geht es nicht nur um die "Schokoladen-Sünden". Da geht es um die Fragen nach menschlicher Schuld in der Gesellschaft, Verwicklung in große sozialer Schuld, die großen globalen Themen. Und, das darf man auch nicht vergessen, das ist eine große Tradition hier im Osten: Es ist das Ende der Friedensdekade. Das sind immer zehn Tage bis zum Buß- und Bettag, wo die Christen ökumenisch für den Frieden gebetet haben. Das ist noch eine große Tradition aus der Zeit der DDR, ist eigentlich eine bundesweite Sache, aber nirgendwo so stark wie in Sachsen. Und diese Friedensdekade endet heute. Heute ist der zehnte Tag. In diesem Jahr ging es um das Thema "Streit" - im Sinne von Streiten für Demokratie, für die gute Sache, also positiver Streit. Das sind die Themen, die die Sachsen offensichtlich bewegen.

domradio.de: Kann man das mit unserer Beichte vergleichen? Die Katholiken gehen beichten und die evangelischen Christen begehen den Buß- und Bettag?

Heinze: Das ist eine gute Idee. Ich glaube schon. Sicherlich nicht als Sakrament, aber vom Prinzip her, dass man nicht alleine in der Welt ist. Dass man in Schuld verfangen ist und selber auch Schuld bekennt, auf der anderen Seite auch Buße üben kann. Damit kann man sich mit dieser Schuld im positiven Sinne beschäftigen. Ich sehe da zumindest Parallelen. Aber ich will den evangelischen Christen jetzt nicht unterstellen, dass das eine Art Beicht-Ersatz ist. Das würden sie mir übel nehmen.

domradio.de: Wie ist das eigentlich, wenn man evangelisch ist, zum Bespiel in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Bayern? Kann man dann sagen, aus religiösen Gründen möchte man diesen Tag frei haben, weil er einem wichtig ist?

Heinze: Das kann ich nicht hundertprozentig beantworten. Ich weiß nur, wie es bei uns Katholiken im Umkehrschluss ist, wenn wir am 6. Januar frei machen wollten. Das hängt ein bisschen vom Arbeitgeber ab. Wenn ich sage, ich bin katholisch und ich möchte an diesem Tag in den Gottesdienst gehen, ist gar kein Problem, da muss der Arbeitgeber einem frei geben. Aber ob er einem den ganzen Tag frei gibt, da habe ich meine Zweifel. Ich vermute, es ist heute genau andersrum, auch bei den evangelischen Christen, dass die sagen, wenn ich heute in den Gottesdienst gehen will, dann bekomme ich frei. Aber den ganzen Tag frei, das könnte schwierig werden. Es sei denn, man hat einen top-liberalen Arbeitgeber.

domradio.de: Jetzt wurde der Feiertag 1995 abgeschafft. Kann es nicht sein, dass der Feiertag bundesweit wieder eingeführt wird, sodass Sachsen nicht alleine ist?

Heinze: Da würde ich nicht drauf wetten. Wenn es darum geht, einen weiteren Feiertag einzuführen, dann vermute ich, dann hat der Reformationstag, der 31. Oktober, bessere Chancen. Das ist der Tag des Reformationsgedenkens. Da sagt mir mein Bauchgefühl, wenn es um einen weiteren Feiertag geht - und er sollte aus dem christlichen Umfeld kommen -, dann ist das wohl eher der Tag als der Buß- und Bettag.

Das Interview führte Silvia Ochlast


Daniel Heinze / © Radio PSR
Daniel Heinze / © Radio PSR
Quelle:
DR
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